Teil 2

Durch Leadership Assessments schwarze Schafe identifizieren

Finanzielle Verluste, Haftungsrisiken oder persönliche sowie organisationale Reputationsprobleme durch Schummeleien verursacht, sind für alle unangenehm. Allzu oft wird das eigene Risiko zu gering eingeschätzt und der Karren sprichwörtlich «an die Wand gefahren». Dabei wären Leadership Assessments ein Präventionsinstrument, um das Risiko von Fehlverhalten einzuschätzen. In Kombination mit fundiertem forensischem Know-how und unter Berücksichtigung der Gesamtsituation gelingt eine zukunftsweisende Evaluierung.

In unserem ersten Artikel «Was wir von schwarzen Schafen lernen können» kamen wir zum Schluss, dass eine zuverlässige Prognose von Fehlverhalten via Assessment oder Integritätstest leichtsinnig und sogar unverantwortlich wäre. Dabei stellten wir die Behauptung auf, dass ein genetischer Test ebenso wenig bewirken würde. Zusammenfassend waren wir uns einig, dass grundsätzlich jede Person gegen die Regeln verstossen kann.

Im ersten Artikel führen wir aus, dass die Frage der Prävention eine Frage der Ursachen von Fehlverhalten ist. Um wirksame Abwehrmechanismen zu entwickeln, die verhindern, dass Regeln gebrochen und Gesetze verletzt werden, gehört das Aneignen möglichst vieler Erkenntnisse aus vergangenen Fällen «lessons learned» inzwischen zur Best Practice zahlreicher Unternehmen. Unsere Schlussfolgerungen legen nahe, dass damit nicht nur Prävention, sondern auch Aufklärungen und Untersuchungen massgeblich erleichtert werden.

Weisse Schafe sind nicht immer schneeweiss

In der Schweiz kam Ende der 1960er Jahre verstärkt der Bedarf nach Leadership Assessment auf. Fred W. Schmid, der Schweizer Leadership Assessmentpionier, bezeichnete die Assessment-Gegner dabei als «Selektionsnihilisten». Hintergrund war ihre vehemente Verweigerung gegen eine Führungskräfteauswahl. Sie hielten Leadership Assessment für leichtsinnig, weil unmöglich und auch für unverantwortlich, weil dabei Ethik und Moral zu kurz kommen würden. Rückblickend gestand Schmid (2011) jedoch ein: «Von den Top-Managern wurde nicht erwartet, dass sie sich wie die Chorknaben benahmen. (…) Über kräftezehrende Konflikte und Intrigen auf den Teppichetagen, erfuhren wir einiges von unseren Kandidaten. (…) Vereinzelt kamen uns Andeutungen über Praktiken zu Ohren, welche unschön waren oder sich an den Grenzen der Legalität bewegten.»

Heute stehen uns viele psychodiagnostischen Evaluationsverfahren zur Verfügung, mit denen man das Risiko von Fehlverhalten einschätzen kann. Bisher haben die meisten uns bekannten Verfahren jedoch das gleiche Problem: Sie messen etwas, das nur mit erfahrungsbasierter, ganzheitlicher Kompetenz gültig und zuverlässig interpretiert werden kann. Dabei müssen die verwendeten Verfahren laufend die Testgütekriterien erfüllen – was man von einem Persönlichkeitsfragebogen eigentlich erwarten kann und muss.

Beispiele sind etwa das Inventar berufsbezogener Einstellungen und Selbsteinschätzungen (IBES), die «Dark Triad of Personality at Work» (TOP), persönlichkeitsbasierte Leistungsrisiken und Entgleisungen im zwischenmenschlichen Verhalten (Hogan Risiken, HDS), das Inventar Klinischer Persönlichkeitsakzentuierungen (IKP), das Persönlichkeits-Stil-und-Störungsinventar (PSSI) oder das Erkennen, wer Probleme machen wird (squares, cut-e) und noch eine ganze Reihe weiterer Verfahren.

Auslöser von Fehlverhalten «verstehen» lernen

Der Versuch die Personen und die Auslöser von Fehlverhalten zu verstehen, gestaltet sich gemäss unserer Erfahrung etwas weniger komplex, wenn die Testergebnisse

a. nicht stigmatisierend sind, transparent und offen besprochen werden,

b. nach der gemeinsamen Besprechung unter professioneller und erfahrener Berücksichtigung der beruflichen Situation sowie aller weiteren Assessment-Erkenntnisse in das Gesamtbild eingeordnet werden und

c. durch forensische Fachexperten mit fundierter und einschlägiger Erfahrung begleitet werden (idealerweise jene Erfahrung mit Personen, die sich nachweislich fehlerhaft verhalten haben respektive mit bereits Verurteilten).

Mit ganzheitlicher Kompetenz lassen sich – unter Einbezug aller vorhandenen Erkenntnisse – Bedingungen beschreiben, unter welchen eine Risikotendenz zu einem Problem werden kann.

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Risikoeinschätzung durch fundiertes Know-how

Testergebnisse ohne Kontext lassen kaum eine solide und valide Einschätzung von künftigem Fehlverhalten zu. Doch die Ergebnisse eigenen sich zur gemeinsamen Aufarbeitung im Gespräch unter professioneller und erfahrener Berücksichtigung der Gesamtsituation und aller weiteren Leadership Assessment Erkenntnisse. In Kombination mit fundiertem – auch forensischem – Know-how wird Transparenz geschaffen. Die persönlichen Erfahrungen der Top-Manager/innen können systematisch erfasst und situationsbezogen mit Beispielen belegt werden. Unter Einbezug aller vorhandenen Erkenntnisse lässt sich in vielen Fällen ein vertieftes Verständnis für Situation und Personen herstellen und eine zukunftsweisende Risikoeinschätzung vornehmen.

Ziel ist es, den Top-Kadern ihr Selbstmanagement verständlich und situationsbezogen darzulegen. Die Tragweite ihrer Entscheidungen und die aus Fehlverhalten resultierenden Konsequenzen werden schlüssig. Führungskräfte bemerken, dass sie immer Beispiel und manchmal – oder gar häufiger – auch Vorbild sind. Sie prägen die Unternehmenskultur und steuern den allseits bekannten «tone at and from the top». Damit wird ein essentieller Abwehrmechanismus in Gang gesetzt – das Wissen um die Möglichkeiten und Grenzen des Selbstmanagements, zur wirksamen Vorbeugung von Fehlverhalten.

Quelle:

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Alexander Schuchter ist Geschäftsführer der Schuchter Management GmbH in St. Gallen. Er unterstützt Führungskräfte und Konzerne im Umgang mit Fehlverhalten. Schuchter ist HSG- & ETH-Dozierender und ehemaliger Supervisor bei EY (Ernst & Young).

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Nicolas Olivier Gonin ist Geschäftsführer der GONIN Leadership Audit + Development AG in Zürich und Bern. Er unterstützt Führungskräfte und Konzerne in der Nachwuchsförderung. Gonin ist Vorstandsmitglied von www.swissassessment.ch.

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