Die Zukunft des HRM

«Nach dem Zeitalter der Analysten 
erreichen wir das des Menschen»

Die Zukunft bringt Veränderungen, darüber sind sich die HR-Verantwortlichen einig. Dabei gibt es 
verschiedene Stossrichtungen. Bei den einen gewinnen Reports und Analysen an Bedeutung, bei den 
andern rückt der Mensch stärker ins Zentrum.

Valora

HR-Leute müssen Elfenbeinturm verlassen

Susanne Berger: «Ich denke, HR wird sich intern noch stärker hin zu einer internen Business Unit entwickeln – ähnlich wie Finance oder IT. Heute ist unser Bereich im Vergleich zu anderen Supportfunktionen relativ verschwommen: Payroll beispielsweise ist häufig bei Finanzen angegliedert, das Thema insgesamt oft beim COO angesiedelt. Es wird sich sicher durchsetzen, dass HR ein von einem Director eigenständig geführter Business-Bereich wird – und damit eine klare Aufwertung erfährt.

Um wirklich den nötigen Mehrwert für die Unternehmung zu generieren, müssen viele HR-Leute künftig den Elfenbeinturm verlassen, in dem sie sich heute noch befinden, und aufhören, Prozesse um der Prozesse willen zu administrieren. Auf Seiten der Business Partner muss sich das heute falsch verstandene Dienstleistungsverständnis ändern. Es braucht mehr Disziplin, um diese Rolle immer wieder so zu leben, wie sie gemeint ist: als strategischer Partner – mit Betonung auf strategisch.

Ich glaube, es ist sowohl für die Linienmanager als auch für den HR-Verantwortlichen viel bequemer, im klassischen Modell zu verharren. Für die Linie liegt es beispielsweise näher, beim HR nach einem Reglement für die private Nutzung des Internets zu verlangen, als sich selber mit dem Mitarbeitenden auseinanderzusetzen. Und das HR muss dafür seine Komfortzone nicht verlassen. Aber es braucht mehr, um sich den Platz am Tisch zu verdienen.

Vor allem plädiere ich für eine bessere Ausbildung. Heute erlebe ich es oft, dass die Ausbildung die Leute nicht fit genug für ihre Rolle macht. Wir brauchen ein mehr zahlenbasiertes Businessverständnis und starke Persönlichkeiten, die sich auch mal getrauen, Nein zu sagen.

Generell sehe ich rauere Zeiten auf das HR zukommen. Ich glaube, dass in vielen Unternehmen die gleiche Qualität der HR-Dienstleistungen mit weniger Ressourcen zu leisten ist. Ich habe bei Valora selbst in den vergangenen zwei Jahren 12 HR-Vollequivalente und 25 Prozent Kosten reduziert. Im Detailhandel sind wir mit den Margen besonders unter Druck, besonders angesichts der Frankenstärke. Langfristig wird auch HR Controlling ein immer grösseres Thema. Bei Valora haben wir neu die Stelle des HR-Analysten geschaffen, der uns mit Reports und Analysen versorgt. Dieses Profil hat es vorher bei Valora gar nicht gegeben.»

Valiant

Mehr HR-Know-how im 
Verwaltungsrat

Ursula Meier-Bergundthal: «Mit der heutigen Dynamik im Geschäftsleben und den stetig steigenden Ansprüchen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen, braucht es vermehrt Führung und Management von Mitarbeitenden. Das Management ist heute stark gefordert und engagiert; die Agenden von Führungspersonen sind dicht gedrängt. Umso wichtiger ist, dass sich die Unternehmensführung darauf verlassen kann, dass das HR seine Verantwortung wahrnimmt. Es kommt häufiger vor, dass Mitarbeitende Mühe haben, mit Veränderungen mitzuhalten. Fälle von Burnout und Krankheit am Arbeitsplatz nehmen tendenziell zu. Hier hat das HR eine wichtige Rolle inne und es ist von zentraler Bedeutung, dass das HR diesen Themen die nötige Aufmerksamkeit schenkt.

