HR Titel abschaffen?
Head People and Culture, CHRO, Personalleitung – im HR wimmelt es nur so von Bezeichnungen. Statt Klarheit, stiften sie vielfach Verwirrung. Doch muss man sie gleich ganz abschaffen? Darüber gehen die Meinungen auseinander.
Sind HR-Titel unübersichtlich oder braucht es sie noch? (Bild: iStock, HR Today)
Eliane Toller
Inhaberin und Geschäftsführerin der Impulse Group
«Als HR Interim Managerin und HR-Fach- und Führungspersonalvermittlerin sage ich «ja» zur Abschaffung von HR-Titeln. Warum? Weil wir selten erleben, dass unsere Kunden dasselbe meinen, wenn sie von gängigen HR-Titeln sprechen, inhaltlich aber nicht weiter voneinander entfernt sein könnten.
Nehmen wir den Begriff des «HR Business Partners»: Im Unternehmen A hat der Stelleninhaber Einsitz in der erweiterten Geschäftsleitung, ist an strategischen Entscheiden des Managements beteiligt und hat ein HR-Services Center, das ihn administrativ unterstützt. Dagegen ist die «HR Business Partnerin» in Unternehmen B zuständig für die gesamte HR-Administration und so im Tagesgeschäft involviert, dass keine Zeit für konzeptionelle und strategische HR-Arbeit bleibt. Oder wie wäre es mit einem «Head of People & Culture» eines globalen Unternehmens mit kleiner Niederlassung in der Schweiz ohne Führungsfunktion gegenüber einem «Head of People & Culture» eines stark wachsenden Technologie Unternehmens mit der Implementierung einer weltweiten HR-Strategie und der Führung von lokalen HR-Teams?
edes Unternehmen kennt einen Employee Lifecycle und die darin enthaltenen operativen und strategischen HR-Aufgaben, befüllt die allgemein bekannten Titel innerhalb von HR aber selten so, dass wir davon ausgehen können, mit einem bestimmten Titel die gleichen Funktionen mit denselben Aufgaben zu meinen. Deshalb ist es müssig, HR-Titel aufrecht zu erhalten. Viel wichtiger scheint es, HR-Funktionen inhaltlich und im Kontext der Unternehmensgrösse sowie der Organisation zu betrachten. Erst dann entsteht ein schlüssiges Bild der Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen einer Rolle – unabhängig davon, wie der der HR-Titel lautet.»
Anja Buser
HR Strategies bei HR Campus
«Montag, 14 Uhr: In einem Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitenden sitzen vier Personen, die sich nicht kennen, in einem Sitzungszimmer. Das Meeting startet mit einer Vorstellungsrunde mit Name und Jobtitel: Andreas, Head of of Manufacturing; Susanne, R&D Managerin; Roman, Chief Human Ressource Officer; Angelika, Head of Europe. Super, jetzt wissen alle, wo sich der einzelne und die einzelne in der Hierarchie befindet und über welches Wissen jemand verfügt. Das war auch die ursprüngliche Idee von Jobtiteln: für Ordnung zu sorgen.
Mit den Jahren wurde das ad Absurdum geführt. Alle wollten «Manager», «Head of…», «VP» oder «Direktor» sein. Frisch von der Uni war es für mich selbst das Grösste nach zwei Jahren nicht mehr «Junior», sondern «Senior Account Managerin» genannt zu werden. Neben der Ordnung gibt es noch den persönlichen Aspekt: «Wer bist du?» Ich bin mein Jobtitel. Und was passiert, wenn dieser weg ist? Wer bist du ohne diesen Titel? Nehmen wir das Meeting Beispiel von oben: Wie verliefe eine Diskussion, wenn die Teilnehmenden nur den Tätigkeitsbereich der anderen kennen, nicht aber auf welcher Hierarchiestufe sich die Kolleginnen und Kollegen befinden? Dann fielen wohl viele Vorurteile und Zuschreibungen weg, während die Sitzungsbeiträge nach ihren Inhalten beurteilt würden und nicht danach, von welcher Hierarchieebene sie kommen.
Der ehemalige Personalvorstand (noch so ein Titel) von Sap bemerkte schon 2018 in einem Interview mit dem Magazin «Business Punk»*, dass Sap intern mit einer Jobarchitektur arbeite, diese jedoch nur für Gehaltsgespräche und Beförderungen anwende. Titel spielen bei Sap intern also generell keine Rolle. Noch spannender wird es, wenn man nicht mehr in Titeln, sondern in Rollen denkt. Nehmen wir die R&D Managerin Susanne vom Meeting Beispiel. Sie arbeitet gemeinsam mit dem Marketing an einem Projekt für eine Produktneuentwicklung, verantwortet die Einführung einer neuen Projektmanagement Software, leitet ein Projekt für die Erforschung eines neuen Inhaltstoffs und führt fünf Personen. Alle diese verschiedenen Rollen in eine Bezeichnung zu packen, wäre schwierig. Um intern Fairness beim Gehalt sicherzustellen, brauchen wir trotzdem eine Jobarchitektur. Ansonsten sollten wir Titel abschaffen.»
Nadine Schlegel
People und HR, Unic AG
«Wir nutzen bei Unic keine klassischen Job-Titel mehr. Diese haben wir mit der Einführung von Holacracy «entfernt». Vielmehr liegt unser Fokus auf den fachlichen Tätigkeiten sowie den meist spezifischen Skills der Mitarbeitenden. Addiert man diese fachlichen Ebenen zusammen, lassen sich verschiedenste Rollen schaffen. Der Vorteil dabei: Was einem Jobtitel oft fehlt, ist das Warum. In der Holacracy wird der Sinn und Zweck (Purpose) bei jeder Rolle aber hinterlegt. Aufgaben können und dürfen deshalb auf die jeweilige Rolle bezogen, hinterfragt werden.
Ein «CPO» oder «Head of HR» sagt dagegen über die einzelnen Verantwortlichkeiten beziehungsweise Skills einer Person nicht viel aus. Zudem gibt ein Jobtitel den Mitarbeitenden keine Orientierung. Die Worthülse «Job-Titel» zu verlassen, hat auch mit Mut und Neugier zu tun. Denn der Jobtitel legitimiert das eigentliche Tun nicht mehr. Es wird ausschliesslich über die rollenspezifischen Verantwortlichkeiten geregelt. Das Besondere: Jede Rolle darf individuell und situativ angepasst oder neu geschaffen werden. Im Vergleich zu früher, als ich meine Signatur mit «Head of HR» abschloss, fühle ich mich viel freier und wohler.
People und HR ist bei Unic eine Art Puzzle. Jedes Mitglied der Organisation fügt sich mit seinen persönlichen Skills und Verantwortlichkeiten zu einem Gesamtbild ein. Tangieren sich Verantwortungsbereiche, agieren Kolleginnen und Kollegen grundsätzlich gemeinsam – und können dezidiert mit ausformulierten Verantwortlichkeiten auf Anfragen, Projekte und Situationen unterstützend reagieren. Mein persönlicher Purpose «Passionate about bringing people and business together» hilft mir dabei.»
* Die Bedeutung von Jobtiteln: Verbrennt die Visitenkarten! (business-punk.com)