HR Today Nr. 5/2021: Porträt & Video-Porträt

Die Gestalterin

Von der HR-Administration zum modernen HR: Melanie Niklaus, Head of Human Resources der Steinel Solutions AG in Einsiedeln, bringt das KMU personaltechnisch auf Kurs und verrät, wie sie in ländlicher Umgebung erfolgreich Fachkräfte rekrutiert.

Der Schweizer Steinel-Hauptsitz im Einsiedler Industriegebiet wirkt von aussen verlassen. Doch der Schein trügt. «Trotz Corona produzieren wir im Drei-Schichten-Betrieb rund um die Uhr», erzählt Melanie Niklaus, Head of Human Resources des Elektronikunternehmens. «Damit wir bei einer Covid-Erkrankung eines Teammitglieds weiterarbeiten können, haben wir die drei Schichten zeitlich so versetzt, dass sich Mitarbeitende beim Schichtwechsel nicht mehr sehen.» Niklaus selbst arbeitet seit März 2020 im Homeoffice, wie alle anderen Mitarbeitenden auch, die nicht vor Ort sein müssen. «Ungern», wie sie unumwunden zugibt. «Ich bin ein geselliger Mensch und brauche den Kontakt zu meinen Kolleginnen und Kollegen.» Der Austausch mit den Mitarbeitenden liegt ihr auch in der aktuellen Krisenzeit am Herzen. Um diese rasch und transparent zu informieren, forciert Niklaus deshalb den betriebsinternen «Telegram»-Chat sowie «Teams». Zwei Kanäle, die sich mittlerweile etabliert hätten.

Gekommen, um zu bleiben

Bei Steinel Solutions ist Melanie Niklaus seit 2016 tätig: «Es ist meine erste HR-Stelle», sagt sie. «Mit 32 Jahren bin ich relativ spät ins HR gerutscht.» Davor versuchte sich die selbstdeklarierte Generalistin nach der Handelsmittelschule als Rezeptionistin, Assistentin und Sachbearbeiterin. Als sie 2012 bei der Silhouette Schweiz GmbH in Zug als Sachbearbeiterin Personal beim Komplettanbieter für Brillengläser und Fassungen erstmals Einblick ins HR erhält, fängt Niklaus Feuer fürs HR. «Ich habe administrative Tätigkeiten wie Krankentaggeld- und Lohnabrechnungen erledigt und die Geschäftsleitung beim Rekrutieren unterstützt. Das wollte ich künftig alleinverantwortlich tun.» Deshalb bildet sich die Quereinsteigerin von 2014 bis 2015 im HR weiter und erlangt den HR-Fachausweis. Weil sie ihr neu gewonnenes Wissen bei ihrem Arbeitgeber nicht einsetzen kann, bewirbt sie sich auf alle möglichen HR-Einstiegspositionen.

 

«Nach rund 100 verschickten Bewerbungen konnte ich mich bei Steinel vorstellen und in der HR-Administration einsteigen. Und nach knapp einem Jahr habe ich 2017 die HR-Leitung übernommen.» Damit ist Niklaus für 120 Mitarbeitende der Schweizer Zweigstelle des deutschen Familienunternehmens verantwortlich, das seinen Hauptsitz in Herzebrock-Clarholz hat. Strategische und operative HR-Aufgaben erledigt sie zunächst in Personalunion. Seit kurzem entlastet sie eine Kollegin mit einem 30-Prozent-Pensum. Als Melanie Niklaus bei Steinel Solutions die HR-Leitung übernimmt, wird bald klar, dass sich die Personaladministration des KMU zum modernen HR wandeln muss. Als Mitglied der Bereichsleitung hat Niklaus viel Handlungsspielraum. Die 37-Jährige ergreift die Initiative und leitet die dringlichsten Massnahmen ein: Innert kürzester Zeit erstellt sie eine Karriere-Webseite, überarbeitet den Bewerbungsprozess und lanciert erste digitale HR-Tools. Etwa ein Rekrutierungstool. Machen ist ihr Lebenselixier: «Ich konnte alles aufbauen. Das war sehr herausfordernd, aber auch unglaublich motivierend.» Noch sind nicht alle HR-Strukturen und Prozesse bereinigt. Durch die neu geschaffene HR-Stelle bleiben ihr für ihre Projekte nun aber mehr Ressourcen.

