Gesundheit

Burnout: Selbstverantwortung 
übernehmen, bevor die Balance kippt

Nur wenn die Menschen die «Verwaltung» ihrer Stresshormone übernehmen, lässt sich die Erschöpfungsgefahr minimieren. Es ist die wirksamste Methode, ein Burnout zu verhindern.

Stressfolgen wie Burnout nehmen seit Jahren drastisch zu, die Berichterstattung scheint nicht abzureissen. In meiner praktischen Arbeit habe ich hautnah erlebt, wie stark es wirkt, wenn ein Kollege plötzlich wegen Burnout nicht mehr zur Arbeit kommt: Das Umfeld ist zuerst schockiert. Im zweiten Schritt macht sich dann oft die Annahme breit, selbst so stark und belastbar zu sein, dass einem nichts passieren kann. Diese Verdrängung ist oft die einzige Möglichkeit für Personen aus dem privaten wie beruflichen Umfeld, das durch Burnout hervorgerufene Elend auszuhalten. Aber welche Auswirkungen hat diese Verdrängung?

Die zwei zentralen Fakten

Wie Verdrängung die Einstellung zu Burnout beeinflusst, zeigt eine Umfrage. Befragte Führungskräfte betrachten Burnout zwar mittlerweile als eine reale Gefahr und nicht als Modediagnose – so lautet das Ergebnis einer Befragung von 360 Führungskräften durch das FKI (Führungskräfte Institut Berlin). Aber bei der Gewichtung der Burnout-Ursachen stellen die Befragten eine klare Rangfolge fest: An erster Stelle stehen Termindruck und Arbeitsverdichtung, gefolgt von fehlender sozialer Anerkennung durch Vorgesetzte. Der Existenz von Leistungs- und Belastungsgrenzen wird eine untergeordnete Bedeutung eingeräumt, und nicht wenige Führungskräfte unterschätzen oder verharmlosen das persönliche Burnout-Risiko. Die harten biologischen Fakten, die Grundlage der Burnout-Entwicklung, werden nicht berücksichtigt. Diese Fakten sind aber entscheidend, wenn man dem Burnout entgehen will.

Fakt eins: Stress ist immer ein innerer, körperlicher Prozess – der innere Vorgang ist abhängig von der persönlichen Einstellung und somit davon, wie die Belastung persönlich bewertet wird.

Fakt zwei: Der innere Prozess findet im Gehirn statt und kann auch nur dort gelöst werden. Die äusseren Belastungen im alleinigen Fokus verhindern jede wirkliche Burnout-Prävention und erreichen das Gegenteil.

Nur wer Stress erkennt, 
kann rechtzeitig handeln

Solange ein Klima herrscht, in dem einzelne Mitarbeiter mit einer permanenten Belastungssteigerung heldenhaft umgehen und dadurch als gute Mitarbeiter gesehen werden, so lange wird eine echte Burnout-Prophylaxe schwierig umzusetzen sein. Eine grundlegende Voraussetzung ist, die Stressbiologie mit ihren körperlichen Fakten zu verstehen, um für sich den richtigen, eigenverantwortlichen Umgang mit Belastungen und Stress zu finden.

Unter Stress versteht man das biologische Zusammenspiel unserer Antriebshormone mit den Immunbotenstoffen, die nach einer Anspannung für Entspannung und Regeneration verantwortlich sind. Die Antriebshormone geben uns Power, die Immunbotenstoffe sorgen dafür, dass wir entspannen, tief schlafen, belastende Tageserlebnisse verarbeitet werden und Krankheiten abgewehrt werden können.

Wenn die Balance zwischen Antriebshormonen und Entspannungsstoffen nachhaltig gestört ist, kommt es zu dem, was allgemein unter Stress verstanden wird: Konzentrationsprobleme, Körperschmerzen, Denkschnelligkeit und mentale Flexibilität nehmen ab, die Fehlerhäufigkeit steigt, der Schlaf wird schlechter, emotionale Unausgeglichenheit tritt ein. Der Anstieg des Stresshormons Cortisol verändert die Wahrnehmungsfähigkeit und somit jede Realitätsbetrachtung von sich inklusive Verhalten.

