Geschlechtergleichheit in Führungspositionen
Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Für viele Unternehmen ist es die Gelegenheit, den aktuellen Stand zu Themen wie dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu überprüfen. Doch nicht nur bei der Bezahlung, sondern auch bei der Verteilung der Führungspositionen besteht reichlich Handlungsbedarf, zeigen aktuelle Wirtschaftsanalysen. Eine Bestandsaufnahme und ein gelungenes Beispiel.
Viele Unternehmen sind zwar bemüht, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, trotzdem gibt es noch viel Luft nach oben. (Bild: iStock)
Laut Schilling-Report stieg in der Schweiz der Frauenanteil in Führungspositionen zwar leicht, lag aber 2019 immer noch bei nur 9 Prozent. Obschon das Parlament vergangenen Juni beschloss, dass sich börsenkotierte Firmen rechtfertigen müssen, wenn sie weniger als 20-30 Prozent Frauen auf den obersten Chefetagen haben. Insgesamt liegt die Schweiz laut «Global Gender Gap Index» des Weltwirtschaftsforums auf Platz 18.
Ähnlich sieht es in Deutschland aus. Ende Januar veröffentlichte das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DWI) sein aktuelles «Managerinnen-Barometer». Dabei wird ermittelt, wie viele Frauen in mehr als 500 deutschen Unternehmen in den Vorständen und Aufsichtsräten arbeiten. 2019 knackten die 200 umsatzstärksten Unternehmen immerhin erstmals die Zehn-Prozent-Marke: 94 von 907 Vorstandsposten hatten Frauen inne, das entspricht einem Anteil von 10,4 Prozent. Von Geschlechtergleichheit kann bei diesen Zahlen jedoch keine Rede sein.
Unternehmen sollten jedoch nicht nur vor dem Hintergrund gesetzlicher Vorgaben reagieren, sondern proaktiv die Initiative ergreifen, um qualifizierte Frauen für Führungspositionen zu gewinnen. Nicht nur in Bezug auf den Fachkräftemangel ignorieren viele Firmen das Potenzial weiblicher Führungskräfte. Laut einer aktuellen Umfrage von Marketagent.com Schweiz sind dreimal so viele Befragte der Ansicht, Frauen seien als Topmanagerinnen vertrauenswürdiger als Männer.
Gezielte Förderung
Wie viele in der Technologiebranche ist auch das weltweit tätige französische IT-Beratungsunternehmen Atos mit einem Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern konfrontiert, insbesondere auf der Führungsebene. «Wir liegen mit rund 31 Prozent [Frauenanteil] zwar im Einklang mit der Branchennorm, wollen den Anteil aber aktiv steigern», erklärt Denise Reed Lamoreaux, Global Chief Diversity Officer bei Atos. Deshalb gab das leitende Management der Personalabteilung ein klares Ziel vor: die Erhöhung des Frauenanteils auf allen Führungsebenen. Das Unternehmen verfügte bereits über eine Reihe von Führungsinitiativen, wollte aber zusätzlich gezielt eine «Pipeline» an geeigneten weiblichen Kandidaten für Führungspositionen aufbauen.
Im Rahmen der Initiative «Women Who Succeed» von Atos, werden Manager*innen dazu angeregt, passende Kandidatinnen zu nominieren. Diese können dann ein Jahr lang von einem Angebot an Führungsausbildung, Peer-Mentoring und Netzwerkbildung profitieren.
Das IT-Beratungsunternehmen arbeitet mit dem Corporate Learning Spezialisten Skillsoft zusammen. Dieser stellt die Inhalte für das Förderprogramm zur Verfügung. Das Programm ist nach dem Erfahrungsniveau der Teilnehmerinnen in drei Gruppen unterteilt: aufstrebende Führungskräfte, mittlere und leitende Angestellte. Der erste Jahrgang mit 186 Teilnehmerinnen startete im Januar 2019 und dauerte ein Jahr.
Fähigkeiten aufbauen
«Die Idee war es, bei den Frauen Fähigkeiten aufzubauen, die ihrer Meinung nach poliert und verfeinert werden mussten», erläutert Denise Reed Lamoreaux. Jeden Monat erhielten die Teilnehmerinnen Videos, Buchzusammenfassungen, Online-Schulungen und Reflexionsübungen, die sich auf bestimmte Kompetenzen konzentrierten. Zu den Schulungsschwerpunkten gehörten unter anderem Themen wie Verhandlungsgeschick und Risikobereitschaft.
Es ging jedoch um mehr als nur das individuelle Lernen. «Wir sind sehr beratungsorientiert. Daher war das Programm auch eine Gelegenheit für die Teilnehmerinnen, Beziehungen zueinander aufzubauen, anstatt in Silos zu arbeiten. Peer-Coaching zwischen Teilnehmerinnen sowie punktuelles Mentoring durch eine höherrangige Führungskraft trugen zum Erfolg bei», so Lamoreaux.
Messbare Erfolge
Ziel des Programms war, dass 70 Prozent der vorgeschlagenen Kandidatinnen das Angebot erfolgreich abschliessen. In eben abgeschlossenen ersten Jahrgang wurde dieses Ziel mit einer Quote von 74 Prozent erreicht. Mehrere Frauen wurden bereits für neue Positionen nominiert und die ersten Kandidatinnen entsprechend befördert. Ausserdem freuten sich die Kandidatinnen über positives Feedback von ihren Vorgesetzten, was ihre Arbeitsmotivation sowie das Engagement für ihr Unternehmen befeuert.
Die stärkere Vernetzung zeigt laut Atos bereits Einflüsse auf die Unternehmenskultur. Frauen in mittleren Führungspositionen haben nun Sponsoren auf höchster Ebene. Ausserdem hat die Initiative Frauen aus allen Unternehmensbereichen und Altersgruppen zusammengebracht und ihnen gezeigt, dass sie selbst Einfluss auf die Betriebskultur und die Besetzung von Schlüsselpositionen haben.
Das Feedback und die Auswertung des Programms zeigen laut Atos, dass der Zeitplan sogar auf sechs Monate komprimiert werden könnte. Zusätzlich zu den für die «Women Who Succeed»-Kampagne verwendeten Schulungsmaterialien, möchte das Unternehmen mithilfe weiterer Führungs- und Technikkurse die Fähigkeiten aller Mitarbeiter*innen für wichtige Anforderungen und Qualifizierungen ausbauen.