Arbeit und Recht

Massenentlassungen: So handeln 
Unternehmen im Sinne des Gesetzes

Bei Restrukturierungen oder wirtschaftlichen Problemen sind Betriebe oft gezwungen, einen grossen Teil ihrer 
Belegschaft zu entlassen. Je nach Grösse des Betriebs kann dann eine Massenentlassung vorliegen. Für diese 
sind bestimmte gesetzliche Regelungen zu beachten, sonst kann es für den Arbeitgeber teuer werden.

Entlässt ein Unternehmen eine grössere Anzahl von Mitarbeitern aus wirtschaftlichen Gründen, spricht man unter bestimmten Voraussetzungen von Massenentlassungen. Für diese sind besondere gesetzliche Regeln zu beachten: Für Arbeitgeber ist wichtig zu wissen, dass sie bei beabsichtigten Massenentlassungen Informations- und Meldepflichten haben, deren Nichteinhaltung im Streitfall unter anderem die gerichtliche Zusprechung von Strafzahlungen an die betroffenen Arbeitnehmer zur Folge haben kann. Eine sorgfältige rechtliche Abklärung lohnt sich.

Schon zehn Kündigungen können eine Massenentlassung sein

Nicht jede Redimensionierungsmassnahme, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Massenentlassung bezeichnet wird, stellt aber auch eine Massenentlassung im Sinne des Gesetzes dar. Aufpassen müssen Unternehmen, die beabsichtigen, innerhalb von 30 Tagen aus betrieblichen Gründen (wirtschaftliche Probleme, Restrukturierungen) zehn oder mehr Mitarbeitern zu kündigen. Ob in solchen Fällen eine Massenentlassung vorliegt, hängt von der Betriebsgrösse ab:

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In Betrieben mit 20 bis 99 Arbeitnehmern ist das der Fall, wenn mindestens zehn Kündigungen ausgesprochen werden;
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in Betrieben mit 100 bis 299 Arbeitnehmern, wenn mindestens 10 Prozent der Arbeitnehmer gekündigt wird;
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in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmern, wenn mindestens 30 Kündigungen ausgesprochen werden.

Wurde einem Arbeitnehmer gekündigt, weil seine Leistungen ungenügend waren, so ist diese Kündigung für die Beurteilung, ob eine Massenentlassung vorliegt, nicht relevant.

Zu beachten ist, dass nach überwiegender Lehrmeinung die Bestimmungen über die Massenentlassung auch bei Massenänderungskündigungen zur Anwendung kommen, wenn dabei mit der Offerte zu neuen Arbeitsbedingungen auch eine (bedingte) Kündigung ausgesprochen wird für den Fall, dass der Arbeitnehmer die neuen Bedingungen nicht akzeptiert. Zwar bezweckt der Arbeitgeber hier nicht, die Arbeitsverhältnisse zu beenden, nimmt die Beendigung jedoch bewusst in Kauf, falls die Arbeitnehmer die neuen Vertragsbestimmungen nicht annehmen.

Bei einer geplanten Massenentlassung muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung oder – wo keine solche besteht – die Arbeitnehmenden direkt schriftlich über folgende Punkte informieren: die Gründe der Massenentlassung, die Zahl der Arbeitnehmenden, denen gekündigt werden soll, die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer sowie den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen werden sollen. Die Arbeitnehmenden oder deren Vertretung müssen die Möglichkeit haben, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können. Damit die Vorschläge der Arbeitnehmer auch tatsächlich noch einen Einfluss auf den Entscheidungsfindungsprozess des Arbeitgebers haben können, darf dieser nicht mit der Konsultation zuwarten, bis die Massenentlassung bereits definitiv beschlossen ist.

Es empfiehlt sich zudem, den Arbeitnehmern eine angemessene Konsultationsfrist einzuräumen, damit eine seriöse Konsultation überhaupt möglich ist. Wie lange diese Frist sein muss, ist im Gesetz nicht geregelt. Darüber, welche Frist im Einzelfall angemessen ist, lassen sich auch keine allgemeinen Regeln aufstellen. Massgebend sind vielmehr die konkreten Umstände. Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein Tag sicher zu wenig sei, vier bis sechs Wochen jedoch zu viel. Je nach Grösse des Betriebs und Komplexität des Falls wird eine Frist von etwa fünf Arbeitstagen bis zu zwei Wochen angemessen sein.

Kündigung kann bei zu kurzer Frist missbräuchlich sein

Eine Kopie der Mitteilung an die Arbeitnehmer ist dem zuständigen kantonalen Arbeitsamt zuzustellen. Nach Abschluss der Konsultation der Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber dem zuständigen Arbeitsamt die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens sowie alle weiteren zweckdienlichen Angaben zur Massenentlassung schriftlich mitzuteilen.

Wichtig zu wissen ist, dass die Kündigungsfrist für die von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer erst mit der Anzeige des Arbeitgebers an das zuständige Arbeitsamt zu laufen beginnt. Ist ein Arbeitsverhältnis im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt worden, endet es frühestens 30 Tage nach der Anzeige an das Arbeitsamt, ausser wenn die Kündigung nach den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen erst auf einen noch späteren Zeitpunkt hin wirksam wird. Unterlässt der Arbeitgeber die Anzeige an das Arbeitsamt, können die gekündigten Arbeitnehmer deshalb auch nach Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist weiterhin ihren Lohn verlangen, wenn sie dem Arbeitgeber ihre Dienste anbieten. Die Arbeitsverträge verlängern sich so lange, bis allfällige Tätigkeiten des Arbeitsamts nicht mehr sinnvoll sind, etwa weil ein Arbeitnehmer bereits eine neue Stelle angetreten hat.

Eine Massenentlassung, bei der die gesetzlich vorgeschriebene Konsultation der Arbeitnehmer nicht durchgeführt wurde, ist missbräuchlich. Ebenso missbräuchlich sind Kündigungen, die vor Abschluss der Konsultation mit den Arbeitnehmern ausgesprochen werden, oder Kündigungen, die nach einer zu kurzen Frist ausgesprochen werden. Der Arbeitgeber kann im Streitfall zur Zahlung von bis zu zwei Monatslöhnen pro betroffenen Mitarbeiter verurteilt werden.

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Karin Bürgi Locatelli ist Rechtsanwältin und Partnerin in der Zürcher Wirtschafts- und Medienanwaltskanzlei 
Zulauf & Bürgi. www.karinbuergi.ch

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