HR Today Special 2019: BGM – Körper und Geist

«Das Label ist und bleibt ein Qualitätsmerkmal»

Hans Rudolf Castell war vor zehn Jahren eine treibende Kraft hinter dem Label Friendly Work Space. Bis vor Kurzem sass der ehemalige Leiter HR Management Migros Gruppe im Wirtschaftsbeirat des Labels und engagierte sich dafür, dass dieses auch in Zukunft attraktiv bleibt.

Was waren aus Ihrer Sicht in den vergangenen zehn Jahren die grössten Herausforderungen bei der Etablierung des Labels Friendly Work Space?

Hans Rudolf Castell: Wir sind damals auf der grünen Wiese gestartet mit der Idee, gewissermassen von der Praxis für die Praxis Grundlagen und Richtlinien für ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement zu erstellen. Das bedeutete nicht nur harte Knochenarbeit, sondern wir mussten uns immer wieder überlegen, wie wir das inhaltlich und organisatorisch stemmen konnten, denn es gab ja keine Vorbilder. Nach den ersten Assessments im Mai 2009 folgten die Assessments im Halbjahrestakt. Eine weitere Herausforderung stellten dann die ersten Re-Assessments nach drei Jahren dar; hierzu mussten wiederum die Prozesse und die Grundlagen erstellt werden, zudem mussten die Re-Assessments parallel zu den Erst-Assessments durchgeführt werden, wofür die Organisation noch einmal angepasst werden musste.

Friendly Work Space basiert auf Ihrer Idee, ist also quasi Ihr Baby. Ist dessen Entwicklung so verlaufen, wie Sie es sich gewünscht haben?

Ja, grundsätzlich schon. Das Label ist mittlerweile etabliert und schweizweit zu einem wichtigen Instrument für ein strukturiertes BGM geworden. Inzwischen strahlt es sogar ins Ausland ab – damit hätte ich nicht unbedingt gerechnet.

Das Label hat die Schweizer Unternehmenslandschaft also beeinflusst?

Absolut! So hat es die Unternehmensleitungen dafür sensibilisiert, dass es sich lohnt, sich um den Erhalt oder gar um die Verbesserung der Gesundheit der Menschen in den Firmen zu kümmern. Es hat aufgezeigt, dass BGM mehr ist als Gratisäpfel oder Sportangebote über Mittag. Mittlerweile gibt es kaum mehr ein Unternehmen, welches das Thema BGM komplett ignoriert.

Wohin steuert das betriebliche Gesundheitsmanagement in Zukunft?

Es muss unbedingt auch in der neuen Arbeitswelt verankert werden. Als wir das Label vor zehn Jahren ins Leben gerufen haben, fand das Berufsleben noch primär an einem fixen Arbeitsplatz im Unternehmen statt. Heute wird zunehmend an mehreren Orten und auch zu unterschiedlichen Zeiten gearbeitet – diesen Entwicklungen muss ein modernes BGM nun ebenfalls gerecht werden.

Sie haben erwähnt, dass das Bewusstsein für BGM bei den meisten Firmen mittlerweile vorhanden ist. Braucht es überhaupt noch ein Label wie Friendly Work Space?

Das Label und seine Grundlagen sind und bleiben sehr nützliche Instrumente, um in einem Unternehmen strukturiert, erfolgreich und nachhaltig BGM betreiben zu können. Es bleibt nach wie vor ein Qualitätsmerkmal und auch dessen Signalwirkung nach aussen ist nicht zu unterschätzen. So bildet das Label zum Beispiel für jüngere Arbeitnehmende ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers. Wer strukturiert BGM betreiben möchte, kommt wohl nicht um das Label Friendly Work Space herum.

Aber es ist klar, dass sich auch das Label Friendly Work Space nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen darf. Es muss weiterhin attraktiv gehalten werden, gleichzeitig müssen künftig auftauchende neue Bedürfnisse in dieses integriert werden. Dabei sind sowohl die Bedürfnisse der bestehenden Label-Firmen als auch diejenigen von Firmen, die sich neu für das Label interessieren, einzubeziehen. Aus diesem Grund wird das Label zusammen mit verschiedenen Pilotbetrieben permanent weiterentwickelt.

Was zeichnet ein nützliches und praktikables BGM heute und in Zukunft aus?

Es muss trotz aller Komplexität einfach zu implementieren und vor allem nahe an der Praxis sein. Die Massnahmen müssen möglichst sichtbare Effekte erzielen und das Management des Unternehmens muss voll und ganz hinter einem strukturierten BGM stehen.

Kurz: Betriebliches Gesundheitsmanagement sollte auf allen Ebenen in einem Unternehmen aktiv betrieben und gelebt werden, dann sind mit der Zeit auch die Wirkungen sichtbar, sodass sich der getroffene Aufwand auch lohnt.

Friendly Work Space ist fit für die Zukunft

Zusammen mit dem Wirtschaftsbeirat hat Gesundheitsförderung Schweiz in den letzten Jahren das Label Friendly Work Space weiterentwickelt. Das sind die sechs wichtigsten Neuerungen:

  1. Vereinfachung: Der Prozess für Erst-Assessments wurde zeitlich verkürzt und der Prozess für Re-Assessments unterscheidet neu zwischen Fixkriterien und Wahlkriterien, wodurch der Aufwand für die Unternehmen deutlich reduziert wird. Die Benutzerfreundlichkeit des Assessment-Tools wurde ebenfalls erhöht.
  2. Vergleich: Betriebe können sich mit dem Benchmark der anderen Label-Trägerinnen und -Träger vergleichen. Diese Referenz hilft speziell bei Managementpräsentationen oder zum Vergleich des eigenen kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.
  3. Aktualisierung: Die Wegleitung wurde mit aktuellen BGM-Themen vertieft und die Bewertungsmatrix wurde klarer und verständlicher formuliert. Zum Beispiel ist sie besser abgrenzbar zu den gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz.
  4. Evaluation: Der neue Leitfaden «BGM mit Wirkungsprüfung voranbringen» unterstützt Unternehmen dabei, die Wirksamkeit mithilfe eines Kennzahlen-Cockpits zu prüfen und so wirkungsvolle Massnahmen auszuwählen.
  5. Kommunikation/Employer Branding: Alle Label-Firmen haben exklusiven Zugang zu einer Branding-Box mit Unterlagen zur Kommunikation gegenüber Mitarbeitenden und Stellensuchenden. Zudem können Unternehmen, die schon mehrere Assessments erfolgreich bestanden haben, ihr langfris­tiges Engagement für ein systematisches BGM mit einem Nachhaltigkeitshinweis als Zusatz zum Logo hervorheben.
  6. Leistung: Zusätzlich zu den Leistungserweiterungen wird die Leistung des Angebots für Label-Betriebe weiter erhöht. Neu ist eine detaillierte Präsentation mit Kernaussagen zum Label-Assessment im Preis inbegriffen. Das ­heisst, die Assessoren präsentieren die Ergebnisse vor der Geschäftsleitung.
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Sandra Escher Clauss ist freie Journalistin.

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