Mobile Learning: Smartphones können auch schlau machen
Lernen auf Papier? Langweilig! Immer mehr setzen sich Apps und Programme durch, die das Lernen unterwegs auf Smartphones oder Tablets ermöglichen. Doch lässt sich alles in Häppchen lernen? Prof. Dr. Andreas König, Leiter des Zentrums Neues Lernen der School of Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sagt: Ja.
Lernen statt warten: Durch Mobile Learning kann die Zeit zwischen Terminen sinnvoll genutzt werden. (Bild: Keystone)
Herr König, lernen Sie auf Ihrem Mobile Phone?
Andreas König: Ja klar! Es gehört bei uns am Zentrum dazu, dass wir selber aktiv nutzen, worüber wir reden. Ich lerne zurzeit Türkisch mit Hilfe eines Apps und habe grossen Spass daran.
Mobile Learning wird als Lernform der Zukunft gepriesen. Was genau zählt zum Mobile Learning?
Mobile Learning ist eine spezielle Art von e-learning, also technisch- oder internetgestütztem Lernen. Bezeichnend ist, dass es über mobile Endgeräte wie Smart Phones, Tablets oder Spielkonsolen praktiziert wird. Im weiten Sinne gehören auch Netbooks dazu.
Welche Themen eigenen sich besonders fürs mobile Lernen?
Das ist weniger eine inhaltliche Frage. Grundsätzlich eignet sich jedes Thema, wenn es sich ausreichend strukturieren und in kleine Einheiten aufteilen lässt. Am bekanntesten sind wahrscheinlich Sprachprogramme und Sprachapps; diese Karteikartensysteme können jedoch ebenso für andere enzyklopädische oder thesaurusbasierte Stoffgebiete verwendet werden. Komplexe Zusammenhänge wie in der Volkswirtschaftslehre vermitteln wir unseren Lernenden via Smart Phone oder Tablet, die dann auch in «real time» Rückmeldungen zu ihren Lösungen erhalten. Diese Smartpoll genannte App steht übrigens zum freien Download im google playstore bereit.
Für Interaktionen und Abstimmungen im Lernprozess setzen wir eine eigene Software, das sogenannte mobile response-tool ein, das ausser in unserer Hochschule und in unserer Business-orientierten Fachkonferenz, der Swiss-E-Learning Conference (www.SeLC.ch), beispielsweise bei der Kantonspolizei Basel eingesetzt wird. Weitere mobile Applikationen nutzen wir für organisatorisch-administrative Belange, so die SML-App, die unseren Lernern tagesaktuelle Zugriffe auf Hochschulinformationen gibt. Aber auch in anderen Fachgebieten wird oft mobil gelernt, so bei uns in der Physik oder andernorts in der Medizin.
Komplexe Zusammenhänge rasch im Zug lernen - das ist schwer vorstellbar.
Mobile Learning kann bedeuten, dass ich mir als Lerner einen Stoff hole, wie beispielsweise beim Lernen von Sprachen, und diesen (offline) repetitiv übe. Aber es ist inzwischen auch möglich, über Apps zu interagieren. In diesem Fall bekomme ich zum Beispiel Inputs, löse aber selber eine Problemstellung, schick die ab und bekomme dann ein Feedback. Bekannt sind auch Bearbeitungen und eigene Erstellungen mobiler Inhalte, die beispielsweise als ebooks oder in Blogform dargestellt werden.
Für wen ist Mobile Learning geeignet?
Mobile Learning ist sozusagen ein Zeitlücken-Füller. Es ist sinnvoll für alle, die beispielsweise oft lange Warte- oder Reisezeiten haben. Mit Mobile Learning kann diese Zeit sinnvoll genutzt werden. Ein Kollege hat es auch einmal als «das Lernen zwischen Büro und Zuhause» bezeichnet. Der Vorteil dieser Art zu lernen ist also, zeitlich wie auch örtlich Lücken füllen zu können.
Was muss ich beachten, wenn ich als Ausbildungsverantwortlicher in einem Unternehmen Mobile Learning einführen will?
