Onboarding: die entscheidenden ersten Tage
Damit der erste Tag am neuen Arbeitsplatz nicht zum Fehlstart wird, muss ein Unternehmen neue Mitarbeitende gezielt integrieren. Und diese Aufgabe beginnt bereits vor dem Stellenantritt.

Sitzt mein Hemd richtig? Mache ich einen guten Eindruck? Hätte ich überhaupt in diesem Unternehmen anfangen sollen? Habe ich mir die Zähne geputzt? Vor dem ersten Arbeitstag in einem neuen Job haben wir uns alle schon solche Fragen gestellt. Umgekehrt geben sich nur die wenigsten Unternehmen vergleichbare Mühe im Umgang mit ihren neuen Mitarbeitern. Laut einer Studie der Aberdeen Group entscheiden 90 Prozent der Neueingestellten in den ersten sechs Monaten, ob sie in einem Unternehmen bleiben oder wieder ausscheiden möchten – für die Bindung eines neuen Mitarbeiters sind sogar die ersten 24 Stunden entscheidend.
Aber die Uhr tickt schon deutlich vor dem ersten Arbeitstag. Natürlich sind alle wichtigen Entscheidungen ohnehin reiflich überlegt. Aber durch Pre-Boarding kann das Engagement des Mitarbeiters bereits vor dem Eintrittstermin gesteigert werden, so dass er voller Zuversicht in das Unternehmen eintritt.
An Universitäten beginnen Orientierungsprogramme schon viele Tage vor den eigentlichen Lehrveranstaltungen. Das dient teilweise logistischen Zwecken wie der Zusammenstellung des Seminarplans, der Wohnunterbringung und der Eingewöhnung am Campus, aber der frühe Beginn dieser Programme ist auch sozial von grosser Bedeutung. In so genannten Summer Orientations können die Studenten soziale Netzwerke aufbauen, potenzielle Mitbewohner treffen und gemeinsame Aktivitäten erleben. Studenten, die solche Möglichkeiten nutzen konnten, sind schon sozial integriert, wenn sie auf dem Campus eintreffen und können sich daher viel leichter akklimatisieren.Auch Unternehmen sollten vergleichbare Pre-Boarding-Massnahmen nutzen. Zentral sind dabei die folgenden vier Komponenten: Lernen, Zielsetzung und Erwartungen, Aufbau sozialer Netzwerke und Logistik.
Lernen
Erfolgreiche Unternehmen verfügen über Positionsprofile, die modellhaft die für effektives Arbeiten erforderlichen Fähigkeiten und Kompetenzen darstellen. Anhand eines individuell zugeschnittenen Lern-Curriculums, das auf im Einstellungsverfahren beim Kandidaten erkannten Lücken aufbaut, kann das Unternehmen dem neuen Mitarbeiter schon vor dem Eintritt Schulungen anbieten. Durch Lernen vor Ort oder online wird der Mitarbeiter frühzeitig einbezogen. Dadurch werden Kompetenzlücken schneller geschlossen und der Erfolg in der neuen Position gefördert. Werden die Lücken bei neuen Mitarbeitern nicht schnell geschlossen, können Unternehmen laut einer Studie der Mellon Financial Corporation Kosten von 1 bis 2,5 Prozent des Gesamtumsatzes entstehen.
Zielsetzung und Erwartungen
Zu den Positionsprofilen gehört oft auch ein Katalog von Zielen und Erwartungen. Sie werden aber nur selten in definierte 180-Tage-Pläne übersetzt, an denen sowohl der Mitarbeiter als auch das Unternehmen gemessen werden. Die Ziele sollten teils job- und teils unternehmensspezifisch sein. Auf beiden Ebenen müssen die Ziele des neuen Mitarbeiters so gestaltet sein, dass sie sowohl den Erfolg als auch die Einbindung des Mitarbeiters für mehr als sechs Monate sichern. Hat ein Bewerber eine Stelle angenommen und steht der Eintrittstermin fest, sollten die Personalverantwortlichen bereits vor dem ersten Arbeitstag gemeinsam mit dem neuen Mitarbeiter vernünftige Ziele entwickeln. Sie sollten ihn zudem eingehend über das System für Mitarbeiterbeurteilungen und -gespräche informieren, damit er die Erwartungen an seine Arbeit während der ersten sechs Monate genau kennt und Missverständnisse ausgeschlossen sind.
