Fallbeispiel

HR-Aufgabe: Kommunikation wertebasiert steuern

Die Kommunikationsqualität ist heute zum wesentlichen Erfolgsfaktor für zwischenmenschliche Kommunikation geworden. Wer die wertebasierte Kommunikation beherrscht, schenkt seinen Mitmenschen und sozialem Umfeld Klarheit und Orientierung.

Verantwortlich für den grossen Stellenwert der Kommunikation ist erstens die Tatsache, dass wir immer häufiger mit Angehörigen fremder Kulturen im Kontakt stehen und in multikulturellem Umfeld agieren. Oft sind diese Begegnungen mit Missverständnissen und Unsicherheiten, ja gar mit Irritationen verbunden. Zweitens sind heute psychosoziale Risiken im beruflichen Kontext die Hauptursache für Berufskrankheiten. Dieses Phänomen ergibt sich aufgrund der unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen wie auch verschiedenen Menschen- und Weltbilder, die wir als implizites oder explizites kulturelles Erbe in uns tragen.

Die folgende Fallstudie beschreibt einen Veränderungsprozess, wobei die Unternehmenskultur im Mittelpunkt steht. Ein besonderer Fokus liegt auf der Steuerung von offener Kommunikation und vorausschauender Führung. 

Eine entscheidende Kursänderung in interner Kommunikation

Zuoberst auf der Liste des Fremdgeschäftsführers einer kleinen Tochtergesellschaft standen die dringende Bitte und der Appell von der Geschäftsleitung der ausländischen Muttergesellschaft, die Gründe für die katastrophal schlechten Resultate der aktuellen Umfrage zur Mitarbeiterzufriedenheit offenzulegen. Diese Hiobsbotschaft liess nichts Gutes ahnen.

Auf dem Hintergrund dieser Ausgangssituation hatte sich schon eine Reihe von Konfliktherden innerhalb der Tochtergesellschaft aufgebaut. Das Arbeitsklima war angespannt, der Teamgeist auf einem anderen Planeten, die Fluktuation hoch, die Zukunft unsicher, die informelle Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden auf ein Minimum reduziert und der Geschäftsführer überfordert. Der Auftrag für die HR-verantwortliche Stelle bestand darin, den Geschäftsführer dabei zu unterstützen, den Umfrageresultaten auf den Grund zu gehen und die vorhandenen Unstimmigkeiten mittels Teambuilding-Massnahmen zu klären und zu bereinigen.

Die ersten Einzelsitzungen mit dem Geschäftsführer wie auch den Mitarbeitenden verdeutlichten, dass der Geschäftsalltag unter Hochspannung stand. Der Auftrag wurde schnell von Teambuilding-Massnahmen zu Konfliktmanagement geändert: Der Geschäftsführer brauchte baldmöglichst eine Deeskalationsstrategie, um alle Beteiligten wieder handlungsfähig zu machen und um die Lage so zu beruhigen, dass die schwer zugänglichen Konfliktthemen zugleich fair, professionell und mit dem notwendigen Mass an Sensibilität bewältigt werden konnten.

Der Beratungsprozess fokussierte sich in der Folge auf eine Reihe von Coachings mit dem Geschäftsführer, dabei wurden Strategien für die einzelnen Problemfelder «interne Kommunikation» und «Führung» entwickelt. In Einzel- und Tandemsitzungen mit allen Mitarbeitenden wurden Gründe für die Entstehung der Konflikte gesucht. Zudem wurden im Unternehmen zwei moderierte Veranstaltungen zu den Themen «Wertebasierte Kommunikation» und «Werte-Reflexion» durchgeführt, da die von der Muttergesellschaft definierten Werte – verantwortungsvolle Profitabilität, Authentizität, Zusammenarbeit und Innovation – nur teils als konkrete Orientierungshilfe für das tägliche Handeln bei der Tochtergesellschaft dienen konnten. Übergeordnetes Ziel dieses Instrumentariums war es, die wechselseitigen Erwartungen zwischen dem Geschäftsführer und den Mitarbeitenden auf ein bewältigbares Mass zu reduzieren. Ebenso sollten die Beteiligten darin unterstützt werden, mit dem vorhandenen psychosozialen Stress und ihren Rollen in der Gesamtsituation im beruflichen Kontext angemessener umzugehen. Schliesslich wurden in einem Abschlussworkshop mit allen Mitarbeitenden gemeinsam Verhaltensregeln und ein Kommunikationsfahrplan für die interne Kommunikation ausgearbeitet und diese in das Organisationshandbuch integriert.

Jede Phase des Beratungsprozesses war zirkulär angelegt: Die Einzel-/Tandemsitzungen bildeten den Ausgangs- und den Endpunkt jeweils eines Massnahmenzyklus. Dieses Vorgehen gab dem Geschäftsführer und den Mitarbeitenden immer wieder Gelegenheit, den eigenen Beitrag und den eigenen Anteil an der internen Kommunikation und Zusammenarbeit und somit am Arbeitsklima zu erkennen und das eigene Verhalten entsprechend zu reflektieren und zu optimieren. Diese Weichenstellung bewirkte, dass der Geschäftsführer sein Verhaltensrepertoire entwickeln und erweitern sowie sein Führungsverhalten wirkungsvoller steuern lernte. Die Mitarbeitenden wurden in diesem Prozess zu den Produzenten der gemeinsam gestalteten Organisationsentwicklung und lernten erkennen, dass das Arbeitsklima weitgehend von der informellen Kommunikation unter Mitarbeitern geprägt wird.

Mit voller Kraft und Energie voraus  

Der Gewinn dieses Vorgehens bestand darin, die Kommunikationskultur und deren Konfliktpotenzial zum ersten Mal unabhängig von der in der Ferne schwebenden, stark nach der Muttergesellschaft orientierten Werten zu betrachten. Das vorhandene Spannungsfeld wurde durchleuchtet und davon anschliessend praxistaugliche Handlungsempfehlungen abgeleitet. Der Arbeitgeber hatte nebst der Erfüllung seiner Fürsorgepflicht folgende Führungskompetenzen demonstriert, die von der Belegschaft bei nach diesem Prozess erneut durchgeführter Umfrage zur Mitarbeiterzufriedenheit in den höchsten Tönen gelobt wurden: Ehrlichkeit und Integrität, Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung, Initiative und Übernahme von Verantwortung, klare und spürbar wohlwollende Kommunikation, Förderung von Teamwork sowie Vertretung von Interessen des eigenen Teams nach aussen.

Die Tochtergesellschaft hatte sich erfolgreich durch den Sturm navigiert und ihr HR-Team einen starken multidisziplinären Beitrag an die Unternehmensentwicklung geleistet.

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Elisa Neupert begleitet und berät Unternehmen und Einzelpersonen seit 15 Jahren bei den Themenbereichen Kommunikation, Human Resources, Kultur-/Sozial- und Selbstkompetenz. Ihr Studium hat sie mit M.A. in Translation and Literary Studies, mit den Nebenfächern Betriebswirtschaft, Psychologie, Philosophie und Journalismus, an der Universität von Tampere, Finnland, abgeschlossen. Zudem arbeitet sie als HR-Verantwortliche bei der Strategic Knowledge Group GmbH in Zürich.

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