Kann man mit Ethik Geld verdienen?
Dieser Meinung bin ich absolut. Man kann sicher nicht die Spitzensaläre erreichen, die sich die Banker ausgezahlt haben. Aber diese haben den Kunden ja auch hochmargige Produkte verkauft und ethische Grenzen überschritten. In den Portfolios unserer Kunden befinden sich nur nachhaltige Aktien, Obligationen und Aktienfonds mit Margen von durchschnittlich 1 Prozent und nicht 3 bis 5 Prozent, wie bei gewissen strukturierten Produkten.
Haben Ihre Kunden im Zuge der Finanzkrise viel Geld verloren?
Letztes Jahr haben auch unsere Kunden gemäss ihrem Risikoprofil Geld verloren. Im Mai 2007 sind wir aus den Investmentbanken ausgestiegen, weil diese unsere Nachhaltigkeitskriterien nicht mehr erfüllt haben. Das hat der Performance geholfen und in den vergangenen Monaten haben wir mit den meisten unserer Anlagen wieder Geld verdient. Wir investieren nur in Firmen, die etwas produzieren, das die nachhaltige Lebensqualität steigert und auf der Welt gebraucht wird und somit eine natürliche Nachfrage hat.
Haben Sie ein Beispiel für ein Unternehmen, das nach ethischen Grundsätzen handelt?
Das dänische Unternehmen Vestas – ein Hersteller von Windenergie. Die Firma verfolgt einen integrierten Ansatz von Nachhaltigkeit: Es gibt also nicht nur ein nachhaltiges Produkt, also die Windenergie. Im Verwaltungsrat sind vier Mitarbeiter vertreten, die dadurch in alle strategischen Entscheidungen eingebunden sind.
Gibt es etwas, in das sie nie investieren würden?
Natürlich Waffen oder genmanipulierte Lebensmittel. Aber wir haben nicht einfach nur ein paar Ausschlusskriterien aneinandergereiht. So ist Nachhaltigkeit früher betrieben worden, aber heute ist die Welt zu komplex, als das man so einfach vorgehen könnte. Deshalb haben wir unsere Nachhaltigkeitskriterien entwickelt, die wir bei einer Beurteilung von Firmen zusätzlich zu einer konventionellen Finanzanalyse anwenden.
Wie könnten Börsen ethischer arbeiten?
Börsen könnten als Superkatalysator fungieren, indem sie im Kotierungsreglement einführen, das die Firmen verpflichtet sind, gewisse Nachhaltigkeitskriterien zu erfüllen.
Ich glaube, wenn die Börsen weltweit diese Verantwortung wahrnehmen würden, könnte nachhaltiges Investment einen riesigen Sprung nach vorn machen. Im Moment gibt es weltweit rund 8 Prozent nachhaltige Anlagen. Mein persönliches Ziel ist es, noch zu leben, wenn 25 Prozent nachhaltig angelegt werden. Und die Börsen könnten diesen Prozess beschleunigen. An den Börsen von Johannesburg oder São Paolo gibt es auch schon Ansätze in dieser Richtung und auch der NYSE/Euronext überlegt sich zurzeit, welche Schritte unternommen werden können, um Nachhaltigkeit zu fördern.
Wie steht es um die ethische Kompetenz in den Unternehmen?
Ethische Grundsätze werden einem im Elternhaus oder in der Unternehmung vorgelebt oder eben nicht. Am effektivsten ist durch Eltern und Führungskräfte vorgelebte Ethik. Falls diese Kompetenz nicht durch das Elternhaus mitgegeben wurde, sollte sie während der Ausbildungszeit geschult werden. Leider ist es so, dass Hochschulen im Betriebswirtschaftsstudium Ethik oft nur als ein Nebenfach anbieten, für das sich dann vielleicht eine kleine Gruppe von Studierenden interessiert. Nur wenige Hochschulen integrieren Ethik direkt in das Wirtschaftsstudium. Dabei ist es ja gerade das Spannende, Firmen auch in Bezug auf die ethischen Komponenten ihres Handels zu bewerten und sich zu überlegen, wie Ethik messbar gemacht werden kann. Die Wissensgebiete zusammenzubringen, anstatt sie nebeneinander laufen zu lassen, ist eine wichtige Aufgabe. Denn wohin uns das eindimensionale Denken führt, haben wir gesehen. Damit fahren wir an die Wand.
1 Das Millennium Ecosystem Assessment (MA) ist die bislang umfassendste Studie zum Zustand und zu den Entwicklungstrends der Ökosysteme der Erde. Das MA wurde im Jahre 2001 von den Vereinten Nationen in Auftrag gegeben und von über 1300 Wissenschaftlern aus 95 Ländern innerhalb von vier Jahren erarbeitet.
Antoinette Hunziker-Ebneter
ist CEO und Gründungsmitglied der Forma Futura Invest AG. Zuvor war sie bei der Bank Julius Bär & Co als Mitglied der Konzernleitung für den Handel und Verkauf verantwortlich. Davor war sie Vorsitzende der Schweizer Börse und CEO von virt-x, der ersten paneuropäischen Börse mit Sitz in London. Antoinette Hunziker-Ebneter ist Vizepräsidentin des VR der BKW FMB Energie AG und Mitglied des VR der Gebäudeversicherung Bern. Sie hat ein Lizenziat in Wirtschaftswissenschaften. 2008 wurde sie mit dem Women’s Finance Award ausgezeichnet.