HR Today 4/23: Fokus Forschung

Höhere Erwartungen an Rechtsabteilungen

HR-Verantwortliche arbeiten bei Arbeitsrechtsfällen regelmässig mit Rechtsexperten des Unternehmens zusammen. Wie sich die Erwartungen an Rechtsabteilungen verändern, wird in verschiedenen Umfragen laufend untersucht. Die Ergebnisse sind auch für HR relevant.

Zur Beurteilung der veränderten Ansprüche an Rechtsabteilungen sind die Ergebnisse der Umfragen der Association of Corporate Counsel (ACC) und der von Thomson Reuters aus den USA besonders interessant. Gemäss diesen Studien nehmen Gesetze, Rechtsrisiken und damit das Schutzbedürfnis der Unternehmen stetig zu. Juristinnen und Juristen und werden deshalb häufig als Risikomanager herangezogen. In arbeitsrechtlicher Hinsicht zeigt sich das beispielsweise bei der Beurteilung von Fragen zu Homeoffice, Workation, New Work oder Flexwork. Die neuen Arbeitsformen sind heute technisch leicht umsetzbar und wurden während der Pandemie auch erfolgreich geprobt. Oft gehen jedoch die juristischen Stolpersteine dabei vergessen. HR-Verantwortliche stehen deshalb in der Pflicht, die aus ihrer Sicht wichtigen Veränderungen am Arbeitsplatz in enger Zusammenarbeit mit den juristischen Fachkräften zu lösen.

Auf internationaler Ebene zeigt sich, dass die Verantwortlichen der Rechtsabteilung (General Counsel) auch in strategischen Fragen beratend hinzugezogen werden. Dies liegt daran, dass bei Neuerungen oft noch keine Rechtsgrundlagen und Gerichtsurteile vorliegen. Ein Blick in die amerikanische Studie zeigt jedoch, dass Juristinnen und Juristen nicht alle Neuerungen auf dem Radar haben, wie beim Thema ESG (Environmental, Social, Governance). HR-Verantwortliche können also nicht automatisch erwarten, dass der Rechtsdienstleister ihres Vertrauens alle ­Fragen rund um die neuen Arbeitsformen bereits gelöst hat. Gerade hier könnte HR aber proaktiv mit eigener Rechtsexpertise in arbeitsrechtlichen Fragen unterstützen und Lösungsvorschläge vorantreiben.

Wenn die HR-Abteilung mit der eigenen Rechtsabteilung nicht zufrieden ist, wird sie nach ­eigener Aussage externe Anwälte beauftragen und die Kosten für diese Dienstleistung selbst tragen. Abgesehen davon, dass eine Rechtsabteilung ein solches Vorgehen kaum akzeptiert, müssen die Kostenfolgen bedacht werden. So sind die Leistungen der ­Rechtsabteilung für HR «kostenlos», weil sie über einen Verteilschlüssel in die Geschäftseinheiten umgelagert werden. Darüber hinaus zeigt die amerikanische Studie, dass Rechtsabteilungen ein Unternehmen nur wenig kosten (in den USA allerdings mehr als in Europa). Deshalb wird ein «Fremdgehen» des HR vom CFO nicht immer goutiert.

Auch Rechtsabteilungen wollen kundenorientiert arbeiten. Nach ihrem «Purpose» befragt, zeigt die amerikanische Studie, dass Inhouse-Juristinnen und -Juristen daran interessiert sind, die bestmögliche Leistung zu erbringen. Trotzdem beklagen sich externe Anwaltskanzleien (also die Lieferanten der Rechtsabteilungen) über deren ineffiziente Organisation, mangelhafte Instruktion und unklare Kommunikation. HR kann für sich daraus ableiten, sich mit transparenten Erwartungen aktiver einzubringen. Die Qualität der juristischen Beratung, die HR in Anspruch nimmt, kann durch ein klares Mandat sowie eine bessere Kommunikation und Zusammenarbeit erhöht werden. Nur so ist sichergestellt, dass die Rechtsberatung nicht nur juristisch korrekt, sondern auch für das Unternehmen und HR nützlich ist.

Rechtsfragen durchdringen immer mehr den Arbeitsalltag und das ­Unternehmen. Jede Geschäftsfunktion muss ein ­Grundverständnis hierfür entwickeln, um ­korrekte Antworten zu geben und die Rechtsexperten richtig und kosten­günstig anzuleiten. Eine Möglichkeit ­bietet Weiterbildung, etwa zu Wirtschaftsrecht für Nichtjuristinnen und Nichtjuristen. lam.unisg.ch/wrm


Quellen

Association of Corporate Counsel (ACC). ACC 2023 Chief Legal Officers Survey. acc.com/clo2023

Thomson Reuters Institute. 2022 State of Corporate Law Departments. legal.thomsonreuters.com/en/insights/reports/2022-state-of-corporate-law-departments-report/form

KPMG Law. Global Legal Department Benchmarking Survey, 2021 Report. hub.kpmg-law.de/global-legal-department-benchmarking-survey

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Bruno Mascello

Rechtsanwalt, Direktor des Geschäftsbereichs Law and Management an der Executive School der Universität St.Gallen (HSG). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Wirtschaftsrecht und Legal Management.

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