Modernes Stressmanagement setzt immer bei dem einzelnen Menschen an. Er muss die Kenntnis erlangen, dass er selbst für die «Verwaltung seiner Stresshormone» die Verantwortung hat. Rechtzeitig erkennen, dass die Lebensbalance gestört ist, erfordert einen bewussten und sensiblen Umgang mit den eigenen Kräften und eine realistische Einschätzung derselben. Wenn ausreichender und ungestörter Schlaf zur Ausnahme wird, die Konzentration und die Merkfähigkeit nachlassen und Fehlleistungen sich häufen, ist es nötig, diese Anzeichen als Alarmsignale ernst zu nehmen. Wenn dann die Gedanken kreisen und sich nicht mehr steuern lassen, sollte aufgrund der Erkenntnisse der Stressbiologie klar sein, dass sich der Stressspeicher im Gehirn nicht mehr entleeren kann und damit die Burnout-Gefahr am Steigen ist.

Um dieser Gefahr grundsätzlich zu begegnen, ist es nötig, die Balancefaktoren Körper – Beziehungsleben – Arbeit – Freizeit – Musse im Leben ausgeglichen zu integrieren und dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Der Chef soll Eigenverantwortung vorleben

Wenn man die Erkenntnisse nicht verdrängen würde, wäre es leicht, praktische Stressabbau-Methoden zu erlernen. So kann man mit der Methode Neuroimagination die Stressspeicher leeren: Damit lernt und trainiert man das zu tun, was bei einer guten Balance im Schlaf geschieht – Stresserlebnisse zu verarbeiten und so den Kopf wieder klar zu bekommen. Die dringend nötige Entspannung körperlich und mental zu schaffen, ist die Grundlage für ein ausgeglichenes Leben. Vorgesetzte können als Beispiel vorangehen, indem sie sich selbst realistisch einschätzen und somit ihre Kräfte nicht sinnlos vergeuden. Dies gelingt nur, wenn die Stresshormone kontrolliert für Ausgleich sorgen.

Eine offene Unternehmenskultur in Bezug auf Stress und Burnout vermeidet Verdrängung und schafft einen realistischen Umgang. Dann können Mitarbeiter langfristig ihre Kraft, einen klaren Kopf und somit ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität mit einer ausgeglichenen Balance erhalten.

Unklare Führung, verwirrende Kommunikation, ständig steigende Anforderungen bei Verknappung der Ressourcen fordern ihren Tribut: Es ist keine Heldentat, dies möglichst lange zu fordern, und auch nicht, dies möglichst lange klaglos mitzumachen. Es ist persönliche und betriebliche Dummheit: Denn bevor der Körper den Not-Stopp einlegt, werden unnötig viele Kräfte vergeudet und die Ergebnisse werden in allen Bereichen schlechter.

Regelmässige Stresstests, Seminare und spezialisierte, rechtzeitig durchgeführte Coachings statt Heldenkultur und Verdrängung machen es möglich, eine Haltungsänderung zu erreichen. Burnout ist eine ernste, lang anhaltende Bedrohung für die Lebensqualität des betroffenen Menschen; der Schaden, den Unternehmen erleiden, ist noch nicht wirklich erfasst. Es geht hier um eine Verantwortung, die jeder ernst nehmen sollte, und somit um einen wichtigen Beitrag, den jeder zum Wohle aller Beteiligten leisten sollte.

Buchtipp

Horst Kraemer: 
Soforthilfe bei Stress 
und Burn-out. 
Neue Energie in wenigen Tagen – Coaching mit Neuroimagination – Strategien der Vorbeugung. Kösel, 2010,  192 Seiten, gebunden, CHF 25.90

 

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Horst Kraemer ist Senior Coach DBVC (Deutscher Bundesverband Coaching), systemischer Therapeut und Autor diverser Fachpublikationen zum Thema Stress. Er lehrt an der Brainjoin-Akademie und arbeitet als Coach in Zürich und Hamburg. www.h4f-consulting.ch

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