Eine Sprachensammlerin wird nach ihren Wanderjahren im HR sesshaft
Mit 13 liest sie Tolstois «Krieg und Frieden», ist geschichtsbesessen und erkennt früh, dass Sprachen die Türe zum Menschen sind. Kein Wunder, zieht es Ursula Meier-Bergundthal nach ihrer kaufmännischen Grundausbildung zunächst in die Welt hinaus. Auf ihrer beruflichen Reise durch fünf Kontinente findet sie schliesslich zu ihrer Berufung im HR.
Ursula Meier-Bergundthal: «Wann immer notwendig, ist man 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche für die Firma da. Das volle, uneingeschränkte Commitment.» (Foto: Sabine Schritt)
Durch und durch Profi, ganz Lady, ganz Banken-like in schwarzem Hosenanzug, pinkfarbener Bluse dazu. Man könnte denken, sie sei in diesem Bankenoutfit gross geworden. Falsch. Ursula Meier-Bergundthals Weg zeichnet sich vor allem durch eines aus: Vielseitigkeit. Ihr erstes Ziel war, in anderen Ländern zu leben, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Dafür braucht es Sprachen. «Früher habe ich Sprachen regelrecht gesammelt», erzählt die heutige HR-Leiterin Valiant in Bern. Es trieb sie in jungen Jahren nach Frankreich, nach Amerika, nach Kanada. «Denn wer Menschen verstehen will, muss ihre Sprache sprechen», sagt sie. Die Sprache sei die Türe zum Menschen.
Doch Sprachaufenthalte sind teuer, die Lösung lag auf der Hand: Sie wollte in diesen Ländern auch arbeiten, bewarb sich bei mehreren Reiseveranstaltern und bekam einen Job als Reiseleiterin bei Kuoni. Das sollte der Beginn einer langen Beziehung werden. Zunächst arbeitete sie ein weiteres Jahr in Spanien, dann ein Jahr in Italien. Insgesamt war sie für Kuoni fünf Jahre auf Wanderschaft. Danach hat sie Reisegruppen von der Schweiz aus begleitet. Es ging auch nach Australien und Thailand. Zum Schluss hat sie auf allen fünf Kontinenten gearbeitet. «Diese Zeit war eine der schönsten in meinem Leben», sagt sie rückblickend.
Bis zu ihrem 30. Geburtstag hat sie diesen Drang, die Welt zu entdecken, richtig ausgelebt. Dann überkamen sie Zweifel. «Alles schön und gut.» Doch der Wunsch, sich niederzulassen, wurde immer grösser. Eigentlich hatte sie ja so ein traditionelles Frauenbild im Kopf: Heiraten, Kinder. Auch waren bis dahin Freundschaften durch ihre vielen Reisen sehr oberflächlich geblieben.
HR-Leiterin und zweifache Mutter: Die Vorurteile blieben nicht aus
Das sollte sich nun ändern. Und weil die Managerin noch nie etwas wirklich dem Zufall überlassen hatte, bewarb sie sich um eine Stelle als Produktmanagerin bei Kuoni in der Schweiz und landete einen Volltreffer. In dieser Funktion war sie verantwortlich für die Produkte der Karibik und von Zentralamerika. Drei Jahre lang gehörte die Auswahl, Besichtigung und Beurteilung von Hotels zu ihrem Job, genauso wie die Ausarbeitung von Verträgen und Reisekatalogen. «Ein echter Traumjob», sagt sie. «Aber man war doch nur ein kleines Rädchen.»
Sie wollte gerne dort dabei sein, wo man eigene Ideen einbringen konnte und an den Entscheidungen beteiligt war. Das Angebot von Kuoni, die Einsatzzentrale der Reiseleiter zu managen, war, wie sich später zeigen sollte, ein erster Schritt dorthin. Sie war für über 300 Reiseleiter verantwortlich, hinzu kam die Qualitätsverantwortung der Reiseleitung vor Ort, weltweit. «Dadurch, dass ich verantwortlich war für die Rekrutierung, Führung, Ausbildung und die Einsätze der Reiseleiter, war dieser Job bereits sehr HR-lastig.» HR, erkannte sie, könnte ihre Welt werden. Sie beschloss, sich in dieser Richtung etwas aufzubauen. Berufsbegleitend absolvierte sie die Ausbildung zur Personalfachfrau und die Weiterbildung zur Leiterin Human Resources.
