Coaching entwickelt sich stabil – ungebrochener Trend zu mehr Bedarf
Coaching ist in aller Munde und das Begriffsverständnis so dehnbar wie ein Kaugummi. Doch was bedeutet Coaching in der betrieblichen Realität? Was verstehen Personalverantwortliche unter dem Begriff? Bereits zum dritten Mal wurde im Herbst 2007 die MindMove Coachingmarktstudie durchgeführt.


Coaching ist in der Schweiz weiterhin im Aufwärtstrend: Vier von fünf Firmen geben an, diese Begleitungsform grundsätzlich anzubieten. Etwa jeder vierte Personalverantwortliche geht davon aus, dass Coaching auch im laufenden Jahr 2008 weiterhin zunehmen wird. Nur gerade ein Prozent schätzt, dass das Coachingvolumen im laufenden Jahr abnehmen wird. Diese Zahl war im wirtschaftlich schwierigen Umfeld 2003 mit damals 14 Prozent noch deutlich höher. Es wird also spannend sein zu beobachten, wie sich dieser Trend in den nächsten Jahren weiter entwickelt (siehe Abbildung). Die nebenstehende Darstellung zeigt die Volumenentwicklung des Schweizer Coachingmarktes basierend auf Befragungen in den Jahren 2003, 20051 und 2007. Der Coachingmarkt Schweiz generiert pro Jahr schätzungsweise einen Umsatz von insgesamt 30 Mio. Franken (ohne Ausbildungsinstitute).
Die aktuellen Topthemen
In der Rangliste der häufigsten Coachingthemen 2007 hat sich auf den ersten drei Plätzen keine Veränderung gegenüber den Ergebnissen der vorangegangenen Studie ergeben. Neu in dieser Auflistung sind die Themen «Selbstmanagement/Arbeitstechnik» und «Burnout-Prävention» auf den Folgeplätzen. Der Modebegriff «Burnout» ist demnach zwar ein aktuelles Thema in der Coachingpraxis, hat aber keine besonders herausragende Bedeutung.
Der Blick auf die Themenrangliste zeigt zugleich, dass der Begriff Coaching offenbar weniger breit interpretiert wird, als aufgrund seiner fast inflationären Verwendung zu vermuten wäre. Die für die Studie befragten Personalverantwortlichen vermischen Coaching weder mit Training noch mit Beratung.
Praktisch alle Firmen arbeiten auch mit externen Coaches zusammen. Wandert mit dem Marktwachstum Beratungskompetenz weg von den Personalabteilungen? Nicht unbedingt, denn bei drei Vierteln der befragten Unternehmen ist ein Mix von internen und externen Coaches üblich. In den meisten Fällen ist internes Coaching auf mittleren und unteren Führungsstufen verfügbar, während das obere Management eher mit Externen zusammenarbeitet.
Die Hälfte der Firmen geben auch an, dass alle internen Coaches eine Coachingausbildung absolviert haben. Bemerkenswert ist: Linienverantwortliche übernehmen vermehrt eine aktive Rolle bezüglich Coaching. Besonders Führungskräfte mit eigener Führungserfahrung möchten Coaching in ihrem Geschäftsbereich vermehrt eingesetzt sehen und konzeptionell gut verankern.
Der Ruf von Coaching hat sich in den letzten Jahren klar gewandelt. Vermehrt wird Coaching als Massnahme der Personalentwicklung verstanden und weniger als Mittel zur Problemlösung. 29 Prozent gaben an, in ihrer Firma dominiere eine «Entwicklungskultur», gebenüber 21 Prozent, die bezüglich Coaching eine Defizitkultur sehen. Jeder Zweite gab an, dass Coaching in seinem Unternehmen sehr unterschiedlich betrachtet wird.
Anforderungen an externe und interne Coaches
Coaches und Berufsverbände berichten von vermehrten Versuchen international tätiger Unternehmungen, Coaches in ihr Netzwerk aufzunehmen, um in grösseren Coachingprojekten eingesetzt zu werden. Nach ihrem «Einkaufsverhalten» befragt, berücksichtigen jedoch gut zwei Drittel der Firmen ausschliesslich individuell am Markt tätige Coaches. Ein knappes Drittel beschäftigt sowohl individuelle Coaches als auch grössere Coachingfirmen mit einem Coach-Pool.
Die Anforderungen der Unternehmen an die Coaches sind im Vergleich zu den vorangegangenen Studien praktisch unverändert geblieben:
- Eine Coachingausbildung und langjährige Berufserfahrung sind für vier von fünf Befragten absolute Muss-Kriterien.
- Je die Hälfte der Umfrageteilnehmenden bezeichnet die eigene Führungserfahrung des Coachs als ein Muss bzw. sieht dies als Soll-Kriterium.
