Betriebliches Gesundheitsmanagement

Entschleunigung, von oben verordnet

Burnout wird meist irrtümlich nur als ein individuelles Problem der erkrankten Person betrachtet. Es kann aber auch Anzeichen eines erschöpften Unternehmens sein.

Um der Vielschichtigkeit der schleichenden Entwicklung eines ansteckenden Burnout-Prozesses gerecht zu werden, bedarf es einer ganzheitlichen systemischen Betrachtungsweise auf allen Ebenen (Individuum, Team und Organisation) mit gesundheitsfördernden Massnahmen zur Prävention und Intervention. Genaue  Analysen der Ursachen von Burnout bei mehreren Angestellten ergaben, dass der Burnout-Prozess auf mehrere, meist nicht thematisierte Faktoren zurückzuführen ist:

  • 
fehlende oder nicht adäquate Anerkennung und Wertschätzung (die eigene 
Leistung wird von anderen nicht wahr-genommen oder gering geschätzt);
  • 
fehlende Informationen und/oder nicht umsetzbare Vorgaben zur erfolgreichen Ausübung von Arbeiten;
  • 
perfektionistische Anforderungen (Fehler dürfen keine gemacht werden);
  • 
Vorherrschen von Ängsten und Misstrauen (Schwächen und Unsicherheiten dürfen nicht gezeigt werden).

Bei schwach ausgeprägtem oder fehlendem Konfliktmanagement kann dies zu einer Zunahme der psychosozialen Stressfaktoren bis hin zu Mobbing führen. Gemäss der Schweizer Stress-Studie 2010, welche im Auftrag vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) durchgeführt worden ist, fühlen sich rund 34 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz «häufig» oder «sehr häufig» gestresst, was eine Zunahme von 7 Prozent im Vergleich zu den Ergebnissen der Schweizer Stress-Studie 2000 bedeutet.

Das Erleben von Stress hängt vor allem mit Zeitdruck, unklaren Anweisungen, sozialer Diskriminierung und dem Erledigen von Arbeitsaufgaben in der Freizeit zusammen. Lange Arbeitstage und emotionale Anforderungen sind weitere wichtige Belastungsfaktoren. Ein gutes Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten wirkt sich dagegen positiv auf die Arbeitszufriedenheit und das Stressempfinden aus, wie das folgende Beispiel zeigt.

Innerhalb von vier Tagen wird ein wirksamer Stressabbau aufgegleist

Die Geschäftsleitung einer Bau- und Immobilienfirma mit 105 Angestellten führte Anfang dieses Jahres eine viertägige Strategie-Tagung zum Thema «Entschleunigung: Gesundheitsförderung mit Stressabbau am Arbeitsplatz» durch. Teilnehmer 
waren obere Kaderpersonen und Sachbearbeiter/-innen, unterstützt wurden sie durch einen Unternehmens- sowie einen Stressberater. Zielsetzung war die Förderung persönlicher und betrieblicher Ressourcen, da aufgrund längerer Absenzen einer erkrankten Kaderperson sowie mehrerer Angestellter (unter anderem Burnout, Depressionen) teilweise die Arbeiten nicht mehr termingerecht durchgeführt werden konnten und die Kundenzufriedenheit sank.

Die Analyse der Stressoren mit Hilfe des Tools www.stressnostress.ch* ergab, dass die Mehrheit der Teilnehmenden unter der erdrückenden Arbeitsmenge, den häufigen Arbeitsunterbrechungen sowie fehlender Zeit für Organisation und Planung der Arbeitsabläufe litt, was bei einigen zu körperlichen und/oder psychischen Symptomen sowie vermehrt zu Fehlhandlungen geführt hatte.

Neue Stellen, Umbesetzungen und regelmässige Kontrollgespräche

Durch klärende Aussprachen und gemeinsame Reflexion der Ergebnisse durch die Teilnehmenden – in Kleingruppen sowie im Plenum – wurden folgende «entschleunigende», gesundheitsfördernde Massnahmen beschlossen und werden nach und nach umgesetzt: Überarbeitung des Organigramms mit teilweisen Neu-/Umbesetzungen von Kaderpersonen entsprechend deren Stärken; Stressabbau durch Einführung regelmässiger Kontrollgespräche bezüglich realisierbarer Arbeits-/Terminplanung mit Zielvereinbarungen sowie zur Überprüfung der Arbeitsfortschritte und Optimierung der Arbeitsabläufe und Arbeitsmittel in den Abteilungen; Schaffung neuer Stellen zur Entlastung; mehr Einbezug der Mitarbeitenden in Analyse, Planung und Realisierung; Einführung von Führungs-/Teamcoaching; Durchführung einer weiteren Kadertagung als Retraite im kommenden Herbst.

Die Website www.stressnostress.ch  bietet Führungspersonen und Angestellten Informationen für die Prävention und den Abbau von Stress am Arbeitsplatz. Mit Hilfe des Stressnostress-Gruppentests besteht die Möglichkeit, das Stressniveau in einer Firma oder innerhalb einer Abteilung zu erfassen. Er gibt wertvolle Hinweise auf die 
Stressursachen und erlaubt es somit Unternehmen, gezielte Präventions- oder Stressabbaumassnahmen einzuleiten. Diese Website wird vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz sowie der Suva getragen.
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Klaus Schiller Stutz

Klaus Schiller-Stutz 
ist Fachpsychologe/Psychotherapeut FSP, Coach für Stressabbau und BGF in Unternehmen sowie Berater für konstruktive Interventionen in Mobbingsituationen. www.schiller-stutz.ch

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