Ihr Ziel, eine Familie zu gründen, verlor sie auch nicht aus den Augen. So kam alles zusammen: Abschlussprüfung, Beförderung zur HR-Leiterin von Kuoni Schweiz, Hochzeit, im fünften Monat schwanger und der Umzug in ein neues Zuhause. «Das war ein ganz verrückter Monat in meinem Leben.» Fünf Jahre machte sie als Mitglied der Geschäftsleitung diesen Job, der vor allem sehr aufregend war, weil zu dieser Zeit HR noch lange nicht so professionell, so fachlich fundiert wie heute gewesen sei, meint sie. «Ich hatte unheimlich viel Freiraum, eigene Ideen einzubringen und neue Themen anzugehen.»
Zwei Jahre später kam das zweite Kind. Ihr Chef sagte zu ihr: «Für mich ist relevant, dass du deine Aufgaben im Griff hast und die Erwartungen des Managements an deinen Bereich erfüllt werden.» Sie sei bereits auf einer Stufe angelangt gewesen, wo es nicht mehr nur um pure Anwesenheit ging, sondern vielmehr um die grundsätzliche Einstellung: «Wann immer notwendig, ist man 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche für die Firma da. Das volle, uneingeschränkte Commitment.» Wenn man das hört, klingt es wenig verlockend. «So schlimm ist es aber nicht.» Nur in speziellen Situationen wie bei Reorganisationen, in Notfällen oder wenn ein wichtiges Projekt laufe, werde von einem Manager auf Geschäftsleitungsstufe erwartet, jederzeit abrufbereit zu sein, egal ob Mann oder Frau. «Die Zauberworte heissen Organisation, nochmals Organisation und Delegation.»
2001 gab es bei Kuoni eine neue Konzernleitungsstruktur und Meier-Bergundthal übernahm die weltweite HR-Leitung, wurde Mitglied der erweiterten Konzernleitung – und als Mutter zweier Kinder durchaus auch Diskussionsthema, erinnert sie sich. «Das schafft sie nie!», hätten einige geunkt. Damals war ihre Situation eher ungewöhnlich und sie sah sich auch mit Vorurteilen konfrontiert: Was ist denn das für eine Mutter? «Klar ist, mit einem Mann, für den seine Karriere im Vordergrund steht, lässt sich das kaum vereinbaren. Es muss für beide stimmen.» Sie und ihr Mann haben sich organisiert, mit Grosseltern, Haushälterin und Kinderfrau. Heute ist ihr Sohn 13, ihre Tochter 11 Jahre alt. «Und sie haben noch immer keinen eigenen Hausschlüssel», sagt sie, «ein Zeichen, dass jederzeit jemand da ist.»
Die ultimative Trennung brachte Bewegung und Weiterentwicklung
Ursula Meier-Bergundthal hat erlebt, wie sich Kuoni von einem eher schweizerischen Unternehmen in den 90er-Jahren langsam in einen internationalen Grosskonzern gewandelt hat, und konnte diesen Wandel auch aktiv mitgestalten. Das war beruflich eine sehr spannende Zeit für sie. In dieser Zeit habe sie enorm viel gelernt. Trotzdem ging dann vor drei Jahren auch die Kuoni-Zeit einmal zu Ende. «Scheiden tut weh, und wenn man lange dabei ist, braucht es sehr viel, bis man sich lösen kann», sagt sie. Unstimmigkeiten in der Leitung hätten ultimativ zur Trennung geführt. Aber manchmal braucht es gerade so etwas, damit man sich bewegt und sich weiterentwickeln kann.» Dass sie heute wieder eine spannende Aufgabe gefunden hat, verdankt sie einem Headhunter, über den sie den damaligen CEO von Valiant, Kurt Streit, heute VR-Präsident, und den heutigen CEO Michael Hobmeier von Valiant kennenlernte. «Nach 40 Minuten waren wir uns einig. Eine solch bedenkenlose und klare Entscheidung schafft Vertrauen.»
Valiant ist heute auf dem Weg vom KMU zu einem grösseren Unternehmen, und weil Meier-Bergundthal ein Faible für Aufbauarbeit hat, konnte sie sich hier wieder sehr gut einbringen. «Für mich sehr spannend war natürlich, primär eine ganz andere Branche kennenzulernen.» Das Retailbanking sei ein klassisches Detailhandelsgeschäft, das man noch relativ schnell nachvollziehen könne. Das Private und Investment Banking empfindet sie jedoch als komplexer. «Wenn es tief in die Fachbereiche hineingeht, muss ich gelegentlich noch nachfragen.»
