Die «Mesmerize it»-Technik

HR Today macht den Hypnose-Test

In einer zehnteiligen Online-Serie auf hrtoday.ch hat Coaching-Tausendsassa Tatjana Strobel Aufklärungsarbeit in Sachen Hypnose geleistet. Redaktor Mario Walser hat nun einen Selbstversuch gewagt.

Sie trägt Pumps statt Birkenstock-Sandalen und ist dezent geschminkt, als sie mir um Punkt sieben Uhr morgens die Türe zu ihrem Coaching-Reich in der Zürcher Innenstadt öffnet. Die elegante Business-Montur setzt wohl bewusst einen Kontrapunkt zur flammendroten langen Mähne. Tatjana Strobel erfüllt die Klischees, wie eine Therapeutin auszusehen hat, in keinster Weise. Die 42jährige geht glatt als dynamische Führungskraft durch. Die Passanten, die ich nach unserem rund dreistündigen Hypnose-Termin, in Zürichs Bankenmeile befragt habe, reagierten allesamt überrascht, als ich ihnen eröffnete, dass die Dame auf dem gezeigten Bild weder eine Werbeagentur leitet, noch das Marketing oder die Kommunikation einer Grossbank verantwortet.

So ganz falsch mit ihrer Einschätzung lagen die Befragten allerdings nicht. Tatjana Strobel war lange Verkaufsleiterin und Sales Managerin in der Beautybranche und Luxusgüterindustrie. Und sie ist nicht einfach nur Hypnose-Therapeutin. Weit gefehlt – Tatjana Strobel tanzt auf vielen Hochzeiten: Sie ist Expertin für Physiognomie und Körpersprache, Trainerin und Keynote-Sprecherin. Und sie bietet massgeschneiderte Workshops für Firmen an. Die Klienten-Liste ist schillernd. Auch in Rundfunk und Fernsehen ist die Autorin diverser Selbsthilfe-Bestseller gern gesehener Gast.

Das Prinzip von Ursache und Wirkung

Dynamisch, fast ein wenig hibbelig, aber trotzdem sehr sympathisch – so wirkt Tatjana Strobel auf mich bei unserem ersten persönlichen Treffen. Sie spricht schnellstes, lupenreines Hochdeutsch und ich spüre – ihre Arbeitstage sind zweifellos durchstrukturiert, effizient geplant und ausgebucht. Als wir am langen hellen Holztisch in ihren Praxisräumlichkeiten Platz genommen haben, kehrt nach und nach Ruhe ein. Auch bei Strobel selbst. Hier oben im fünften Stock ist das geschäftige Treiben in der Stadt nur noch eine Randerscheinung.

Doch bevor wir loslegen können, steht noch ein Gespräch an. Tatjana Strobel erklärt mir, um was es heute genau geht; was ich zu erwarten habe. «Hypnose ist leider noch immer mit vielen Vorurteilen behaftet. Die Leute kennen oftmals nur die effekthascherische Show-Hypnose, bei der die Hypnotisierten in Trance wie Zirkustiere vorgeführt werden.» Und sie führt weiter aus: «Wir Menschen erleben andauernd hypnotische Phasen, manchmal gar mehrmals am Tag. Sei es kurz nach dem wir morgens aufwachen, aber auch, wenn wir tagträumen.» Das sei nötig, damit das System Mensch überhaupt funktioniere: «Wir können unseren Körper so herunterfahren und entspannen, tanken neue Energie und beeinflussen unser Unterbewusstsein positiv.»

Mit der Hypnose helfe sie ihren Klienten lediglich, das schlummernde Potential freizuschaufeln und Hindernisse, über die man immer wieder von Neuem stolpere, aus dem Weg zu räumen. «Die Voraussetzung für das Gelingen der Hypnose ist jedoch, dass der Klient Vertrauen zu mir fasst – und auch den Willen zur Veränderung mitbringt», sagt Tatjana Strobel. Nach rund einer Stunde begeben wir uns in einen Nebenraum, ausgestattet mit einer Liege für Klienten und einem Sessel für die Therapeutin. Die Hypnose-Sitzung beginnt.

Der steinige Pfad zum Unterbewussten

Tatjana Strobel begleitet mich auf den Weg in die Entspannung mit ruhiger Stimme. Mittels Rolltreppe, Lift oder Rutschbahn darf ich mich in Richtung Unterbewusstsein aufmachen. Da angekommen, deute ich ihr mit einer kleinen Handbewegung an, dass ich nun bereit bin, meinen inneren «Control Freak» für eine Weile ruhen zu lassen. «Das ist die Voraussetzung, um Dich überhaupt von deinen blockierenden Glaubenssätzen verabschieden zu können» fügt sie an. Zwischendurch berührt sie mit der Hand meine Schulter. Ich entspanne mich immer mehr.

Obwohl ich nun da angelangt bin, wo Tatjana Strobel mich haben will, fühlt es sich gar nicht «hypnotisiert» an. Ich könnte nach wie vor einfach aufstehen und das Ganze abbrechen. Doch dazu verspüre ich keine Lust. Ich lasse mich weiter darauf ein.

«Wie warst du in der Schule? Wie ist die Beziehung zu deinen Eltern? Wie war deren Beziehung? Gab es Momente, in denen Du dich unglaublich traurig gefühlt hast?» Das ist nur eine kleine Auswahl der Fragen, die ich während der Hypnose gestellt kriege. «Weiss ich doch nicht mehr», schiesst es mir durch den Kopf. Unerwartet blitzen längst vergessene Szenen aus Kindertagen auf. Der Prozess der inneren Reinigung beginnt. Ich fasse den Auftrag, meinem «Mini-Me» zu erklären, dass er loslassen müsse und ruhig Kind sein dürfe. «Nur wenn die alten, aufgestauten Gefühle entladen werden können, entsteht Platz für Neues» erklärt mir Strobel noch während der Hypnose.

Und drei, zwei, eins...wieder zurück

Als wir alle Ängste und Blockaden gemeinsam entschärft haben, erarbeiten wir ein Mantra, das mir bei Bedarf und im Nu helfen soll, mich auch im hektischen Journalisten- und Familienalltag fokussiert zu halten. Und so grotesk das klingen mag – sie installiert mir zusätzlich einen imaginären Selbsthypnose-Schalter am Körper, den ich zu drücken habe, wenn ich auch nach unserer heutigen Sitzung in diesen hypnotischen Zustand zurückkehren will. Diesen muss ich jedoch in den nächsten Wochen mindestens 15 Mal am Tag betätigen, damit sich das automatisieren kann. Eine Herausforderung für mich. Aber eine nachvollziehbare Aufgabenstellung. Denn dadurch soll ich mich wohl in Achtsamkeit üben und es soll mir helfen, mein Unterbewusstsein als Kraftquelle anzuzapfen.

Es ist zehn Uhr. Meine Reiseführerin geleitet mich nun sanft wieder in Richtung Bewusststein. Tatjana Strobel und ich sind wieder zurück im pulsierenden Alltag. Die Aussenwelt nimmt mich wieder in Empfang. Ich fühle mich gut – irgendwie gelassener, weiss, dass ich – dermassen gestärkt – die Hindernisse, die sich mir jeweils in den Weg stellen, als Ermunterung sehen darf – und nicht als Stolpersteine.

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