HR Today Nr. 3/2020: Praxis – Lego Serious Play

Denken, bauen, Geschichten erzählen…

Zu oft setzen Firmen auf Stelleninserate, die im klassischen Print und auf Unternehmens­webseiten ein trostloses Dasein fristen. Jüngere Bewerbende möchten aber anders ­angesprochen werden. Der Trend geht dabei zum «Recruitainment», zur spielerischen ­Unterhaltung im Recruitingprozess. Beispielsweise mit Lego Serious Play.

Verborgenes sichtbar machen, ist das Prinzip von Lego Serious Play (LSP), einer Methode, mit der Recruiter Einsichten in die Psyche von Bewerbenden erhalten. Je mehr Übungen ein Kandidat macht, desto ehrlicher, authentischer und intuitiver verhält er sich im Interview. Er kann sich nicht lange verstellen: So lässt sich auch der Mensch hinter einem Bewerbungsdossier besser erkennen. Bei klassischen Bewerbungsverfahren bereiten sich Kandidaten dagegen oft nach einem 08/15- Schema vor und erscheinen entsprechend geübt zum Bewerbungsgespräch. Das Motivationsschreiben, der Lebenslauf, die Arbeitszeugnisse und das Interview fliessen bei der Beurteilung eines Kandidaten zwar ein, ermöglichen aber keine Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit. Ganz im Gegensatz zum spielerischen Ansatz mit Lego.

Je nachdem, wie die Kandidaten die Bausteine zusammenfügen und welche Geschichte sie erzählen, lassen sich schon bei den ersten Aufgaben, die die Bewerbenden umsetzen, persönliche Eigenschaften sowie Verhaltens- und Führungsgrundsätze erkennen. Ebenso, ob jemand teamfähig ist, strukturiert, detailliert, fokussiert oder eher unorganisiert arbeitet. Die aus den Lego-Serious-Play-Spielrunden gewonnenen Erkenntnisse dienen Recruitern zudem als Gesprächsstoff für das Interview mit den Kandidaten.

Mit Lego Serious Play lässt sich das Bewerbungsgespräch somit auf ein Modell projizieren: Die Fragen und Gedanken werden im Modell konkretisiert, der Fokus des Gesprächs liegt nicht mehr auf der Person, sondern auf den bunten Steinen und was sie darstellen. Gleichzeitig kann LSP ein Umfeld erzeugen, das den Bewerbenden vergessen lässt, dass er sich in einem Bewerbungsgespräch befindet – er kann sich so besser auf das Bauen mit Legosteinen einlassen.

Im Gespräch erhält der Kandidat beispielsweise die Aufgabe, seine Persönlichkeit in einem Lego-Modell «nachzubauen». Mit Storytelling beantwortet der Kandidat anschliessend Fragen zu seiner Person, seinen Verhaltens- und Führungsgrundsätzen sowie zu seiner Expertise und seinen Kompetenzen.

Dieses Vorgehen hat Vorteile für beide Seiten

Die Bewerbenden …

  • erfahren, wie das Unternehmen tickt
  • erhalten einen besseren Einblick in die künftige Tätigkeit
  • können beurteilen, ob das Unternehmen die Vision, die Werte und die Employer Value Proposition lebt
  • nutzen das Lego-Modell als Gedankenstütze, um die an sie gerichteten Fragen zu beantworten
  • durchlaufen einen Selbsttest zur Einschätzung der eigenen Fähigkeiten

Die Unternehmen …

  • erhalten einen ersten Eindruck von den fachlichen, (nicht-)kognitiven und emotionalen Fähigkeiten sowie der Persönlichkeit der Bewerbenden
  • erfahren, wie sich die Person in bestimmten Situationen verhält und wie sie die gestellten Herausforderungen meistert
  • können sich innovativ und kreativ präsentieren und sich gleichzeitig als attraktive Arbeitgebermarke positionieren

Lego Serious Play (LSP)

Lego Serious Play (LSP) ist ein moderierter und strukturierter Prozess und eine Methode, die auf Erkenntnissen aus den Sozial- und Neurowissenschaften sowie der Erkenntnistheorie basiert. Deren Vorzüge liegen im Denken, Bauen, Geschichtenerzählen, Reflektieren, Ändern und Anpassen. So kann ein gemeinsames Verständnis erschaffen werden.

LSP kann für verschiedenste Themen angewendet werden: etwa Strategie, Organisation, Recruiting, Team- oder Produktentwicklung. Die behandelten Themen sollen mit LSP nicht nur visualisiert, sondern durch das Bauen von Modellen auch «beGREIFbar» gemacht werden. Dabei bauen die Workshop-Teilnehmenden mit Legosteinen ein 3D-Modell und erklären ihre Sichtweise direkt mithilfe dieses Modells. Im Prozess werden diese Geschichten zu einem Gesamtbild zusammengeführt.

Zusätzlich werden verschiedene Entwicklungsszenarien durchgespielt. Dabei werden die jeweiligen Themen hierarchiefrei und ergebnisoffen erarbeitet. Dieses Vorgehen vertieft das gemeinsame Verständnis, klärt die Sicht auf ein Thema oder Prozesse und lässt das Team fokussieren. Während des Workshops hat der Facilitator eine wichtige Rolle, weil er die Teilnehmenden durch den Prozess führt.

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Dejan Popovic ist Unternehmer, Spielmacher und Zukunftsgestalter bei DoDifferent, Trainer und Facilitator für die Lego-Serious-Play-Methode und Mitglied bei TheSeriousPlayer.com, einem Netzwerk von Facilitatoren. Er hat bisher 58 Lego-Serious-Play-Workshops mit 880 Teilnehmenden durchgeführt. Dabei wurden 10'560 verschiedene Modelle erstellt und 1'896'000 Legosteine verbaut.

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