Global Mobility – gestern, heute, morgen
Was sind die Trends und Herausforderungen im internationalen Entsendungsmangement? Unser Gastautor – langjähriger Berater und Coach für Mobility-Strategie sowie frisch gekürter «Global Mobility Professional of the Year» – gibt einen Einblick in die veränderten Herausforderungen und zeigt Lösungsstrategien auf.
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In der Vergangenheit fungierten Personalabteilungen in Sachen Auslandentsendungen oftmals nur als internes «Reisebüro». Die hohen Kosten von Entsendungen wie auch die zunehmende Bedeutung des Auslandgeschäfts für Unternehmen rücken nun zunehmend in den Fokus des Top-Managements. Entsendungsabteilungen beginnen sich allmählich strategisch auszurichten und an den Unternehmenszielen, dem Talentmanagement, den Märkten, den Trends und der Unternehmenskultur zu orientieren. So transformieren gegenwärtig viele Unternehmen ihr Entsendungsgeschäft und überarbeiten analog dazu ihre Richtlinien, Prozesse und Strukturen.
Trend 1: Vom «Reisebüro» zum Strategiepartner
Um die notwendige Zustimmung des Managements für Investitionen in eine Transformation des Entsendungsbereichs zu erlangen, hat es sich bewährt, neben den Zielen und Benefits einer Veränderung auch die dazu notwendigen Ressourcen aufzuzeigen, aber auch die zu erwartenden Risiken darzulegen, die auftreten könnten, wenn so weitergearbeitet würde wie bisher.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich der Entsendungsbereich zunehmend zu einem strategischen Partner des Managements wandelt und infolgedessen seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg entsprechend aufzeigen muss. Es ist für das Entsendungsmanagement also von vitaler Bedeutung, ein gutes Verständnis für sämtliche Geschäftsentwicklungen aufzubauen, die Einfluss auf Entsendungen haben können. Denn nur so werden Entsendungsabteilungen als echter «Business Partner» wahrgenommen. Dabei ist es notwendig, sich von dem – noch immer sehr verbreiteten – Silo-Denken zu verabschieden und damit zu beginnen, proaktiv mit anderen HR-Funktionen wie dem Talent Management, aber auch mit den Spezialisten für Steuern und Recht zusammenzuarbeiten.
Trend 2: Weiblicher und jünger
In der Vergangenheit wurden zu über 90 Prozent meist erfahrene männliche Mitarbeiter aus der Schweiz für eine bestimmte Zeit ins Ausland entsandt. Mit der Zunahme an Entsendungen ins Ausland kamen umgekehrt Inbound-Entsendungen in die Schweiz dazu – ebenso auch sogenannte Drittland-Entsendungen zwischen Ländern ohne Schweizer Beteiligung.
Zunehmend werden heute auch mehr weibliche und jüngere Mitarbeiter entsandt. Dies macht es notwendig, Richtlinien zu erarbeiten, die einerseits international Anwendung finden und sich andererseits entlang den Ansprüchen der verschiedenen Zielgruppen differenzieren lassen. So realisierte ein grosses europäisches IT-Unternehmen vor einigen Jahren, dass die existierenden Long- und Shortterm-Policies nicht mehr ausreichten, da sie etwa dem CEO North America die gleichen Benefits anboten wie einem jungen Software-Ingenieur. Daraufhin wurden die Richtlinien nicht mehr ausschliesslich nach Dauer des Aufenthalts differenziert.
Trend 3: Incentivierung wird komplexer
Aufgrund des demografischen und gesellschaftlichen Wandels hin zu Familien mit zwei Erwerbstätigen muss zunehmend mit mehr Widerstand der zu entsendenden Mitarbeiter gerechnet werden. Führende Unternehmen reagieren darauf, indem sie ihre Richtlinien familienfreundlicher gestalten und sich auch für den begleitenden Partner und die Kinder stärker einsetzen.
Noch vor zehn Jahren gab es ein amerikanisches Unternehmen, das seinen in die Schweiz entsandten US-Staatsbürgern eine «Hardship»-Prämie, also eine Erschwerniszulage, zahlte, weil Englisch nicht zu den offiziellen Schweizer Landessprachen zählte. Die Zeiten, in denen eine Entsendung für Mitarbeiter finanziell lukrativ war, sind zum Grossteil vorbei. Es wird zunehmend argumentiert, dass eine Entsendung für die persönliche und berufliche Entwicklung einen Karrierevorteil darstellt und aus diesem Grund nicht mehr finanziell alimentiert werden muss.
Die Integration des Entsendungsmanagements ins Talentmanagement wird diese Entwicklung noch weiter verstärken. Es gibt selbstverständlich Ausnahmen, beispielsweise in der Erdöl- und Gasbranche oder auch im Engineering, wo die entsandten Mitarbeiter immer wieder gleichartige Tätigkeiten ausüben und man daher durch die Entsendung nicht mit der Vorbereitung auf einen Karriereschritt argumentieren kann.
