Personalinformatik stärkt strategische Position des HRM
Fast kein Fachbereich ist im Unternehmen so stark vernetzt, hat so viele Stakeholder wie das HRM. In dieser Tatsache liegt aus Sicht der HR-IT oft ein strategisches Alleinstellungsmerkmal für das HRM brach: Wegen der abteilungs- und prozessübergreifenden Verwendung von Personaldaten in allen Bereichen des Unternehmens haben gerade HR-IT-Systeme das Potenzial, als zentrales Rückgrat für Betriebsdaten zu dienen. Ein solches System wird allerdings kaum ohne eine vom Fachbereich proaktiv geführte HR-IT-Roadmap entstehen.

In der Praxis beobachtet man leider häufig, dass Technologieprojekte im Personalumfeld ausschliesslich auf unmittelbare HR-Bedürfnisse fokussiert sind. Die Interessen anderer Anspruchsgruppen, die ebenfalls auf Personaldaten zugreifen müssen, bleiben oft aussen vor; neue Schnittstellenprobleme sind vorprogrammiert und redundante Datenhaltung die unausweichliche Folge. Meist steht die Wahl des möglichen Systems an erster Stelle, und die Bedürfnisse des Fachbereichs sind der Killerkriterien-Katalog für jedes System. Bestehende Prozesse sollen möglichst eins zu eins abgebildet werden, und eine lange Liste mit allgemein gehaltenen Fachanforderungen soll mit der einzuführenden Lösung auch noch befriedigt werden.
Das Resultat dieses Vorgehens ist meist eine wenig nachhaltig gestaltete IT-Architektur, die als Insellösung kaum (Mehr-)Wert generieren kann, weil sie im Grunde genau das leistet, was die bisherigen Altsysteme bereits boten. Werden bestehende Prozesse nicht in Frage gestellt, verpasst man Chancen zur echten Modernisierung und strategischen Positionierung.
Zentrale Bedeutung für viele andere Businessbereiche
Strategisch nachhaltige Ergebnisse in der Personalinformatik verlangen bereits im Vorfeld der Umsetzung intensive konzeptionelle Arbeit auf Ebene des Geschäftsmodells von HR, der Prozesse sowie der Integration in Partnerorganisationen von HR wie Finance, Logistik und Unternehmens-IT. Erst ganz am Schluss dieses anspruchsvollen Gestaltungsprozesses geht es bei der Umsetzung um IT-Systeme, Server und Workflows. Die Schlüsselfrage aber bleibt: Inwieweit sind die Personalbereiche bereit, ihr Geschäftsmodell, ihr Service-Portfolio und ihre Prozesslandschaft zu hinterfragen?
Im Personalbereich eines Unternehmens entsteht ein grosser und wichtiger Teil der unternehmensweiten Betriebs daten. Personaldaten sind von zentraler Bedeutung für andere Businessbereiche, etwa in der Informatik für die Vergabe von Berechtigungen, im Finanzbereich für die Verrechnung von Leistungen, im Bereich des Gebäudemanagements für die Freigabe von Zutritten, für die Erfassung von Leistungen in der Produktion oder in der Einsatzplanung für Aussendiensteinsätze von Mitarbeitenden. Überall in diesen Bereichen werden Personalstammdaten verwendet und/oder Bewegungsdaten aus Personalsystemen für die Weiterverarbeitung herangezogen.
Man kann zwischen einer vertikal (in den verschiedenen Bereichen innerhalb HRM) und horizontal (über HRM hinaus in Bereiche wie Finance, IT oder Produktion) integrierten Sicht auf die Personalinformatik unterscheiden. Diese beiden Perspektiven umreissen die Nutzenpotenziale von HR-IT-Projekten. Sie stellen die Suchfelder dar, in denen Bedürfnisse von HR und von anderen Businessbereichen identifiziert werden können.
Ressourcenintensive Vorarbeit braucht einen langen Atem
Die Personalinformatik sollte konsequent aus der Perspektive des Business aufgebaut und weiterentwickelt werden, damit sie die Unternehmensstrategie bestmöglich unterstützt. Eine der Schlüsselfragen ist dabei die nach dem Geschäftsmodell für HR, mit dem die erarbeitete HR-Strategie optimal umgesetzt wird: Ob mit einem HR-Bereichsleitungsmodell, einem Business-Partner-Ansatz oder einem auf hohe Arbeitsteilung ausgelegten HR-Shared- Services-Modell gearbeitet wird, ist für alle nachfolgenden Aktivitäten richtungsweisend.
Ein HR-Service-Delivery-Modell kann als Startpunkt für die Beschreibung des aktuellen HR-Geschäftsmodells dienen. Das generische Modell beschreibt, welche Leistungen die HR-Abteilung gegenüber der Linie wie erbringt. Dieses Modell wird vertieft, bis eine exakte Topografie der im Unternehmen abgewickelten Personalprozesse steht. Zentrale Frage hier: Gehören wirklich alle Services und Prozesse der Prozesslandkarte zum Kerngeschäft des HRM in diesem Unternehmen?
