Mitarbeitende im Homeoffice nicht vergessen

«Aus den Augen, aus dem Sinn.» Dieser Spruch gilt leider oft auch beim Führen von Mitarbeitenden im Homeoffice. Managementberater Hans-Peter Machwürth rät zu regelmässigen Feedbackgesprächen.

Feedbackgespräche gehören in vielen Unternehmen zum Standardführungsrepertoire. Sie steigern die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und ihre Arbeitsmotivation. Ausserdem sind sie für eine systematische Personalentwicklung wichtig. Das ist doch altbekannt!

Hans-Peter Machwürth: Stimmt. Doch leider sprechen viele Führungskräfte schon in normalen Zeiten zu wenig mit ihren Mitarbeitenden über ihre Arbeit sowie den damit verbundenen Erwartungen und Ziele. In Krisenzeiten, in denen die Führungskräfte meist selbst unter erhöhter Anspannung stehen, noch weniger. Insbesondere die Mitarbeitenden im Homeoffice geraten im Führungsalltag dann schnell in Vergessenheit, weil sie nicht physisch präsent sind. Und weil mit ihnen auch der sonst übliche Smalltalk zwischen Tür und Angel oder an der Kaffeemaschine entfällt, findet zwar ein wöchentlicher Video-Call, aber letztlich keine «richtige» Führung mehr statt.

Was können die Unternehmen kurzfristig dagegen tun?

Die HR-Abteilung kann zum Beispiel Richtlinien für die Führungskräfte verfassen, was beim Führen von Mitarbeitenden im Homeoffice zu beachten ist. Schliesslich ist diese Aufgabe für viele noch recht neu. Eine Empfehlung kann lauten: «Führen Sie mit jedem Mitarbeitenden im Homeoffice alle zwei, drei Wochen ein Mitarbeiter- und Feedbackgespräch – sei es per Telefon oder online. Empfohlene Dauer: mindestens 20 Minuten; mögliche Inhalte: …»

Was sollte das Ziel dieser Gespräche sein?

Mitarbeiter- bzw. Feedbackgespräche haben nicht das primäre Ziel, Probleme bei der Alltagsarbeit zu besprechen. Vielmehr soll das Verhalten des Mitarbeitenden und seiner Führungskraft in einem Zeitabschnitt betrachtet werden, um zu klären, wie die Arbeit bzw. Zusammenarbeit verbessert werden kann. Das gilt auch in Corona-Zeiten.

Wie plant man die Gespräche?

Weil in ihnen die Vergangenheit reflektiert werden soll, erfordern Feedbackgespräche eine Vorbereitung von beiden Seiten. Folglich sollten sie terminiert sein. Hinzu kommt, dass Feedback nur wirksam ist, wenn es konkret ist. Hierfür benötigt man Beispiele aus dem Berufs- und Arbeitsalltag.

In vielen Unternehmen sind regelmässige Mitarbeitergespräche Pflicht. Was dazu führen kann, dass Vorgesetzte sie nur führen, um der Personalabteilung «Vollzug» zu melden. Entsprechend schlecht ist dann die Qualität. Diese Gefahr ist besonders gross, wenn die Führungskräfte selbst unter Anspannung stehen – wie jetzt zu Pandemie-Zeiten. In der Praxis empfiehlt sich daher, dass nach jedem Gespräch die Führungskraft und der Mitarbeitende unabhängig voneinander einen Fragebogen ausfüllen.

Welche Fragen sollte der Fragebogen enthalten?

Er kann Fragen enthalten wie: Wie zufrieden sind Sie mit dem Gesprächsverlauf? Wie empfanden Sie die Gesprächsatmosphäre? Wie lange dauerte das Gespräch? Wurden auch Entwicklungsthemen erörtert? Was sollte sich ändern, damit Sie und Ihr Partner vom nächsten Gespräch noch mehr profitieren? Eine solche Rückmeldung an die Personalabteilung garantiert zwar noch keine qualitativ hochwertigen Feedbackgespräche, sie sorgt aber für eine Mindestqualität, die Schritt für Schritt gesteigert werden kann. Das ist gerade in der aktuellen Zeit wichtig, in der alle Beteiligten noch recht wenig Erfahrung mit der virtuellen Zusammenarbeit und dem Führen von Mitarbeitergesprächen per Telefon oder Video-Call haben. Tauchen zum Beispiel in den ausgefüllten Fragebögen immer wieder bestimmte Wünsche der Gesprächspartner auf, kann hieraus eine weitere Empfehlung der HR-Abteilung resultieren.

Wie lange sollte ein Mitarbeiter- oder Feedbackgespräch dauern?

In normalen Zeiten, wenn die Feedbackgespräche nur im Zwei-, Drei-Monatsrhythmus stattfinden, gilt als Faustregel mindestens eine Stunde pro Mitarbeitenden. Denn damit eventuell auch heikle bzw. persönliche Themen angesprochen werden, ist eine entspannte Atmosphäre nötig. Diese gilt es zunächst zu schaffen.

Und in Corona-Zeiten?

Wenn die Gespräche in einer engeren Taktung – zum Beispiel im Drei- oder gar Zwei-Wochen-Rhythmus – stattfinden, ist die Vorgabe «mindestens eine Stunde» bei einer grösseren Führungsspanne meist unrealistisch. Auf alle Fälle sollten die Gespräche aber ohne Zeitdruck und Störungen von aussen erfolgen. Deshalb empfiehlt es sich, sie in den Randzeiten zu führen.

Wie ist ein gutes Feedbackgespräch aufgebaut?

Es besteht aus drei Phasen: Erstens, Reflektion der vergangenen Zeiteinheit – zum Beispiel das zurückliegende Quartal, zweitens, die Einschätzung der aktuellen Situation und drittens der Blick nach vorne.

Wichtig ist, dass der Mitarbeitende auch ein Feedback über seine Stärken und Schwächen erhält. Was macht/kann er/sie gut bzw. weniger gut? Zum Beispiel bei der Selbstorganisation der Arbeit im Homeoffice? Oder beim Nutzen der vorhandenen Kollaborationtools? Oder in der Online-Kommunikation mit Kolleg*innen? Denn jeder Mensch hat blinde Flecken. Also Verhaltensmuster, die uns nicht bewusst sind. Deshalb brauchen wir ab und zu eine Rückmeldung von aussen, damit wir uns über unser Verhalten und seine Wirkung – auch in der Online-Kommunikation und virtuellen Zusammenarbeit – bewusst werden.

Das klingt nach viel Arbeit.

Ja, regelmässige Feedbackgespräche erfordern viel Zeit und Energie – auch wegen der nötigen Vorbereitung. Doch die Investition lohnt sich, denn sie stellt sicher, dass im Arbeitsalltag weniger Unklarheiten herrschen – was wiederum auch den Führungsaufwand schmälert.

Zur Person

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Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer der international agierenden Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), für die weltweit ca. 450 Berater, Trainer, Coaches sowie Projektmanager arbeiten.

 

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Lukas Leist arbeitet unter anderem als Fachjournalist für die PRofilBerater GmbH. Er ist auf die Themen Digitalisierung, Online-Marketing sowie Personalführung und -entwicklung spezialisiert.

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