Zuerst geht es um die Fragen: Wie soll und wie kann in unserem Unternehmen gelernt werden. Nicht jeder Lernstoff lässt sich gleich gut in kleine Häppchen aufteilen und nicht überall stehen die gleichen technischen Möglichkeiten zur Verfügung. Beispielsweise soll das Mobile Learning ins Lernumfeld passen und – gerade bei grossen Unternehmen – an die bestehenden Lernplattformen anknüpfen können.
Ebenfalls muss ich mir überlegen, ob ich allen Mitarbeitern Geräte für das Mobile Learning zur Verfügung stellen will oder ob ich davon ausgehe, dass sie die bereits besitzen. Die sogenannte «byod-Strategie» («bring your own device») findet derzeit die breiteste Akzeptanz. Unter Umständen haben dann aber nicht alle die gleichen Möglichkeiten.
Sprechen Sie damit auch die verschiedenen Generationen an? Nutzen junge Mitarbeiter Mobile Learning lieber als ältere?
Das lässt sich nicht generalisieren. In Studien wurde mehrmals nachgewiesen, dass ältere Menschen die am schnellsten wachsende Gruppe sind bei der Nutzung von Social Media und mobilen Endgeräten. Bei den meisten Zielgruppen von Mobile Learning gibt es kein Kompetenzproblem bei der Nutzung und auch die Abdeckung mit den entsprechenden Geräten ist in der Schweiz eigentlich kein Thema.
Was muss denn sonst noch beachtet werden bei der Einführung von Mobile Learning in einem Unternehmen?
Das Unternehmen muss sich überlegen, inwieweit es seine Lernlandschaft öffnen möchte. Auch strategische Überlegungen sind wichtig. Mobile Learning kann eine weitere Form von Ablenkung darstellen. Es handelt sich um dezentrales Lernen, damit ist es weniger gut kontrollierbar. So stellen sich gerade für Unternehmen auch Fragen danach, wie selbstbestimmt, offen und informell sie ihren Lernprozess gestalten wollen und können.
In welchen Fällen ist Mobile Learning nicht geeignet?
Wenn es den Zweck nicht erfüllt und für die Gebrauchssituation nicht sinnvoll ist. Wenn Weiterbildung in einem Unternehmen bisher einen Incentive-Charakter hat und mit einem Aufenthalt in einem schönen Fünfsterne-Hotel verbunden wird, werden sich die Mitarbeiter kaum über neue Mobile-Learning-Weiterbildungen freuen. Ein Aussendienstler aber beispielsweise, der dauernd unterwegs ist und viel Fachwissen benötigt, ist mehr als froh, wenn er schnell recherchieren und das nötige Wissen online abholen kann.
Welche Trends stellen Sie fest im Bereich Mobile Learning?
Mobile Learning selber ist ein starker Trend in den letzten drei Jahren. Seit einem Jahr nimmt die Nachfrage von Hochschulen und Betrieben bei uns am Zentrum massiv zu. Es ist ein Thema in vielen Unternehmungen. Ich vermute, das meiste davon geht in den Bereich Sprachen, aber auch Anfragen für Spezialgebiete nehmen stark zu. Ein Beispiel bei uns ist eine Schulung für technisch hoch entwickelte Simulatoren im Medizinalbereich.
Mit welchen Kosten muss ein Unternehmen rechnen, das Mobile Learning einführen will?
Die Frage lässt sich so nicht beantworten. Es kommt darauf an, ob ein paar Gratis-Apps aus dem Internet genügen oder ob hochkomplexe Programme zusammengestellt und in bestehende Lernarchitekturen eingebettet werden sollen.
Der Interviewpartner
Prof. Dr. Andreas König leitet das Center for Education and New Learning der School of Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die Fachstelle entwickelt Lernapps und Programme für Kunden, forscht, bildet aus und bietet Beratung und Trainings an. König ist zudem Professor in verschiedenen Weiterbildungslehrgängen wie dem MAS in Communication Management and Leadership an der ZHAW und Dozent für HRM. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Unternehmensberatung, Forschung und Entwicklung im Bereich E-Learning und Neue Lernmedien sowie deren Wirkungen auf Organisationen und Gesellschaft.