Die Einführung einer HR-IT-Architektur kann ohne vorausgehende Prozessarbeit keine substanziellen Optimierungen bieten. Die Erfahrung zeigt, dass diese sehr ressourcenintensiv ist und einen langen Atem verlangt. Dies sind auch die wichtigsten Gründe dafür, dass diese Aufgabe selten angefangen und noch seltener wirklich zu Ende geführt wird.
Vertikale Integration – Activity-Based Costing als Navigationshilfe
Zusätzliche Indizien für Schwerpunkte bringt eine Analyse der Personalprozesskosten. Bereits stichprobenartige Auswertungen lassen Schlussfolgerungen auf kostenintensive HR-Abläufe zu, bei denen sich der Technikeinsatz eventuell auszahlt.
Willkommener Nebeneffekt einer intensiv geführten Prozessarbeit ist eine Schärfung des Service-Portfolios. Im Ringen um Form und Verlauf von HR-Prozessen kommt es unweigerlich zu Fragen der Priorität einzelner Abläufe. Wer diese Fragen zulässt und offen nach Antworten und Ideen sucht, hat gute Chancen, innovative Lösungen zu finden. Swisscom konnte beispielsweise nach einer konsequent und intensiv geführten Integrationsdiskussion die physischen Personalakten vollständig digitalisieren und die Arbeitsvertragserstellung automatisieren. Gleichzeitig wurde die Grundlage geschaffen, zukünftig von Mitarbeitenden ausgefüllte HR-Formulare direkt in das Personalinformationssystem einzulesen. Das sind einschneidende Veränderungen auf pro zessualer und technischer Ebene, die langfristig die strategische Position und den Mehrwert des HRM ausbauen und stärken.
In Unternehmen werden Personaldaten oft in unterschiedlichen Systemen geführt und gepflegt. Die so entstehende zeitlich und inhaltlich heterogene, inkonsistente und redundante Datenhaltung ist eine der grössten Fehlerquellen und ein Schwarzes Loch für Ressourcen und Kosten. Das Optimierungspotenzial ist in der Regel enorm.
Gelingt die horizontale Integration, und stellt das Personalinformationssystem diese Daten als zentrale Instanz für sämtliche im Unternehmen verwendeten Anwendungen zur Verfügung, dann kann es zum zentralen Betriebsdaten-Backbone, dem Rückgrat der Betriebsdaten, avancieren.
Der Mehrwert einer integrierten Personalinformatik
- Die HR-IT ist die zentrale Quelle und der Backbone für sämtliche Betriebsdaten im Unternehmen.
- Die Integration in die Umsysteme von HR beschleunigt die Nutzung der Personaldaten und stellt deren zeitnahe Aktualisierung sicher.
- Technologie kommt dort zur Anwendung, wo sie bewusst Nutzen stiftet, und wird nicht im Giesskannen-Prinzip implementiert.
- Nachhaltige Architekturen schützen die getätigten Investitionen und stellen die Entwicklungsfähigkeit der Systeme sicher.
- Nachhaltigkeit in den Systemen bedingt intensive Prozessarbeit, die wiederum wertvolle Transparenz in die Kostenstruktur von HR bringt: die Grundlage für sinnvolle Optimierungsstrategien.
- Die Wahl des Systems und die Gestaltung der Architektur erfolgen aufgrund von Fakten und können daher nachvollziehbar argumentiert werden.
Mix aus Standard- und Speziallösungen ist oft optimal
Das Einbeziehen aller Personaldaten nutzenden Interessensgruppen kann der Personalinformatik ein neues, bisher nicht gekanntes Gewicht verleihen. Die Erfahrung zeigt, dass mit einer konsequenten Integrationsarbeit der Wertbeitrag von HR im Unternehmen über den Aufbau eines Betriebsdaten-Backbones massiv steigt und in der Linie bewusst wahrgenommen wird. Natürlich steigen auch die Erwartungen an sowie die Verantwortung von HR in diesem Prozess.
Sind die Prozesse analysiert und eine integrative Sicht auf die HR-Datenlandschaft erarbeitet, muss das Unternehmen entscheiden, ob es für alle Aufgaben auf ein einziges Standardsystem setzt, oder ob es in einem Best-of-Breed-Ansatz jeweils individuelle Systemkomponenten und Module für einzelne Prozesse einsetzen will.
Die Faustformel lautet: Liegt das Gros der HR-Kosten in administrativen Massenprozessen, so ist ein Standardsystem zu empfehlen. Best-of-Breed-Lösungen sollten für jene erfolgskritischen Prozesse reserviert bleiben, in denen sich das Unternehmen von Konkurrenzfirmen differenzieren kann. So besteht die optimale Architektur oft aus einem Mix aus Standard- und Speziallösungen.