Fachliches Know-how

Niklaus kümmert sich nicht nur um die Modernisierung des HR, auch die Rekrutierung und die Retention von Mitarbeitenden beschäftigen sie. «Mitarbeitende in einer ländlichen Gegend zu finden, ist nicht einfach. Hinzu kommt, dass wir nicht die gleichen Löhne wie Arbeitgebende in Zürich zahlen können.» Abstriche bei der Qualität der Mitarbeitenden wolle das Unternehmen jedoch nicht machen: «Wir brauchen Mitarbeitende mit fachlichem Know-how, die unsere komplexe Technik beherrschen.» Um Fachkräfte zu gewinnen und sie zu halten, müsse man ihnen jedoch etwas bieten. Doch wo ansetzen? «Indem wir unseren Mitarbeitenden Karriereperspektiven aufzeigen.» Deshalb setzt sich Niklaus zurzeit dafür ein, intern zwei Bereichsleiter-Nachfolger aufzubauen.

Mitarbeitende findet die 37-Jährige auf digitalen Jobbörsen, Social-Media-Kanälen wie LinkedIn und Xing oder durch Mitarbeiterempfehlungen. Bei besonders schwierig zu besetzende Kaderstellen nutzt sie Headhunting, um latent Suchende zu erreichen. «Viele Mitarbeitende sind mit ihrer aktuellen Anstellung zufrieden, würden einen Stellenwechsel aber erwägen. Diese nicht aktiv Stellensuchenden müssen wir abholen.» Daneben gewinnt Niklaus Fachkräfte durch die Zusammenarbeit mit der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil und der Präsenz des Unternehmens auf Fachmessen.

Nebst einer Zukunftsperspektive bietet Steinel Solutions derzeitigen und künftigen Mitarbeiten- den einen Arbeitsort, wo die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Selbstverständlichkeit ist. Jobsharing kennt das Elektronikunternehmen in diesem Zusammenhang seit 2017. «Das hat seit der Einführung so gut funktioniert, dass wir wo immer möglich neue Jobsharing-Stellen schaffen.» Von Teilzeitarbeit profitieren bei Steinel alle Mitarbeitenden – nicht nur Familienmütter und -väter. Wer Flex Work testen will, kann das bei Steinel gefahrlos tun. So können Mitarbeitende ihr Pensum beispielsweise auf 80 Prozent reduzieren und bei Nichtgefallen wieder auf 100 Prozent erhöhen. Um auf diese Errungenschaften aufmerksam zu machen, treibt Melanie Niklaus derzeit die Zertifizierung zum familienfreundlichen Unternehmen durch die «Fachstelle UND» voran.

Die Zukunft gestalten

Im Bewerbungsverfahren kommt bei Steinel Solutions eine «Du-Kultur» zum Zug. «Wir leben diese intern und sollten uns deshalb auch gegen aussen so präsentieren.» Das komme bei den Bewerbenden gut an: «Das Feedback der Kandidaten war bislang immer positiv.» Das, obschon sich das Bewerbungsgespräch manchmal als Gratwanderung erweise. Beispielsweise weil Kandidaten im Bewerbungsgespräch zu leger im Umgangston seien. Andererseits erfahre sie dadurch aber mehr über die Bewerbenden. Was sich im Gespräch von allein ergibt, sei im Motivationsschreiben noch nicht angekommen. «Es wäre wirklich schön, wenn Bewerbende den Mut hätten, in der An- rede ‹Hallo Melanie› zu schreiben. Dafür braucht es offenbar aber noch Zeit.»

