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Mangelndes Fachverständnis lässt 
Mediation in der Informatik oft scheitern

Im Normalfall spielt das Fachliche bei einer Mediation keine Rolle: Gearbeitet wird am Prozess, nicht am Inhalt. Im Bereich der Informatik stösst die Mediation nach Ansicht der Autorin jedoch schnell an ihre Grenzen. Fachliche Probleme lassen sich nicht messerscharf von zwischenmenschlichen trennen – die Sprache der IT-Welt wird für den Mediator unverzichtbar.

Das Wissen über Mediation als Konfliktbearbeitungsverfahren nimmt in der Öffentlichkeit stetig zu, die Aus- und Weiterbildungsangebote in diesem Bereich sind in der Schweiz zahlreich und vielfältig. Die Komplexität im Berufsleben und die Anforderungen an die Sozialkompetenz der Mitarbeiter steigen. Betrachtet man im Speziellen die Informatik, so weiss man aus der Presse oder aus eigener Erfahrung, dass etliche Informatikprojekte wie zum Beispiel die gescheiterte gemeinsame IT-Plattform von ZKB und BCV oder das Projekt Amarta von Swisslife nicht oder nicht gemäss dem ursprünglichen Plan zu Ende geführt werden – meist mit grossen finanziellen, qualitativen und personellen Folgen, vom Imageschaden für das betroffene Unternehmen ganz abgesehen.

Zwischenmenschlicher Anteil am Misserfolg wird häufig unterschätzt

Könnte man also einige der Probleme in Informatikprojekten mit Mediationsverfahren lösen? Vom Grundsatz her ist das sicherlich möglich, ist doch die Mediation ein Verfahren, in dem alle am Konflikt Beteiligten freiwillig, eigenverantwortlich und gemeinsam mit der Unterstützung eines externen, allparteilichen Dritten eine fall- und problemspezifische Konfliktlösung erarbeiten. Dabei sind die Konfliktparteien die Experten für die Lösung, der Mediator ist für den Prozess, nicht den Inhalt zuständig – und braucht somit auch keinerlei Informatikfachwissen. So weit die Theorie.

In der Praxis ist es jedoch vielfach so, dass die Fachleute in einem Informatikprojekt, welches in Schieflage geraten ist, den zwischenmenschlichen Anteil am Misserfolg nicht erkennen wollen oder können: Mit der Folge, dass eher «problematische» Personen ausgetauscht als die Konflikte wirklich bereinigt würden. Das ist einer der Hauptgründe, warum Mediation in Informatikprojekten zurückhaltend eingesetzt wird.

Ein weiterer Grund liegt in der ganz eigenen Sprachwelt der Informatiker, die mit zahlreichen Abkürzungen von API über B2B und CGI bis XML ein ganzes Lexikon füllen könnte. Obwohl ein Mediator im Normalfall kein Fachwissen aus dem Gebiet der Streitpunkte mitbringen muss, wird er es oft schwer haben, ohne Informatikverständnis von IT-Managern und Projektleitern anerkannt zu werden. Dass der Mediator «nur» für den Prozess zuständig ist, hören die Beteiligten zwar bei der Erläuterung des Mediationsprozesses; sich das vorzustellen, ist jedoch nicht einfach.

Ein grosser Teil der Probleme in Informatikprojekten liegt in der Kommunikation zwischen Informatik und Fachabteilung, es kommt zu Missverständnissen, weil Fachbegriffe unklar sind oder unter demselben Begriff verschiedene Dinge gemeint sind, es ist also regelrechte «Übersetzungsarbeit» nötig. In den Mediationssitzungen benutzen die Parteien selbstverständlich ihre Fachsprache bei der Schilderung der Standpunkte – Aufgabe des Mediators ist es dann, die Aussagen zu hinterfragen und zu vertiefen, um die Interessen hinter dem Gesagten herauszuarbeiten. Ganz im Sinne des Zitats von Ludwig Wittgenstein – «Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt» – wird der Mediator aber die Welt der Informatik nur schwer erfassen können, wenn er deren Sprache nicht spricht.

Teilnehmer flüchten ins Fachliche, wenn es ihnen zu persönlich wird

Doch auch wenn die Projektverantwortlichen erkennen, dass zwischenmenschliche «Unverträglichkeiten» eine massgebliche Ursache für Probleme im Projekt sind und sie sich für eine klassische Mediation entscheiden, kann das nicht ausreichen, um ein Projekt aus der Schieflage zu bringen. Denn die Ursachen liegen eben nicht ausschliesslich in den zwischenmenschlichen Beziehungen – sondern eben auch in den fachspezifischen Problemen wie beispielsweise unzureichendem Projektmanagement, fehlendem Fachwissen, mangelhafter Software, ungenügender Schulung und so weiter.

Zu Fachdiskussionen kann es aber oft kommen, wenn es einem Teilnehmer bei der Ergründung der persönlichen Konflikte in der Mediation zu «heiss» wird: Dann «flüchtet» er gerne in projektspezifische Detailprobleme, in der Hoffnung, dass auch die Beziehungsebene geklärt wird oder zumindest Entspannung eintritt, sobald die Fachprobleme gelöst sind. So findet im Verlauf einer Mediation immer wieder eine Vermischung von Fachthemen und zwischenmenschlichen Konflikten statt. Alle inhaltlichen, projektspezifischen Punkte sollen jedoch per definitionem aus Mediationen herausgehalten werden und in einem weiteren Verfahren, wie zum Beispiel projektbegleitendem Coaching, adressiert werden. Eine solch strenge Trennung ist jedoch kaum praktikabel und wäre den Beteiligten nur schwer zuzumuten.

Deeskalation durch externen 
neutralen Vermittler

Doch wie kann man problematische Projekte dennoch begleiten? Eine Variante, die Beteiligten, dem Projekt und damit dem Unternehmen dient, ist eine Kombination von 
fachlicher Beratung, Coaching und Mediation – eine so genannte Deeskalation. Der Deeskalationsmanager, der ein solches Verfahren leitet, bringt als externer neutraler Vermittler eine neue Sicht ein, unterstützt alle involvierten Parteien gleichermassen unabhängig und bringt sein Fachwissen und seine Erfahrung als Informatiker und Mediator mit ein. Dabei wendet er je nach Fragestellung und Problemfeld die dazu passende Methode an. Dies kann Einzelcoaching für einen Projektleiter sein, kreative Lösungsfindung für ein ganzes Projektteam, beispielsweise mittels Flip-Flop-Technik, oder Erstellen eines unabhängigen Statusberichts für den Projektsponsor, um nur einige Beispiele zu nennen. Im Gegensatz zu einem klassischen Mediator begleitet der Deeskalationsmanager die Beteiligten auch in der Umsetzung der gemeinsam erzielten Vereinbarungen – so können die 
Lösungen in einem fortwährenden Prozess 
an die jeweilige Situation im Projektverlauf angepasst werden.

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Margarete Nuber ist Informatikerin und Mediatorin. Als Geschäftsführerin der Mitigo GmbH widmet sie sich schwerpunktmässig der Deeskalation von Informatikprojekten. Sie bietet auch Vorträge und Schulungen in diesem Bereich an. 

www.mitigo.ch

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