Ein absolut visionärer und sehr kreativer, aber durchaus möglicher Gedanke im Zusammenhang mit der Frage nach zukünftigen Herausforderungen des HR ist folgender: Klassische Funktionsaufteilungen und Strukturen lösen sich auf. Es gibt interne Führungsaufgaben wie Coaching und Mitarbeiterentwicklung, also eher weiche Faktoren. Dann gibt es die sogenannten harten Faktoren, welche vor allem im Umgang mit externen Verhandlungspartnern wie Lieferanten, Kunden und Partnern zum Tragen kommen. In der heutigen Rollenverteilung bei Führungskräften ist es so, dass sie einerseits schwierige Entscheide konsequent treffen und ambitiöse Finanzziele erreichen müssen und andererseits Mitarbeitende motivieren und diese in ihrer persönlichen Entwicklung begleiten sollen. Dies sind unterschiedliche Aufgaben, welche sich eigentlich widersprechen und damit eine grosse Herausforderung sind.

pezifisches HR-Know-how wird zukünftig vermehrt auch auf Stufe Geschäftsleitung ein wichtiges Thema sein. Der HR-Chef muss dabei nicht zwingend Mitglied der GL sein, aber die Nähe zum CEO ist zentral, um auch bei strategischen Themen mitzuarbeiten. Ich bin der Meinung, dass professionelle HR-Kompetenzen in den Verwaltungsräten vertreten sein sollten – was jedoch heute wohl in wenigen Unternehmen der Fall sein dürfte. Der Fachbereich HR hat sich in den letzten 20 Jahren enorm weiterentwickelt und professionalisiert. Richtig eingesetzt, könnte die Wertschöpfung in den Unternehmen noch bedeutend grösser sein. Ich bin überzeugt, dass der Bereich HR noch mehr an Bedeutung gewinnen wird.»

Endress+Hauser

Administratives zurück an die 
Linie

Roland Kienzler: «Aus meiner Sicht steht das HRM vor grundlegenden Veränderungen. Wir lassen das Zeitalter der Analysten hinter uns und erreichen das des Menschen. Künftig werden wir uns immer stärker über den Menschen differenzieren und nicht mehr allein über das Produkt oder die Dienstleistung. Wenn es darum geht, sich um diese Menschen zu kümmern, wird die HR-Arbeit von entscheidender Bedeutung sein. Uns steht gewissermassen ein Comeback der ‹weichen› Seite unserer Disziplin bevor, allerdings ohne das emotionale Element. Hier müssen wir eine Leistung und Expertise anbieten, die nicht kopierbar ist. Gelingt uns diese Transformation nicht, schaffen wir uns selbst ab.

Konkret geht es um Beratung auf Gebieten, mit denen viele Linienmanager Schwierigkeiten haben – um Konflikte, Führungssituationen. Hier kann HR durch Consulting, Coaching und Change Management unterstützen. Diese Angebote nimmt die Linie gern an, denn das Management sieht uns in der Expertenrolle. Dazu gehört, dass wir ein strategischer Partner im eigentlichen Sinne werden – und administrative Dinge, die wir heute erledigen, zurück an die Linie geben. Ich glaube, HR hat in der Vergangenheit zu viele Aufgaben übernommen, die bei uns nicht sinnvoll angesiedelt sind. Dies müssen und können wir der Linie und den Mitarbeitenden nachvollziehbar erklären. Zugute kommt dem HRM, dass die Linie mehr und mehr auch die Sprache und die Denkweise des HRM kennt und versteht. Gerade auch die künftigen Managementgenerationen werden sich in ihrer Ausbildung noch stärker mit Themen zu Personalführung und -kommunikation auseinandersetzen.

Bei Endress+Hauser haben wir in unserer HR-Strategie die Vision, dass wir in alle Entscheide, die Menschen betreffen, mit eingebunden werden wollen: vom Recruiting bis zur Pensionierung. Das trifft natürlich auf sehr viele Unternehmensentscheide zu. Deshalb bin ich überzeugt, dass HR-Themen künftig ein fixer Bestandteil der Unternehmensstrategie sein sollten.»

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