Nebst der Rekrutierung beschäftigt sich Niklaus hauptsächlich mit der Digitalisierung. Um diese in der Schweizer Niederlassung voranzutreiben, arbeitet sie mit den HR-Mitarbeitenden der deutschen Standorte Herzebrock-Clarholz und Leipzig-Mölkau eng zusammen, pflegt den regen Austausch mit ihnen und nutzt die in Deutschland bereits etablierten HR-Tools. Etwa das webbasierte Zeiterfassungssystem so- wie das Lohnbuchhaltungs- und Bewerber- tool. Zu Niklaus Leidwesen sind diese digitalen Systeme jedoch noch nicht miteinander verzahnt. «Künftig soll ein Tool alles vereinen.» Ein Ziel, auf das die junge HR-Leiterin weiter hinarbeitet. Gemäss ihrem Motto: «Man kann die Zukunft nicht voraussehen, sie aber gemeinsam gestalten.»

Zur Person

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Melanie Niklaus (37) wächst mit einer älteren und einer jüngeren Schwester im Kanton Schwyz auf und absolviert von 2001 bis 2005 die Handelsmittelschule mit Berufsmatura. 2006 beginnt sie im Seehotel Waldstätterhof in Brunnen als Rezeptionistin. Durch ihr vielseitiges Interesse wusste Niklaus lange nicht, wo sie sesshaft werden möchte. So folgt 2007 eine Anstellung bei der KeySecurity AG in Pfäffikon als Sachbearbeiterin, 2009 bei Staiger, Schwald & Partner in Zürich als Assistentin, 2010 bei der Lexmark Schweiz AG in Thalwil als Sachbearbeiterin, 2011 bei der Brandplanet Marketing AG in Freienbach als Sachbearbeiterin und 2012 bis 2016 bei der Silhouette Schweiz GmbH in Zug als Sachbearbeiterin Personal.

Während ihrer letzten Tätigkeit absolviert sie von 2014 bis 2015 zudem den HR-Fachausweis. 2016 steigt sie bei Steinel Solutions AG in Einsiedeln als HR Fachfrau in die HR-Welt ein und erhält 2017 die Chance, als Head of Human Resources das HR bei Steinel neu aufzubauen, und ist heute für 120 Mitarbeitende verantwortlich.

Melanie Niklaus wohnt in Richterswil, ist im Winter auf den Skiern und im Sommer auf dem Stand-up-Paddle-Board auf dem See unterwegs und bezeichnet sich selbst als «Reisefüdli».

Ein Tag im Leben von Melanie Niklaus:

  • 6 Uhr: Aufstehen und Kaffee trinken. Danach mit dem Auto von Richterswil nach Einsiedeln fahren.
  • 7:15 Uhr: Eintreffen im Büro. Meistens blockiere ich mir die erste Stunde, um E-Mails abzuarbeiten und den Tag zu strukturieren – auch wenn meist alles anders kommt als geplant.
  • Ab 8:30 Uhr: Videocalls, Rekrutierungsgespräche, Austausch mit den Bereichsleitenden und dem Vorgesetzten.
  • 12:30 Uhr: Mittagspause. Im Homeoffice allein oder per Videocall mit einer Kollegin etwas es sen. Danach in die Natur, um den Kopf zu lüften.
  • Ab 13:30 Uhr: Diverse administrative Arbeiten.
  • 18 Uhr oder 18:30 Uhr: Ab nach Hause. Sport wie Fitness oder Joggen.
  • 19 Uhr: Abendessen. Danach zu Hause auf der Couch einen Film schauen oder in «normalen Zeiten» mit Freunden in den Ausgang oder einen Spielabend machen.
  • 22:30 Uhr: Spätestens ins Bett. Ich bin eher eine Frühzubettgeherin. Natel einstecken, Licht löschen und schlafen.

 

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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