Im Gespräch

Faire Behandlung von Temporären ist entscheidend für den Ruf der Branche

Am Tag der privaten Arbeitsvermittlung im Berner Kursaal Mitte April wurde bei einer Podiumsdiskussion über die Frage diskutiert, was den Personalvermittlern und -beratern in der Wirtschaft und bei den Gewerkschaften einen derart schlechten Ruf einbringt. Hier ein ungewöhnlich und erfrischend engagierter Appell aus der Branche an die Branche.

Als selbständige Personal- und Unternehmensberaterin ist es Teil meines Berufs, dann und wann die eigene Branche kritisch zu beobachten und zu beurteilen – eine stark umstrittene Branche, welche unlängst von Gewerkschaftsseite so liebevoll als «Landplage» bezeichnet wurde. Absichtlich habe ich bei der Namensgebung für meine eigene junge Firma («mein job – Personalberatung») darauf geachtet, im Zusatz den Begriff «Personalberatung» zu verwenden und nicht «Temporär-und Dauerstellen», wie es die meisten in unserer Branche tun. «Temporär- und Dauerstellen» scheint mir einerseits zu abgegriffen, und andererseits würde ich mich schämen, diese Ausdrücke zu verwenden. Oft werden wir als Menschen- und Sklavenhändler tituliert und dagegen wehre ich mich. Ich setzte mich für eine Rehabilitation unserer Branche ein, aber das nur für jene meiner Berufskolleginnen und -kollegen, welche mit der gleichen Ethik, Moral und Freude am und im Umgang mit Menschen arbeiten und handeln.

Wir arbeiten mit dem höchsten Gut – mit Menschen. Diese Menschen und zukünftigen Mitarbeitenden sollen fair und optimal betreut und beraten werden, auch wenn sie bei uns nur auf Zeit, manches Mal kurze Zeit, manches Mal jedoch über Jahre hinweg, zum Mitarbeiterstamm zählen. Dafür verbürgen wir uns mit diesem Namen: Personal und Beratung! Das soll ernst genommen werden.

Im Dschungel der Vielzahl von Personaldienstleistern/Personalberatern im Zeitarbeitsbereich gilt es heute mehr denn je, dass auch die Mitarbeitenden selber die Spreu vom Weizen trennen, um eben seriös beraten und vermittelt zu werden. Oft werden die Stellensuchenden über das RAV zugewiesen. Schon dort sollten schwarze Listen darüber geführt werden, wer anständig vermittelt und wer es lieber lassen sollte. Viele gelangen auch durch Freunde, Bekannte oder Inserate an Stellenvermittler. Oft sind die Stellensuchenden in Notsituationen; diese dürfen keinesfalls ausgenutzt werden. Wir sind teilweise Hoffnungsträger, Chancengeber, Brückenbauer «zurück in ein besseres Leben». Denn Arbeit ist ein elementares Grundbedürfnis. Keine Arbeit zu haben, kann krank und unzufrieden machen, nicht richtig vermittelt zu werden aber ebenso.

Daher hat der uns aufsuchende Mitarbeitende ein Recht darauf, kompetent beraten sowie in seinen Bedürfnissen, Wünschen und Ängsten auch ernst genommen zu werden. Nur so werden echte und ehrliche Win-win-Situationen geschaffen, welche ich als Dreiecksbeziehung Kunde/Mitarbeitender, Kunde/Einsatzbetrieb und Anbieter/Verleihbetrieb bezeichne. Mein Mitarbeitender auf Zeit ist für mich genauso ein Kunde wie der Einsatzbetrieb. Dieser Mitarbeitende ist und bleibt mein grösstes Kapital. Und ist es nicht eine edle Aufgabe, den Menschen Jobs – passende Jobs – zu vermitteln und dadurch unsere Mitarbeitenden zufrieden und glücklich zu sehen? Also sollten wir uns unseren Mitarbeitenden gegenüber auch so verhalten.

