Fachkräftemangel

Kinderkrippen sind im Kampf um Fachkräfte ein Wettbewerbsvorteil

Um Fachkräfte anzuwerben sollten Unternehmen auch an deren Kinder denken. Denn für welche Firma sich hochqualifizierte Arbeitnehmer entscheiden, kann vom Angebot an Kinderbetreuung abhängen. Das haben auch Schweizer Firmen erkannt.

Bern. «Ob eine Firma Kinderbetreuung anbietet oder nicht, kann bei der Stellensuche ein entscheidendes Kriterium sein», sagt Talin Stoffel, Geschäftsleiterin des Verbands Kindertagesstätten der Schweiz. Insbesondere für hochqualifizierte Arbeitskräfte sei das Betreuungsangebot ein Kriterium, das immer wichtiger werde.

Genau diese Arbeitnehmer sind sehr gesucht: Der anhaltende Mangel an Fachkräften gilt in den Personalabteilungen der Schweizer Unternehmen als die grösste Herausforderung, wie eine im Mai vom Stellenportal monster.ch veröffentlichte Studie zeigte.

Die Bedeutung der Kinderbetreuung für die Unternehmen nimmt laut Stoffel weiter zu. Und diese reagieren: «In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Firmen, die eigene Kindertagesstätten führen, in der Schweiz stark gestiegen», sagt Stoffel. Zudem würden viele Unternehmen einzelne Plätze bei Kitas einkaufen.

Dank «Müüsliburg» Fachkräfte anwerben

Firmeneigene Kinderbetreuung ist jedoch keine neue Erfindung: ABB Schweiz etwa eröffnete bereits 1966 eine Kinderkrippe. Erst in letzter Zeit baute der Elektrotechnik- und Automationskonzern das Angebot jedoch stark aus. «Seit der Jahrtausendwende haben wir praktisch jedes Jahr eine neue Kinderkrippe eröffnet», sagt Lukas Inderfurth, Mediensprecher von ABB Schweiz, auf Anfrage.

Mit der «Müüsliburg», dem «Chinderdschungel» und elf weiteren Kinderkrippen will ABB Schweiz speziell bei den Fachkräften punkten. «Die Kinderbetreuung kann bei der Wahl des Arbeitgebers ein ausschlaggebendes Argument sein», sagt Inderfurth. «Das ist insbesondere bei hochqualifizierten Arbeitskräften wichtig.»

Nur ein Faktor - aber ein wichtiger

Kinderbetreuung sei ein «entscheidendes Argument», um Fachkräfte zu gewinnen und deren Bindung an das Unternehmen zu stärken, bestätigt auch Roche auf Anfrage. Der Pharmakonzern lässt die Kinder von Angestellten in firmeneigenen Tagesheimen betreuen.

Zwar kann die Kinderbetreuung allein den Arbeitssuchenden kaum überzeugen. «Die Kinderkrippen sind nur ein Faktor - aber ein wichtiger», sagt ABB-Sprecher Inderfurth. Auch andere Arbeitsbedingungen müssten stimmen, damit jemand eine Stelle annehme, beziehungsweise den Konzern nicht verlasse.

Kinderkrippen wirkten sich zudem positiv auf das Image aus, heisst es bei der ABB. Als weiteren Grund für das Engagement des Konzerns nennt Inderfurth die soziale Verantwortung. «Die Gesellschaft hat sich gewandelt, die Work-Life- Balance beispielsweise ist wichtiger geworden.» Hier übernehme die ABB Verantwortung.

Die Kinderbetreuung lassen sich die Unternehmen etwas kosten: Oft teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Ausgaben. Wie viel die Eltern bezahlen müssen, ist dabei meist einkommensabhängig.

Kinderkrippen als Standortvorteil

Auch viele Schweizer Hochschulen bieten Kinderbetreuung an. «Im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Führungskräfte und Mitarbeitende ist das Kinderbetreuungsangebot ein wichtiges Argument», sagt Marcel Biefer von der Stiftung Kinderbetreuung im Hochschulraum Zürich (KIHZ), die vor zehn Jahren von der Universität Zürich und der ETH gegründet worden war.

«Das Kinderbetreuungsangebot ist ein Standortvorteil für die beiden Hochschulen», sagt Biefer. Nach Angaben der Stiftung wird das Angebot von Dozierenden, dem Mittelbau und den Verwaltungsangestellten ungefähr zu gleichen Teilen genutzt. Studierende machen rund zehn Prozent aus.

Die KIHZ-Betreuungsangebote fördern laut Biefer Hochschulangehörige mit Kindern und unterstützen insbesondere die akademische Laufbahn von Frauen. Die Länge der Warteliste belege, dass ein hoher Bedarf an familienergänzenden Betreuungsangeboten bestehe.

Auch KMU buhlen um Fachkräfte

Nicht nur die Hochschulen und grossen Firmen versuchen mit Kinderkrippen Fachkräfte zu gewinnen, wie eine Umfrage der Credit Suisse bei über 1800 kleinen und mittleren Unternehmen zeigte. Spitzenreiter unter den Massnahmen gegen den Fachkräftemangel sei das Angebot von attraktiven Arbeitsbedingungen nichtfinanzieller Art - beispielsweise «flexible Arbeitszeiten, das Angebot von Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder ein gutes Betriebsklima» , heisst es in der im Juni veröffentlichten Studie.

Betriebseigene Kinderkrippen sind jedoch nach wie vor die Ausnahme. Offizielle Zahlen gibt es in der Schweiz dazu keine. In Deutschland haben bisher rund 3 Prozent der Firmen eine eröffnet, wie Untersuchungen ergaben. (Maja Briner/sda)

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