Ein Schweizer Unternehmen entsandte beispielsweise Mitarbeiter regelmässig zur Wartung von exportierten Maschinen rund um die Welt. Doch es war nicht möglich, die finanzielle Incentivierung zu kürzen, weil sich keine Argumente fanden, um die Mitarbeiter davon zu überzeugen, aus rein intrinsischer Motivation ins Ausland zu gehen. Auch kleine Unternehmen sind oft damit konfrontiert, dass manchmal nur ein einziger Mitarbeiter in Frage kommt, der die gewünschte Rolle im Ausland übernehmen kann. Wenn nun genau dieser Mitarbeiter nicht ins Ausland will und sich dabei seiner wichtigen Rolle für das Unternehmen bewusst ist, kommt es immer noch vor, dass der Entsendungsbereich vom Management das berühmte «Koste es, was es wolle» zu hören bekommt.
Trend 4: Outsourcing nimmt zu
Traditionell wurden viele Leistungen für Entsandte inhouse erbracht. Dies hat sich gewandelt durch die zunehmende Nutzung von externen Anbietern für Dienstleistungen in den Bereichen Steuern und Sozialversicherungen, Immigration, Relocation, Versicherungen, kulturelle Vorbereitung und Reisesicherheit. Die Beziehungen zu externen Anbietern wandeln sich dabei immer mehr zu echten Partnerschaften, in denen mit Hilfe von IT-basierten Systemen der Aufwand gering gehalten und die Übersicht gewahrt werden kann. Gewisse Unternehmen entscheiden sich, gleich die gesamte Abwicklung der Entsendungen an externe Anbieter auszulagern.
Um dabei die Anzahl der Anbieter und den damit verbundenen Aufwand gering zu halten, werden einerseits globale Anbieter bevorzugt. Andererseits versuchen Anbieter, mehrere Leistungen aus einer Hand anzubieten. Aufgrund der grossen Anzahl von Anbietern in allen genannten Bereichen gehören regelmässige Ausschreibungen für zu erbringende Leistungen zu den unerlässlichen Hausaufgaben eines professionellen Entsendungsmanagements.
Bei allen Argumenten für das Outsourcing entscheiden sich einige Unternehmen aber auch dafür, intern Shared-Service-Center aufzubauen. Manche Unternehmen bereuen den Schritt zum Outsourcing, was meist auf unzureichende Vorbereitung wie auch auf unzureichende Sorgfalt bei der Auswahl des Anbieters zurückzuführen ist. Es erfordert in beiden Fällen eine sorgfältige Planung und Vorbereitung, um die entsprechenden Schritte erfolgreich zu bewältigen.
Trend 5: Compliance nimmt zu
Die Einhaltung von Gesetzen, besonders im Bereich der Steuern und Sozialversicherungen hat sich aufgrund der vielfältigen Länderkombinationen sowie aufgrund der zahlreichen Benefitleistungen an die Entsandten schon immer als komplex erwiesen. Viele Schweizer Unternehmen zahlten das Gehalt in der Vergangenheit über eine sogenannte «Split-Payroll» aus – also teils im Heimatland und teils im Ausland. Oftmals wurde dabei der im Heimatland bezahlte Gehaltsanteil nicht versteuert. Die Wahrscheinlichkeit, deshalb wegen eines Verstosses gegen die Compliance ertappt zu werden, ist weltweit markant gestiegen.
Ausser den finanziellen und strafrechtlichen Konsequenzen ist dabei auch der Aspekt der Rufschädigung nicht zu unterschätzen. So gibt es Firmen, die aufgrund von Compliance-Verstössen in gewissen Ländern von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen wurden, was sich auf drastische Weise geschäftsschädigend auswirken kann. Dabei darf auch die unternehmerische Fürsorgepflicht nicht vergessen werden – speziell wenn Mitarbeiter in Krisengebiete entsandt werden.
In Zukunft werden durch neue Entsendungsformen zusätzliche Herausforderungen entstehen. So werden beispielsweise Tele-Commuter (Heimarbeiter, die ihre Arbeitsleistung für ein anderes Land als ihr Heimatland erbringen) grosse Anforderungen an die Compliance stellen. Etwa in der Frage, wo der Mitarbeiter steuerpflichtig ist und ob er eine Betriebsstätte im Gastland begründet. Das Bewusstsein für Fragen der Compliance ist bei vielen Unternehmen inzwischen sehr hoch. Aufgrund der Komplexität werden in diesem Bereich fast immer externe Anbieter beigezogen. Denn diese sind aufgrund ihrer globalen Netzwerke in der Lage, lokale Gesetze sowie Gesetzesänderungen zeitnah zu erfassen und umzusetzen.
Da nicht davon auszugehen ist, dass sich die Komplexität verringern, sondern im Gegenteil eher noch zunehmen wird, dürfte die Bedeutung der Compliance für das Entsendungsmanagement weiterhin eine der grössten Herausforderungen darstellen, was zu einer noch stärkeren Professionalisierung zwingen dürfte.
Fazit
Das Entsendungsmanagement stellte innerhalb des HR schon immer eine stark multidisziplinär geprägte Arbeit dar. Daher verwundert es nicht, dass im konstanten Wandel ein breit gefächertes Fachwissen notwendig ist, um alle Herausforderungen adäquat zu bewältigen. Langeweile dürfte dabei kaum aufkommen.