- Als etwas weniger wichtig wird offenbar eine Psychologieausbildung angesehen: Nur 13 Prozent bezeichnen dies als Muss-Kriterium, für 72 Prozent ist es bloss ein Soll-Kriterium.
- Gleich wichtig sind mit je gut 60 Prozent eine Coachingzertifizierung sowie eine betriebswirtschaftliche Ausbildung des Coachs.
- Coaching nützt – doch wer kennt den Nutzen von Coaching?
Die Investitionen für das Coaching einer Führungskraft sind überschaubar und über die Jahre gesehen praktisch unverändert. Durchschnittlich gut 1500 Franken investieren Firmen in ein Coaching, das fünf bis sechs Sitzungen umfasst. Doch kennen die Unternehmungen auch den Nutzen, den Coaching stiftet?
Jede zweite Firma ermittelt den Nutzen von Coaching nur qualitativ. Nur gerade jede achte setzt die Messlatte mit strukturierten Fragebogen auch beim quantitativen Nutzen an. 23 Prozent schätzen den Nutzen als «bis doppelt so hoch» wie die Investition ein, neun Prozent sogar als «mehr als doppelt so hoch».Den Hauptnutzen von Coaching sehen 63 Prozent der Befragten in der Stärkung der persönlichen Identität der Führungskräfte. Weitere wichtige Nutzenfaktoren sind eine kleinere Anzahl Konflikte und die effektivere Kommunikation der Führungskräfte.
Thesen zum Coachingmarkt Schweiz
Aus den drei Befragungen des Coachingmarktes Schweiz in den letzten fünf Jahren leitet der Autor drei Thesen ab:
- Coaching wandelt sich in der Wahrnehmung der Führungskräfte. Früher betrachtete man Coaching als Begleitung für Führungskräfte mit Problemen, heute sind oft Entwicklungsthemen Beweggrund für diese Begleitungsform.
Zahlreiche Ausbildungsinstitute schulen in der Schweiz mehrere hundert Kursteilnehmende pro Jahr in Coachingtechniken. Mehr Personalprofis mit Coachingausbildung führt zu gezielterem und vermehrtem Einsatz von Coaching durch interne und externe Coaches bei Personalentwicklungsthemen.In vielen Grossunternehmen substituiert Coaching teilweise Führungsausbildungen. So hat etwa ein Versicherer das Budget für Nachwuchsführungskräfte-Training in den Aufbau eines Coach-Pools umgelagert. Erfahrungen von Führungskräften mit Coaching führen zu einem erhöhten Bewusstsein für die Möglichkeiten dieser Begleitungsform und zu einem mehr entwicklungsorientierten Verständnis - Coaching wird als Dienstleistung unabhängig vom wirtschaftlichen Umfeld weiter wachsen. Das Coachingvolumen ist in den letzten gut zehn Jahren in der Schweiz in verschiedenen wirtschaftlichen Umfeldern relativ konstant gewachsen (siehe Grafik). Coaching kann in verschiedenen Gliedern der HR-Wertschöpfungskette eingesetzt werden. Steht eine Unternehmung auf der Kostenbremse, kann Coaching beispielsweise rund um Freistellungsthemen gute Dienste leisten (etwa Teamcoaching der «Hinterlassenen» oder der Führungskräfte, die Mitarbeitende freistellen müssen). In Wachstumsphasen kann Coaching bei generellen Führungsthemen wertvolle Beiträge leisten, etwa während der ersten 100 Tage neuer Führungskräfte oder im Bereich Performance Management.
- Linienverantwortliche mit eigener Coachingerfahrung können dem Thema Coaching in einer Unternehmung schneller zum Erfolg verhelfen als primär von HR initiierte Projekte.
Stehen Top-Führungskräfte zu ihren Coachingerfahrungen, verhelfen sie damit der Einführung von Coaching in ihrem Unternehmen zum Erfolg. Linienverantwortliche mit Budgetkompetenz entscheiden rascher als HR, besonders wenn sie von etwas aus eigener Erfahrung überzeugt sind. Kritisch für den Durchbruch von Coaching in einer Unternehmung sind die Akzeptanz dieser Dienstleistung und der Dialog darüber. Hierfür sind von Coaching überzeugte Führungskräfte unabdingbar.
Untersuchungsdesign
Im Herbst 2007 wurden 1200 Personalverantwortliche und Führungskräfte in der Schweiz mit einem erstmals eingesetzten Internet-Fragebogen befragt. Die Rücklaufquote betrug fünf Prozent. Die Antworten stammen aus verschiedenen Branchen, primär aus Industriefirmen, Finanzdienstleistern und Technologiefirmen. Von KMU bis hin zu Grossunternehmen beteiligten sich verschieden grosse Firmen an der Umfrage, wobei die grösste Gruppe Befragter zwischen 100 und 500 Mitarbeitende hat.