Bildung und Karriere

International tätige KMU fordern 
unternehmerische Hochschulen

Aus dem «Swiss International Entrepreneurship Survey 2007», einer umfassenden Studie der Hochschule für Wirtschaft (HSW) Freiburg, geht hervor, dass kulturelle und sprachliche Unterschiede von international ausgerichteten Schweizer KMU als bedeutende Hürde für den Internationalisierungsprozess wahrgenommen werden.

Die schweizerische Wirtschaft wird immer internationaler. Ihre enge wirtschaftliche Verflechtung zeigt sich u. a. in der Exportquote von 40 Prozent am BIP und insbesondere darin, dass jeder zweite Arbeitsplatz mittel- oder unmittelbar von den Exporten ins Ausland abhängt. Die Güter- und Dienstleistungsexporte sind mithin die treibende Kraft des Aufschwungs der letzten Jahre. Während bis vor einigen Jahren hauptsächlich von international und global tätigen Grossunternehmen die Rede war, stehen mittlerweile vermehrt international aktive KMU im öffentlichen Fokus. Eine von der HSW Freiburg durchgeführte Studie zeigt die internationale Verflechtung von 386 internationalen KMU. Diese teilnehmenden Unternehmen sind im Durchschnitt 43 Jahre alt und beschäftigen 66 Personen. Vor Beginn der ersten internationalen Tätigkeiten waren im Schnitt 25 Mitarbeitende angestellt. Insgesamt werden von den befragten Schweizer KMU rund 137 verschiedene Länder beliefert – von Deutschland bis Tuvalu.

Die kulturelle Distanz behindert 
eine Internationalisierung

Die vom Westschweizer Fachhochschulverband (HES-SO) finanzierte Studie belegt, dass über die Hälfte (54 Prozent) der befragten KMU in mehr als fünf Ländern aktiv sind (siehe Abbildung 1). Im Durchschnitt  bearbeiten die KMU sechs bis sieben verschiedene Länder, wobei die Spannweite von einem Land bis 36 Ländern stark variiert.

Der Internationalisierungsprozess ist erschwert durch diverse interne und externe Hürden. Mithin werden die Behinderung durch bestehende Gesetze und Vorschriften im Ausland, die Kosten der Internationalisierung  oder der Preis der eigenen Produkte und Dienste als Hindernisse erwähnt. Kulturelle und sprachliche Unterschiede werten rund ein Drittel der befragten Unternehmen als bedeutsam. Bei Unternehmen mit schneller Internationalisierung ab Gründung, so genannten Born Globals, liegt der Prozentsatz über 50 Prozent.  Sehr wahrscheinlich ist dies Indiz für den Effekt der schnellen globalen Orientierung sowie fehlender interner Ressourcen. Die kulturelle Distanz behindert eine frühe und schnelle Internationalisierung, insbesondere weil Lerneffekte aufgrund des zeitlichen Aspektes kaum eintreten. Mit der dynamischen Unternehmensentwicklung im internationalen Umfeld steigen selbstredend auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden. Eine den veränderten Bedürfnissen angepasste Ausbildung kann zur Verbesserung der Situation führen (siehe Abbildung 2).

Obwohl die Schweiz bei den Fremdsprachenkenntnissen europaweit den dritten Rang belegt, taxieren ein Drittel der antwortenden Unternehmen die fehlenden sprachlichen Kenntnisse innerhalb des Unternehmens als Schwäche im internationalen Wettbewerb. Das dringende Bedürfnis der Unternehmen, die sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der Mitarbeiter zu entwickeln, wurde Ende Februar anlässlich eines Workshops mit Unternehmern bestätigt.

Neue Interaktionsmöglichkeiten zwischen Wirtschaft und Wissenschaft könnten eine Lösung darstellen. Es erscheint als ein Muss für die Zukunft, dass die Hochschule als Katalysator mit einer klaren unternehmerischen Aufgabe fungiert. Dazu sind verschiedene Anforderungen an eine unternehmerische Hochschule aufzuführen:

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Internationalität vermitteln: Partnerprogramme, Auslandserfahrung im Studium, Diversität der Studierenden
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Nachhaltigkeit und Ethik als Voraussetzung für unternehmerisches Verhalten in Start-ups, KMU und multinationalen Unternehmen akzentuieren
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Erhöhung der interkulturellen Kompetenzen

Unternehmerische Orientierung 
und Networking

Für den internationalen Erfolg ist eine unternehmerische Orientierung (entrepreneurial orientation) erforderlich, welche begleitet wird durch ein ausgeprägtes informelles Networking. Nicht überraschend haben die Entscheidungsträger der KMU ein ausgeprägtes Verhalten, neue Geschäftsgelegenheiten im Netzwerk zu diskutieren, anzubahnen, zu erkennen und zu evaluieren (siehe Abbildung 3).