Eine saubere Analyse und Vorarbeit ist in dieser Phase unverzichtbare Entscheidungsgrundlage. Wer hier lediglich auf sein Bauchgefühl oder nur auf Empfehlungen von firmenunkundigen Experten setzt, ist verloren. Ohne Transparenz bei den Kosten und Prozessen werden die Entscheider zum Spielball von Beraterempfehlungen und bunten Herstellerprospekten. Sinnvoll ist der Einsatz von Beratungsleistung in der Prozessbegleitung, also der Gestaltung und der Moderation der Prozess- und Evaluationsarbeit.
Auch in HR-IT-Projekten sind es die kleinen Dinge des Projektalltags und der Vor- und Nachbereitung, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Zentral ist, dass der Fachbereich den Projektlead hat und diese Führungsrolle nicht an die IT-Abteilung oder an eine Beraterfirma delegiert. Nur wenn das HRM selber im «Driver Seat» sitzt, ist sichergestellt, dass die technischen Projektteams wissen, was von ihnen verlangt wird.
Ohne klare Vorstellung davon, was das fertige System leisten muss, können die technischen Projektteams nicht erfolgreich arbeiten. Je genauer der Fachbereich argumentieren kann, was er will und was er braucht, desto präziser werden das Design und die Umsetzung durch die Technik erfolgen.
Auch hier ist die Vorarbeit in der Strategie, dem Modell und den Prozessen der Grundstein für die erfolgreiche Umsetzung.
Nicht mit Outsourcing am falschen Ende sparen
Bereits in der Planung ist zu entscheiden, wie die zukünftige Systemarchitektur betrieben und weiterentwickelt werden soll: Ein unternehmensinternes Spezialistenteam ist nur für Grossfirmen finanzierbar. Die Lösung über einen externen technischen Partner spart in der Regel Geld, bringt aber Nachteile wie längere Reaktionszeiten und ein weniger fundiertes Verständnis der internen Prozesse mit sich.
Outsourcing-Ideen sind sehr kritisch zu prüfen. Der Erfolg von Betriebskonzepten hängt von sehr vielen Komponenten ab, zum Beispiel von der Gestaltung der internen und externen Betriebsorganisation oder von der Detailgestaltung des Betriebsvertrages mit Service-Level und Supportfunktionen. Viele Projekte und anschliessende Betriebskonzepte sind daran gescheitert, dass der Outsourcing-Partner die Prozesse nicht tadellos beherrscht hat. Oft werden Folge- und Nebenkosten ignoriert: Die Konsequenzen längerer Reaktionszeiten bei Systemproblemen, nicht im Betriebsvertrag enthaltener Maintenancekosten oder fehlender Skalierbarkeit der technischen Systemarchitektur werden vernachlässigt. Der Fokus liegt einseitig auf vordergründigen Einsparungen. Fehlentscheidungen sind dann vorprogrammiert.
Das nachfolgende Modell, das in der Firma Cisco Systems Verwendung gefunden hat, unterstützt die Entscheidungsfindung auf einfache, aber effektive Art und Weise.
Wichtige Merkpunkte für das technische Umsetzungsprojekt
- Der Fachbereich braucht mindestens ein halbes Jahr Vorsprung für die Entwicklung des Anforderungsprofils (Spezifikation) für das IT-Projektteam. Der Fachbereich führt in der Umsetzung und nicht die IT.
- Delegieren Sie die besten Fachleute in das Umsetzungsprojekt – Halbwissen ist der Killer für jedes IT-Projekt.
- Auch wenn es fast unmöglich erscheint: Stellen Sie diese Experten zu mindestens 50 Prozent ihrer Arbeitszeit für das Projekt frei. Fehlende Aufmerksamkeit des Fachbereichs für das Projekt führt zu Fehlern/Mängeln in der Spezifikation und in der Absprache mit dem technischen Projektteam.
- Bringen Sie die IT-Spezialisten und die HR-Profis im gleichen Projektraum zusammen – virtuelle Projekte funktionieren in dieser Komplexität auch heute noch nicht.
- Sorgen Sie für ein professionelles Training für die Veränderungsbegleitung. Die Akzeptanz eines Systems hängt stark von einer angemessenen Schulung ab.
- Setzen Sie auf interdisziplinäre Teams. Binden Sie die wichtigsten Interessensgruppen wie Finance, Logistik und vor allem die Linie in Ihr Projekt ein.
- Stellen Sie sicher, dass es in den ersten beiden Monaten nach der Einführung noch eine enge Begleitung durch das technische Projektteam gibt. Ein Projekt ist nach dem Migrationsdatum noch nicht abgeschlossen.
- Beachten Sie mögliche Compliance- und Sicherheitsaspekte im Umsetzungsprojekt. Ziehen Sie Spezialwissen aus Revision und Security bei.
- Mit der Einführung einer HR-IT-Architektur beginnt auch deren Weiterentwicklung. Implementieren Sie einen angemessenen Entwicklungsprozess.
- Übergeben Sie die Verantwortung für die HR-IT einer ausgewählten Person in Ihrem Unternehmen.