Vor über zehn Jahren ist Valiant durch eine Fusion von drei Regionalbanken entstanden. Alle brachten ihre Eigenheiten mit. Aufbauarbeit heisst hier, Systeme aufbauen, Prozesse harmonisieren und vereinheitlichen. Führungskurse gab es zwar, aber eher von der Stange. «Diese haben wir nun speziell auf unsere Bedürfnisse abgestimmt», so die HR-Chefin.
Sie engagiert sich derzeit sehr für den Aufbau des Nachwuchsprogramms. Auch das Thema Honorierung ist momentan äusserst zentral. Auf die aktuelle Boni-Diskussion angesprochen, sagt sie: «Das Problem ist, dass das Thema nicht differenziert betrachtet wird. Die negativen Beispiele sind die Minderheit. Man wirft hier vieles in einen Topf und tut somit den meisten Bankern Unrecht.» Sicher gebe es gewisse Bereiche, in denen Kritik berechtigt sei. «Ich persönlich finde es heikel, wenn Unternehmen versuchen, sich laufend gegenseitig bei der Honorierung zu überbieten, und somit die Lohnspirale in die Höhe treiben. Das kann nicht gut gehen.»
Ein weiteres Projekt, das die HR-Leiterin derzeit täglich beschäftigt, ist die Kooperation von Valiant mit Postfinance, namentlich die Zusammenführung der beiden Kreditabteilungen in ein gemeinsames Kreditverarbeitungszentrum. Durch Volumen sollen Einsparungen möglich werden und Synergien genutzt werden. Das eine Unternehmen ist bundesnah, das andere aus der Privatwirtschaft, da ergeben sich einige interessante Fragestellungen – bis hin zur Unternehmenskultur.Was wird sich verändern, was bedeutet das für die Mitarbeiter? «Der Integrationsprozess steht uns noch bevor, aber ich denke, dass es in erster Linie eine gegenseitige Wertschätzung braucht und das Verständnis, dass ‹Andersartigkeit› immer eine Bereicherung für beide Seiten ist.»
Immer wieder werden kleinere Banken integriert, wie jüngst eine Bankengruppe mit 100 Mitarbeitern im Jura. Valiant hat zudem in den vergangenen zwei Jahren mehrere neue Filialen aufgebaut. In den letzten zwei Jahren wurden folgende Filialen eröffnet: Freiburg, Zug, Baden, Bulle, Lausanne, Basel. Ende Mai folgt Biel. Bei all dem sind auch immer wieder Meier-Bergundthal und ihr Team dabei. Gerade in solchen Phasen haben viele Mitarbeiter verstärkt den Wunsch nach einem persönlichen Gespräch. Hier versucht sie auch immer wieder selber präsent zu sein.
«Irgendwann braucht man jemanden, der an einen glaubt»
Auf die Feststellung, sie könne wohl auch sehr hart sein, lacht sie herzhaft. «Sie haben recht», sagt sie. «Wenn es die Situation erfordert, kann und muss ich auch unangenehme Entscheidungen treffen. Wobei das Wort ‹hart› wirklich etwas hart klingt. Ich würde lieber sagen: klar, gradlinig und konsequent.»
Verbergen könne sie ihre Emotionen aber nicht immer gut. Das liege wahrscheinlich daran, dass sie ein offenes Buch sei. Bei anderen Menschen findet sie eine solche Eigenschaft sehr sympathisch. Das schafft klare Verhältnisse. Doch wer allzu menschlich ist, dem traut man eine Gradlinigkeit im Business weniger zu. Ihr falle es nicht schwer, eine Entscheidung durchzuziehen, solange sie sachlich und inhaltlich überzeugt ist von dem, was sie tut. Respekt verdient sie sich auch durch ihr betriebswirtschaftliches Fachwissen, das sie in einem MBA-Studiengang an der Universität St. Gallen erworben hat. «Sie müssen als HR-Managerin die Sprache der GL-Mitglieder verstehen, sonst sind sie nicht glaubwürdig.» Das Buch über ihr Leben würde sie «Diversity» nennen. Das Faszinierende am Leben, am Menschen, am Job sei die Andersartigkeit. «Ich finde unterschiedliche Menschen sehr spannend. Auch mein Leben zeichnet sich durch sehr viele verschiedene Facetten aus.»