Im Durchschnitt haben die Entscheidungsträger mit mehr als 25 Personen in den vergangenen zwölf Monaten über die Entwicklung der internationalen Geschäfts diskutiert, und dies vorwiegend im Rahmen informeller Networkings. Den durchschnittlichen Arbeitsaufwand beziffern die CEO und Manager mit 5,5 Stunden pro Woche.

Es müssen Wege gefunden werden, den Studierenden Plattformen zu bietetn, wo die Kreativität gefördert und gelebt werden kann und die Risikobereitschaft, sich unternehmerisch zu betätigen, gefördert wird. Mithin kann durch die Aufbereitung von interdisziplinären Case Studies an der Motivation der Studierenden gearbeitet und sichergestellt werden, dass eine gesunde Mischung zwischen Erfolg und notwendigem Engagement mit Durststrecken vermittelt wird.

Dies erfordert aber Fachhochschulen und Universitäten, die bei der Förderung von Unternehmertum nicht nur ressourcenorientiert (Bereitstellung von Inputs) vorgehen und/oder einen akademischen Wissenstransfer verfolgen. Diese Ansätze entfalten nur eine geringe Wirksamkeit (Röpke 2001, siehe Abbildung 4).

Die Wirksamkeit der Ansätze zur Förderung von Unternehmertum kann erhöht werden, indem neben dem Fachwissen die benötigten Kompetenzen der Studierenden gesteigert werden – «individualistic entrepreneurial education» (Laukkanen 2000). Der potenzielle Unternehmer wird durch Ausbildung, Training und Coaching weiterentwickelt. So belegt unter anderem die vorliegende Studie, dass bei den Kompetenzen und Fähigkeiten die Kommunikationsfähigkeit der Studierenden eine wesentliche Rolle spielt. Gekonntes Präsentieren der eigenen Ideen, geschicktes Verhandeln und Verkaufskompetenz sind sicherlich wesentlich für zukünftige Unternehmer. Der Zuwachs an Kompetenzen alleine ist aber noch nicht ausreichend. Die Studierenden müssen zugleich aktiv in das wissenschaftliche und wirtschaftliche Netzwerk eingebunden werden.

Dies bedingt eine Hochschule, die einerseits als Scharnier zwischen Wissenschaft, Erziehung und Wirtschaft aufzubauen ist und andererseits als Impulsgeber – als unternehmerischer Dynamo – für die Region funktioniert. Die Hochschule als Katalysator verschiedener Systeme koppelt nicht nur die Wissenschaft mit der Wirtschaft, sondern bindet weite Bereiche des Erziehungssystems ein. Insofern ist bei der unternehmerischen Förderung möglichst früh anzusetzen (youth entrepreneurship) und nicht erst im Studium an einer Hochschule. Eine unternehmerische Hochschule ist aktiv in das regionale Netzwerk eingebettet und erweitert die Lehre und Forschung um Unternehmertum, somit gehen neue Erkenntnisse und Handeln Hand in Hand, da unseres Erachtens Unternehmung nicht theoretisch gelernt werden kann und einseitiges Input-Output-Lernen nicht angebracht ist. Der konsekutive Masterstudiengang in Entrepreneurship der HSW Freiburg basierend auf einem gemeinsamen Konzept der HES-SO trägt genau diesen Erkenntnissen Rechnung.

Quellenangaben:

  • Baldegger, R. J. (2007): Swiss International Entrepreneurship Survey 2007, Fribourg/Bern/New York.
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  • Röpke, J. (2001): Zur Förderung von akademischen Unternehmensgründungen: Überarbeitetes Vortragsmanuskript. Fachkonferenz Wissenschaft und Wirtschaft im regionalen Gründungskontext, Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe, 5. und 6. April 2001.
  •  
  • Laukkanen, M. (2000): Exploring alternative approaches in highlevel entrepreneurship education: creating micromechanisms for endogenous regional growth, Journal of Regional Development and Entrepreneurship, Vol. 12, No. 1, January, S. 25–47.

Die HSW Freiburg

unterhält seit einigen Jahren intensive Beziehungen zu Unternehmen, Universitäten und Professoren aus dem Entrepreneurship-Bereich. Dieses gut funktionierende Netzwerk wird nun mobilisiert, um den Studiengang international, mehrsprachig und interkulturell auszurichten.

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Internationales Professoren-Team: Renommierte Dozenten aus Frankreich, USA und Kanada halten Vorlesungen im Master in Entrepreneurship.
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Zwei Studienreisen mit Schwerpunkt im 
«Intercultural Management».
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Mehrsprachiges Studium: Das Programm kann in Französisch/Englisch oder Deutsch/Englisch besucht werden. Auch eine dreisprachige Kombination der Module ist möglich. Mehrsprachige Diplome werden verliehen.
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Ausländische Studierende: Aus den diversen Partner-Universitäten werden Studierende am Master-Programm teilnehmen.
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Dr. rer. pol. Rico J. Baldegger ist Professor für Management und Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft Freiburg.

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