Ratgeber

Der Forstwart als Controller: 
Berufliche Seitensprünge halten wach

Nichts ist so wichtig wie ein gutes Betriebsklima. Und daran können Führungskräfte und Mitarbeiter mit einfachen und 
kostengünstigen Aktionen gemeinsam arbeiten – auch in Zeiten mit schwierigen Randbedingungen. Die Baudirektion des Kantons Zürich hat Anfang 2009 eine solche Aktion gestartet.

Eine nachhaltig wirkende Arbeitgeberattraktivität definiert sich vermehrt über interessante Arbeitsinhalte, die Vielfalt der Arbeit und eine gute Führungs-, Zusammenarbeits- und Betriebskultur. Die so genannte Arbeitsplatzsicherheit der öffentlichen Verwaltung kann zwar kurzfristig wieder zu einem Wettbewerbsvorteil werden. Langfristig aber ist auch hier eine Betriebskultur ausschlaggebend, die das Führungsverständnis und die Zusammenarbeit stets neu zur Diskussion stellt.

Mitmachen statt zuschauen

Die Baudirektion hat entschieden, ihren Mitarbeitenden mit einem pragmatischen Beitrag zur Betriebskultur ein Zeichen zu setzen. Der internen Zusammenarbeit und dem Zusammengehörigkeitsgefühl soll vermehrt Bedeutung geschenkt werden. Das Vorhaben ist nicht absolut neu, aber in öffentlichen Betrieben wenig verbreitet. Es wurde unter dem heutigen Baudirektor rasch und unbürokratisch eingeführt: BD@work, Jobwechsel für einen Tag oder «der berufliche Seitensprung» heisst es hier seit Anfang 2009. Was als Idee eines eintägigen Kennenlern-Schnupperkurses initiiert wurde, hat sich schrittweise zu einem die ganze Baudirektion umfassenden Anreiz für alle Hierarchiestufen und Berufsgattungen entwickelt: Alle Mitarbeitenden sind aufgefordert, sich im eigenen Betrieb aktiv umzuschauen und sich gegenseitig bei der Arbeit zu begleiten.

Mit BD@work haben Mitarbeitende in der Baudirektion von nun an Gelegenheit, sich unabhängig von ihren eigenen Tätigkeiten zu vernetzen und die Aktivitäten der Baudirektion einmal aus einer anderen Sicht kennen zu lernen. Damit alle Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, diese Vielfalt zu entdecken, wählen sie für einen Tag im Jahr auf einer speziell dafür eingerichteten Online-Plattform ein anderes Arbeitsgebiet der Baudirektion aus. Sie wählen zwischen Büroarbeiten, Arbeiten im Freien, körperlicher Arbeit etc. Die Absprache (Zeit, Ort, Tenue) erfolgt anschliessend direkt mit dem Einsatzort. Der Tag beginnt mit einer kurzen Einführung, dann erfolgt die Teilnahme entlang eines normalen Arbeitstages. Nach dem Motto «Mitmachen statt zuschauen» leisten die Teilnehmenden kleinere aktive Einsätze. Shows oder Führungen werden nicht veranstaltet. Ein Baujurist kann so beispielsweise einen Tag lang als Winzer mitarbeiten, ein Strassenwärter als Geomatiker, ein Archäologe als Architekt, eine Rechnungswesen-Verantwortliche als Melkerin, ein Förster als Controller oder ein Kommunikations-Verantwortlicher als Forstwart im Wald. Ein Mitarbeiter aus der Abteilung Finanzen und Controlling erlebte als Analytiker im Gewässerschutz den Ablauf einer Seeprobeabnahme von A bis Z.

Entgegen den Erwartungen

«Für mich war der Tag als Forstwart vor allem interessant, weil ich nicht wie erwartet mit Schwielen an den Händen und Rückenschmerzen nach Hause kam, sondern ich meinen geistigen Horizont enorm erweitern konnte. Ich habe viel über die Bewirtschaftung des Waldes erfahren und Mitarbeitende getroffen, die sich mit Begeisterung und Fachwissen für diesen einzigartigen Lebensraum einsetzen», so der Kommunikationsexperte nach seinem Tag im Wald. Und die Erfahrungen der Besucherin aus dem Tiefbauamt bei der Fachstelle Bodenschutz im Amt für Landschaftsschutz und Natur: «Ich wollte etwas ganz anderes machen als sonst in meinem Büroalltag. Ich stand in Gummistiefeln am Hang und habe Bodenproben entnommen. Wir haben gemerkt, dass wir zwar im gleichen Betrieb, aber in völlig unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Für mich als Bürogummi war die körperliche Arbeit sehr anstrengend.»

In der Baudirektion arbeiten rund 1500 Mitarbeitende an 60 verschiedenen kantonalen Standorten in sieben Ämtern und in über 200 Berufen. Hier finden wir eine grosse Vielfalt von Tätigkeiten, Ausbildungen und Berufsauffassungen unter einem Dach. So sind die Berufsbilder im Hoch- und Tiefbauamt, im Amt für Raumordnung und Vermessung, im Amt für Landschaft und Natur oder in der Denkmalpflege und Archäologie untereinander grundverschieden und haben auf den ersten Blick wenig Verbindendes. Dennoch arbeiten diese Mitarbeitenden in politischen Aufträgen und gemeinsamen Projekten, in Kommissionen und Arbeitsgruppen eng zusammen und an denselben Themen. «Betriebskultur» in der Baudirektion hat 
daher viel mit Vielfalt zu tun.

Investition in die Betriebskultur

Wenn also die Projekte verlangen, dass sich die unterschiedlichen Ansätze in der konkreten Zusammenarbeit vereinen, so setzt dies bei den Mitarbeitenden neben Fachlichem stets viel soziale Kompetenz voraus. Nur so kann es gelingen, Gegensätze  zu überwinden und gute Lösungen zu finden. Das Ziel von BD@work ist, einen kleinen Anreiz zu schaffen und so diese Zusammenarbeit  zu betonen und zu fördern. Besonders auch für die Anbieter ist der Austausch bereichernd: «Für mich als Anbieter eines Bereichs war es sehr interessant, Gespräche zu führen mit Kollegen aus ganz anderen Berufsfeldern des Betriebs. Ich war sehr positiv überrascht, wie gut die Zusammenarbeit an einem Tag funktionierte. Es wurden viele Fragen gestellt, was für uns neue Gesichtspunkte und Inputs 
ergab.»

Für die Erarbeitung des Projekts war eine kleine interne Arbeitsgruppe verantwortlich. Durch diese «Eigenproduktion» konnte das Projekt in zügigem Tempo und mit geringfügigen Kosten umgesetzt werden. Das Engagement ist unmittelbar in die Mitarbeitenden der Baudirektion investiert; die im Rahmen dieses «Seitensprungs» eingesetzte Arbeitszeit ist als Investition in die Betriebskultur durchaus sinnvoll. Bekanntlich sind es die Kosten von längeren Ausfällen, Kurzabsenzen, Demotivation, Sinnentleerung und Abnützung, die ins Gewicht fallen. Hier gibt BD@work Gegensteuer. Bei den im Projekt mitarbeitenden Personen jedenfalls löste das Projekt Begeisterung, Kreativität und die Bereitschaft zu 
etlichem Mehreinsatz aus.

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Barbara Tholen, lic. iur., ist die 
Leiterin Human Resources der Baudirektion des Kantons Zürich. Sie ist Initiantin des Projekts «Beruflicher Seitensprung». 

www.bd.zh.ch

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