Ein persönliches Netzwerk hat sie in den Jahren bei Kuoni etwas vernachlässigt. Mit Familie und einem verantwortungsvollen Job bleibt da nicht viel Zeit. Heute versucht sie jedoch bewusster, sich die Zeit dafür zu nehmen. Sie hat erkannt, dass ein funktionierendes Netzwerk wichtig ist. Die Kunst sei aber, herauszufinden, was eine echte Bereicherung ist. Inspiration für ihre Arbeit holt sie sich in ihrem Team, im Austausch mit den Geschäftskollegen oder beim Lesen von Zeitungen und Büchern.
Und wie hält sie es mit der viel beschworenen Work-Life-Balance? «Entspannung ist etwas schwierig, aber ich versuche zwischendurch einen Ausgleich zu finden.» Zwei oder drei Abende übernachtet sie in Bern, dort hat sie in der Nähe ihres Büros eine Einzimmerwohnung gemietet. Mit ihrer Familie lebt sie bei Zürich. Manchmal, gibt sie zu, plage sie schon das Gewissen. «Es ist nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Und natürlich stellt man sich selbst da immer wieder die Frage, ob man wirklich allen Ansprüchen aus dem Umfeld gerecht wird. Gerade auch was die Kinder betrifft …» Die Wochenenden hat Meier-Bergundthal nur für ihre Familie reserviert. Dass dies in ihrem Job noch möglich ist, weiss sie zu schätzen.
Seit 15 Jahren spielt sie nun in Geschäftsleitungen ganz oben mit. Immer wieder fasziniert von der Frage: Was kann ich persönlich dazu beitragen, damit wir die Ziele des Unternehmens erreichen? «Ich habe nicht geplant, Karriere zu machen», sagt sie. «Ich glaube, die wenigsten Frauen tun das.» Gewisse Führungsqualitäten zeichneten sich schon in ihrer Kindheit ab. Als Teenager war sie geradezu geschichtsbesessen: Mit 13 las sie Tolstois «Krieg und Frieden». In ihrer ersten Bewerbung um eine Lehrstelle musste sie über ihr Hobby einen Aufsatz schreiben. Das war damals eben ihr Interesse an Geschichte. Für eine 15-Jährige aussergewöhnlich, weshalb sie wahrscheinlich die Konkurrenten aus dem Rennen warf und die Stelle bekam.
Zielstrebig, gewissenhaft und zuverlässig, so liess sie sich wohl damals schon beschreiben. Sie hat immer gerne gearbeitet, darüber oft die Zeit vergessen. Überstunden im Sinne des Wortes waren eigentlich nie ein Thema. «Ich hatte das Glück, immer tolle Jobs zu haben.» Aber sie habe auch nie stillsitzen können, wollte immer etwas anderes, Neues ausprobieren, hatte Spass daran, intellektuell weiterzukommen. Wenn man all dies kombiniert, was kann anderes dabei herauskommen als Karriere?
«Irgendwann braucht man immer jemanden, der an einen glaubt. Aber es gehört auch ein bisschen Glück dazu, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Bei mir kam wohl alles zusammen.»
Ursula Meier-Bergundthal
wuchs in St. Gallen auf, wo sie zuerst eine kaufmännische Lehre absolvierte. Nach mehreren Auslandsaufenthalten startete sie 1985 ihren beruflichen Werdegang bei Kuoni, der sie durch verschiedene Bereiche führte: fünf Jahre Reiseleiterin, drei Jahre Produkt-Managerin, drei Jahre Leiterin Destination Management, fünf Jahre HR-Leiterin Kuoni Schweiz, Mitglied der Geschäftsleitung, fünf Jahre HR-Leiterin Kuoni-Konzern, Mitglied der erweiterten Konzernleitung. 2007 erfolgte der Branchenwechsel zur Valiant Holding, wiederum als Leiterin HR-Management und Mitglied der erweiterten Konzernleitung. Nebenberuflich absolvierte sie folgende Weiterbildungen: Personal-Assistentin IMAKA (heute Personalfachfrau), Leiterin Human Resources (heute MAS am IAP in Zürich), Executive MBA an der Universität in St. Gallen, Organisationsentwicklung (Doppler, München). Ursula Meier-Bergundthal ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt mit ihrer Familie in Uetikon am See.