Logistik
Die logistische Orientierung neuer Mitarbeiter am ersten Arbeitstag erfolgt traditionell über die Sammlung der relevanten Papiere, die Auswahl der Nebenleistungen und die Einführung in das physische Arbeitsumfeld. Mit einem Pre-Boarding-Programm können Unternehmen diese logistischen Aspekte schon vor dem Eintrittstermin durchführen.
Unternehmen mit einem Pre-Boarding-Programm, das technologisch auf dem neuesten Stand ist, können Formulare, die traditionell auf Papier vorliegen, schon vor dem Eintrittstermin elektronisch versenden, ausfüllen lassen und prüfen. Zudem kann der Mitarbeiter die Nebenleistungen einsehen und auswählen, die lokalen Zugriffsmöglichkeiten der Kollegen identifizieren und ergonomische Präferenzen bezüglich der Einrichtung seines Arbeitsplatzes angeben. In Zusammenarbeit mit dem neuen Mitarbeiter können die Verantwortlichen die Visitenkarten bestellen und den Sicherheitsausweis für den Zugang zum Gebäude sowie die am ersten Arbeitstag erforderlichen Geräte und Arbeitsmittel bereitstellen. Dieser schrittweise Pre-Boarding-Prozess gewährleistet, dass sich der Mitarbeiter schon vor dem Eintritt für das Unternehmen engagiert.
Ein Teil des Teams werden
Traditionell gehört zum ersten Tag auch ein Geschäftsessen, um neue Mitarbeiter mit Teamkollegen und Management bekannt zu machen. Mitunter wird diese Veranstaltung als unangenehme Herausforderung empfunden. Aber sie ist sehr wichtig, damit der neue Mitarbeiter Gesichter und Namen zuordnen kann, die Unternehmenskultur erlebt, die verschiedenen Funktionen überschaut sowie die unterschiedlichen Persönlichkeiten kennen lernt. Laut einer Studie von SelectMinds beurteilen 74 Prozent der neuen Mitarbeiter eine solche Einführungsveranstaltung als sehr hilfreich, um im neuen Job auf Touren zu kommen.
Es gibt darüber hinaus verschiedene Möglichkeiten, um dem neuen Mitarbeiter schon vor dem Eintrittstermin dabei zu helfen, sich ein soziales Netzwerk aufzubauen. Dieser Aufbau der Beziehungen beginnt bereits mit der Interaktion während dem Interviewprozess, und die Beziehungen können im Anschluss durch ein gemeinsames Essen, beim Kaffee oder auch durch ein Telefonat vor dem Eintrittstermin weiter ausgebaut werden.
In der globalisierten Welt bietet die Technik den Unternehmen viele Vorteile: Mit ihrer Hilfe können neue Mitarbeiter die Kommunikation in virtuellen Communities nutzen, die ja ebenfalls soziale Netzwerke sind. Internetseiten wie beispielsweise Facebook und LinkedIn unterstützen die Bildung solcher Netzwerke und erleichtern dem neuen Mitarbeiter die Kommunikation. So kann er sich schon vor dem Eintrittstermin mit seinen neuen Kollegen persönlich vertraut machen.
Onboarding ist ein sehr wichtiger Prozess. Wird er bereits vor dem Eintrittstermin des neuen Mitarbeiters zum Abschluss gebracht, ist dieser bereits an seinem ersten Arbeitstag optimistisch und motiviert. Unternehmen mit optimalen Verfahren im Bereich des technologisch gestützten Pre-Boarding haben eine kürzere Time-to-Productivity sowie höheres Engagement und geringere Fluktuation unter den Mitarbeitern.