«GetDiversity» unterstützt Frauen auf ihrem Weg in den Verwaltungsrat
Motiviert durch ihre eigenen Engagements in Verwaltungsräten haben Barbara Rigassi und Michèle Etienne im November 2007 das erste Schweizer Netzwerk für Verwaltungsrätinnen gegründet. Die männlich besetzten Unternehmensspitzen hätten immer noch nicht den Mut, alternative Suchprozesse zu überwinden, sagen die Gründerinnen. Somit fehlten neue Gesichter – vor allem die von Frauen – in den Schweizer VR.
Ziel des Netzwerks ist vornehmlich die Vernetzung zukünftiger Verwaltungsrätinnen. Unter anderem werden ihnen massgeschneiderte Weiterbildungen in Bezug auf Verwaltungsratsfunktionen geboten. Die Entwicklung von Verwaltungsratsgremien hin zu Teams, in welchen auch mehr Frauen vertreten sind, ist kein kurzfristiger Prozess. Es hat viel mit dem Einbezug einer neuen jungen Generation zu tun. Deshalb legt das Netzwerk Wert darauf, qualifizierte Frauen frühzeitig einzubeziehen, auch wenn eine VR-Funktion nicht aktuell ansteht. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Empfehlung von Frauen durch Frauen in Gremien – analog der gängigen Praxis bei Männern.
«Frauen brauchen Netzwerke – genauso wie Männer», erklärt GetDiversity-Geschäftsführerin Barbara Rigassi. «Unser Netzwerk ist eine Alternative für viele Frauen, welche entweder den Zugang zu den traditionellen Netzwerken nicht haben oder sich erst ‹fit› machen wollen, um dann diesen Zugang zu suchen und zu erhalten. Unsere Analyse zeigt, dass es ein Bedürfnis ist, sich mit Personen in der gleichen Situation zusammenzutun und Zugang zu Erfahrung und Wissen zu organisieren», so Rigassi. In den ersten drei Monaten ihrer operativen Tätigkeit habe das Netzwerk rund 40 Mitglieder und drei konkrete Firmenanfragen positiv behandeln können.
Frauen ermöglichen fundiertere Entscheidungen
Auf die Frage, warum sich gerade Frauen im VR besonders gut profilieren können, argumentiert Rigassi mit Fakten aus dem Marketing. Gemäss diverser Studien fällen Frauen rund drei Viertel aller Kaufentscheide. Zudem sei es erwiesen, dass die alternde Gesellschaft in Europa den Einbezug von Frauen in den Arbeitsmarkt, also in alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, eine Notwendigkeit werde. Frauen brächten oft zusätzliche Aspekte in die Entscheidungsfindung ein, die sonst verborgen blieben. Auf der gleichen Basis könnten sie die Diskussionsdynamik eines sonst uniformen Gremiums erhöhen und somit dazu beitragen, dass Entscheide fundierter gefällt werden. Zudem trügen Frauen eine gesellschaftliche Verantwortung und könnten diese nicht einfach an ihre männlichen Kollegen delegieren. Ein weiteres starkes Argument für die weibliche Besetzung einer VR-Position sei laut Rigassi, dass sich Frauen heute noch ausserhalb traditioneller Netzwerke bewegten und damit tendenziell unabhängiger seien. Mit diesem spezifischen Argument könnte sich das Netzwerk jedoch eines Tages ein hausgemachtes Paradox kreieren.
Schon in den Geschäftsleitungen ist der Frauenanteil relativ klein
Vielfach wird von einem neuen VR erwartet, dass er oder sie zuvor mehrfach Mitglied einer GL gewesen sein solle, um als VR kompetent agieren zu können. Dies ist ein echtes Huhn-Ei-Problem, denn der Frauenanteil in den GLen ist in der Schweiz mit zehn Prozent relativ klein, auch wenn der Trend aufwärts zeigt. Damit liege die Schweiz nur ein Prozent unter dem europäischen Durchschnitt, sagt Rigassi. Ausschlaggebend sei grundsätzlich eine perfekte Übereinstimmung mit dem spezifischen Anforderungsprofil und dem geforderten Mix von Kompetenzen. Was genau tut GetDiversity nun, um die Anzahl Frauen im VR tatsächlich zu erhöhen – unabhängig von der Tatsache, dass auch die Zahl Frauen in den GLen steigen sollte? Auf jeden Fall wird die Visibilität von Top-Managerinnen erhöht. Zudem werden ihre Rolle und Aufgabe als Verwaltungsrätinnen weiterentwickelt und durch die Kommunikation mit den Unternehmen entstehen direkte persönliche Kontakte.
Zielgruppe von GetDiversity sind kleine und mittelgrosse Unternehmen, öffentlich-rechtliche Unternehmungen beispielsweise im Gesundheitssektor sowie professionelle Stiftungen wie Pensionskassen oder auch Neugründungen und Firmen in der Nachfolgeregelung.
Wer eignet sich als Verwaltungsrätin?
Frauen, die aufgrund guter Vorbereitungsarbeit die richtigen Fragen stellen, dialog- und konfliktfähig sind, verantwortungsbewusst denken und handeln, seien für den Posten geschaffen, so die Netzwerkgründerin. «Ausserdem sollten sich Kandidatinnen bewusst sein, dass von ihnen etwas mehr verlangt wird, nämlich ihr konkreter Mehrwert im Sinne von Diversity, den sie in die Diskussionen und in die Entscheidfindungen einbringen können und müssen.» Gemäss einer skandinavischen Studie bereichern Frauen die Aufsichtsgremien auch, weil sie mit anderen Perspektiven und anderen Führungsstilen die Signalfunktion für Stakeholder besser wahrnehmen. Frauen bereiteten sich besser auf Entscheidungen und Sitzungen vor und würden zudem den Druck auf Männer erhöhen, zitiert Rigassi die Studie weiter.
Gemäss einer Umfrage der «Handelszeitung» sind lediglich 22 von 244 VR-Mandaten in der Schweiz von Frauen besetzt. Das Netzwerk hat noch viel konstruktive Überzeugungsarbeit vor sich, um das Huhn-Ei-Problem zu knacken.
Finanziell unabhängig
GetDiversity ist bewusst nicht als Non-Profit-Organisation angelegt, sondern wurde nach wirtschaftlichen Kriterien entwickelt. Der Aufbau von GetDiversity wird von den Gründerinnen finanziert sowie durch Gönnerbeiträge unterstützt, welche für konkrete Produkte wie beispielsweise die Website, Netzwerkanlässe oder den Newsletter verwendet werden. «Wir wollen finanziell unabhängig sein, denn Unabhängigkeit ist für uns ein wichtiger Erfolgsfaktor», sagt Rigassi. «Die Teilnehmerinnen bezahlen einen Jahresbeitrag, der uns als Geschäftsführerinnen auch zu hoher Professionalität verpflichtet. Ebenso werden unsere Vermittlungsleistungen von den Unternehmen honoriert. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass wir bis in drei Jahren kostendeckend arbeiten können.» Eine Garantie für die Vermittlung eines VR-Postens gibt das Netzwerk nicht.