Auch nach der erfolgreichen 
Vermittlung geht die Arbeit weiter

Wer als Personalberaterin und -berater denkt, der Job sei mit der Vermittlung, dem «Setzen» des Arbeitssuchenden, wie es in unserer Branche auch genannt wird, abgeschlossen, hat aus meiner Sicht seinen Job nicht begriffen, seine Arbeit schlecht oder nur teilweise erledigt. Denn jetzt fängt unser Job erst richtig an: Die gute Betreuung während des Einsatzes, gelegentliche Treffen, Telefonate – das sind nur einige der Dinge, die unbedingt dazu gehören.

Wir sind mitverantwortlich für das Wohlfühlen des Mitarbeitenden während des Einsatzes, also während der Zeit, in der er für uns arbeitet. Es betrifft dies die Arbeit genauso wie seine eigene Persönlichkeit sowie seine vielleicht privaten Themen, die er uns im Vertrauen mitteilt. Unabhängig von Geschlecht, Berufsstand, Bildungsniveau, Status, Nationalität – es gilt gleiche Behandlung für alle Stellensuchenden. Der weitere berufliche Werdegang und die Ziele des Mitarbeitenden sollten uns interessieren. Wie entwickelt er sich im Einsatzbetrieb? Besteht eine Chance auf eine Festanstellung, wenn er es wünscht? Seine Bedürfnisse gilt es in jedem Fall zu berücksichtigen, denn nur durch eine gute Betreuung entsteht Vertrauen und wird Nachhaltiges gesät. Wer Personalberaterin und -berater sein will, sollte über gute Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit, Flexibilität, offene Ohren, viel Nerven, hohe Sozialkompetenz sowie Erfahrung in Psychologie verfügen.

Der Titel «Personalberater» 
sollte geschützt werden

Die Berufsbezeichnung sollte man sich verdienen und mit Ehre tragen. Denn dieser Beruf hat viel mit Lebens- und Berufserfahrung zu tun. Ich bin sogar der Meinung, dass der Titel Personalberater/In geschützt werden sollte. Ich bin glücklich darüber, das swissstaffing ein modulares Schulungs- und Kursangebot anbietet. Ich meine, es sollte Pflicht werden, dass alle angeschlossenen Mitglieder des Verbandes ihre angehenden Personalberaterinnen und -berater daran teilhaben lassen, sofern nötig. All jene Berufskolleginnen und -kollegen, welche auf ihre Visitenkarten grossartig Personalberaterin oder -berater aufdrucken, die Stellensuchenden aber behandeln, als ob sie ein Handelsgut und ihr Eigentum wären, welche die gängigsten Bezeichnungen in unserer Branche aber nicht kennen, sich an keine Regeln und GAV halten, Datenschutz missachten, Drohungen aussprechen und noch vieles mehr unterlassen, aber dennoch meinen, sie würden einen ehrenvollen Job machen, kann ich nicht ernst nehmen. Solches Verhalten sollte vermehrt sanktioniert werden, bis hin zur Betriebsschliessung. Es gilt, einen Ehrenkodex einzuhalten.

Die Seriosität unserer Arbeitsweise macht unseren Ruf aus

So appelliere ich an meine geschätzten Berufskolleginnen und -kollegen, unseren Beruf, der jetzt und in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, anständig und mit grossem Verantwortungsbewusstsein unseren Mitarbeitenden gegenüber auszuüben. Temporärarbeitsunternehmen und Personalberatungen spielen eine immer wichtigere Rolle auf dem komplexen Arbeitsmarkt, und die Seriosität unserer Arbeitsweise, welche unseren Ruf ausmacht, ebenso. Denn (m)ein zufriedener Mitarbeitender ist (m)ein noch wertvollerer Mitarbeitender und somit (m)eine echte und sehr kostbare Perle in der Dreiecksbeziehung!

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Susanne Kuntner ist Geschäftsführerin/Inhaberin der Personalberatung mein job Gmbh und der Unternehmensberatung sk consulting. www.meinjob.ch, www.sk-consultants.ch

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