Heft Nr. 12/2015: Fokus Forschung

Frauen über dem Glasdach

Die Forschung zeigt: Trotz klarer Zeichen dafür, dass Frauen in Führungspositionen einen positiven Einfluss auf die Innovationskraft, die Profitabilität und die Übernahme sozialer Verantwortung von Unternehmen haben, bleiben Frauen in der Unternehmensführung stark unterrepräsentiert.

Zahlreiche Forschungsarbeiten zeigen, dass soziale Barrieren, wie beispielsweise Geschlechterstereotypen, fehlende Netzwerke, Altherrenclubs und Vetternwirtschaft, Hindernisse für Frauen auf dem Weg in die Chefetage darstellen. Nur sechs Prozent der CEOs in Schweizer Unternehmen sind Frauen (Schilling Report, 2015) – aber welche Erfahrungen haben diese Frauen gemacht und unter welchen Bedingungen haben sie diese Top-Positionen erreicht?

Glass und Cook untersuchten diese Fragen und analysierten die Biografien und Werdegänge aller Frauen, die heute oder in der Vergangenheit CEO eines Fortune-500-Unternehmens waren (N = 52). Zudem führten sie strukturierte Interviews mit weiblichen CEOs durch (N = 12). Die Autoren fanden deutliche Hinweise auf sogenannte «Glass Cliff»-Positionen. Das heisst, dass Frauen für besonders risikobehaftete Führungspositionen angestellt werden (beispielsweise wenn die Unternehmen ums Überleben kämpfen oder sich unmittelbar nach der Anstellung in einer vorhersehbaren Krise befinden). Interviews bestätigen diesen Befund und weisen damit auf potenzielle, langfristige Karriererisiken hin, die durch solch riskante Anstellungsverhältnisse verursacht werden.

Weibliche CEOs berichten zudem von Herausforderungen in der ersten Zeit ihrer neuen Anstellung. Insbesondere stellen sie einen Mangel an Unterstützung fest, ihre Autorität wird vom Vorstand sowie von beruflichen oder privaten Netzwerken in Frage gestellt oder sie erfahren eine Hyper-Aufmerksamkeit bezüglich ihres Handelns oder gar Aussehens. Aber viel wichtiger ist: Diese Ernennungen waren nicht ausschliesslich auf Präferenzen der Entscheidungsträger oder geschlechtsspezifische Vorurteile zurückzuführen. Die weiblichen CEOs sind der Ansicht, dass diese auch eine Chance für die erhöhte Sichtbarkeit der «richtigen» Gründe für eine Anstellung von Frauen in Führungspositionen sind.

Obwohl Frauen sich aus freiem Willen und bewusst für diese risikobehafteten Positionen entschieden haben und zweifellos gestärkt aus den anspruchsvollen Aufgaben hervorgingen, haben Frauen in «Glass Cliff»-Positionen durchschnittlich eine kürzere Amtszeit als männliche CEOs in vergleichbaren Positionen. So haben sich die Frauen auch öfters im Anschluss an ein solches Anstellungsverhältnis pensionieren lassen.

Für die Praxis ist es daher wichtig, sich des Mangels an Standardisierung und formaler Prozesse bewusst zu sein, die geschlechtsspezifische Vorurteile und Stereotypen zulassen und Frauen in besonders risikobehaftete Führungspositionen führen. Diese Frauen werden wahrscheinlich besonders prüfend und mit mehr Skepsis betrachtet und weniger stark eingegliedert, wodurch das Risiko für eine frühe Kündigung steigt und das Unternehmen wertvolle Führungsqualitäten sowie damit verbundene Chancen und Vorteile verliert.

Zusammenfassend sollten Frauen daher weniger als «Frauen», sondern als Führungskräfte sichtbar sein – insbesondere die weiblichen Top-Führungskräfte, die sich entgegen allen Widrigkeiten durchgesetzt haben.

Quellen:

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Jamie Lee Gloor, ­wissenschaftliche ­Assistentin und Doktorandin am Lehrstuhl Human Re­source Management, ­Universität Zürich.

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