Legal «schnuppern» auch ohne Arbeitsbewilligung
Urteil des Bundesgerichts vom 3. November 2011 (6B_277/2011).
Das Urteil
Für einmal befassen wir uns an dieser Stelle mit einem Urteil der strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts. Der Geschäftsführer eines Restaurants hatte am 18. und 19. August 2009 einen Bewerber für eine Stelle als Küchenhilfe über die Mittagszeit während je maximal 90 Minuten in der Küche probeweise und unentgeltlich arbeiten lassen. Der Stellenbewerber verfügte allerdings nur über einen Ausweis N für Asylsuchende ohne Arbeitsbewilligung. Vier Wochen später, nachdem der Arbeitsvertrag abgeschlossen worden war und die Arbeitsbewilligung eingeholt, konnte der Bewerber die Stelle als Küchenhilfe tatsächlich antreten. Trotzdem wurde der Geschäftsführer im Sommer 2010 von der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Bülach wegen Beschäftigung eines Ausländers ohne Bewilligung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 30 Franken, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von vier Jahren, verurteilt.
Das Obergericht des Kantons Zürich hiess die vom Geschäftsführer gegen den Entscheid erhobene Berufung gut und sprach ihn von Schuld und Strafe frei. Daraufhin zog die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich den Entscheid an das Bundesgericht weiter.
Nach Ausländergesetz wird bestraft, wer als Arbeitgeber vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die in der Schweiz nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Ausübung unentgeltlich erfolgt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sich vor dem Stellenantritt des Ausländers zu vergewissern, dass dieser zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz berechtigt ist. Zu klären galt es nun, ob das Schnuppern bereits als bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren seioder nicht.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft ab. In der Begründung führte es aus, dass die unverbindliche Teilnahme an einem Evaluationsprozess auch ohne Arbeitsbewilligung zulässig sein müsse. Denn für das Einholen der Arbeitsbewilligung ist es notwendig, den abgeschlossenen und unterzeichneten Arbeitsvertrag vorzulegen. Damit es aber überhaupt zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kommen kann, muss der ausländische Bewerber zwingend bewilligungsfrei am Rekrutierungsprozess teilnehmen können. Alles andere wäre weder plausibel noch praktikabel.
Konsequenz für die Praxis
Völlig zu Recht hat das Bundesgericht hier entschieden, dass keine Schwarzarbeit vorliegt. Der Arbeitgeber muss die Möglichkeit haben, einen Stellenbewerber auch ohne gültige Arbeitsbewilligung probeweise arbeiten zu lassen. Anders zu beurteilen wäre die Sache, wenn dem Arbeitgeber von vornherein klar sein muss, dass eine Arbeitsbewilligung nicht eingeholt werden kann, oder wenn der Arbeitgeber gar keinen Arbeitsvertrag anstrebt, sondern lediglich darauf abzielt, einen Bewerber unentgeltlich für sich arbeiten zu lassen.