Arbeit und Recht

Personenfreizügigkeit: Flankierende Massnahmen funktionieren gut

Die Personenfreizügigkeit mit der EU hat das Wirtschaftswachstum angekurbelt und der Schweiz entgegen mancher 
Befürchtungen zu einem hohen Wirtschaftswachstum verholfen. Gegen negative Entwicklungen wie Lohn- und Sozialdumping wurden flankierende Massnahmen geschaffen, die ihre erhoffte Wirkung entfalten konnten: Erfahrungen aus Sicht einer Vollzugsbehörde.

Sechs Jahre nach Einführung des Freizügigkeitsabkommens im Personenverkehr zeigt sich, dass sich die schrittweise Öffnung des Arbeitsmarktes äusserst positiv auf die Wirtschaft und den Wohlstand in der Schweiz ausgewirkt hat. Firmen können einfacher die geeigneten und nötigen Fachkräfte rekrutieren sowie ihr Personal in die EU entsenden. Dieser Umstand hat es den Firmen in der Schweiz ermöglicht, in den vergangenen zwei Jahren 180 000 Vollzeitstellen zu schaffen, und hat der Schweiz zu einem hohen Wirtschaftswachstum verholfen. Gleichzeitig zeigt sich, dass sich die Befürchtungen hinsichtlich Lohn- und Sozialdumping im Zusammenhang mit der Öffnung des Arbeitsmarktes nicht bewahrheitet haben. Gegen allfällige Risiken hat sich die Schweiz mit flankierenden Massnahmen und einer kontrollierten, schrittweisen Öffnung des Arbeitsmarktes abgesichert.

Die Zuwanderung hat sich folglich kontrolliert und gemäss den Bedürfnissen der Wirtschaft entwickelt. Im Gegensatz zur vermehrten Zuwanderung von EU-Staatsangehörigen ist die Zahl der zugewanderten Drittstaatsangehörigen rückläufig und hat zu keiner zusätzlichen Arbeitslosigkeit geführt. Sie ging in den letzten vier Jahren um mehr als ein Viertel zurück.

Sanktionen bei Lohndumping zeigen erwünschte Wirkung

Die generell sehr gut qualifizierten Arbeitnehmer aus der EU verdrängen nicht Schweizer von ihren Arbeitsplätzen, sondern fanden vor allem in Branchen mit hohem Wachstum neue Stellen. Das hohe Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre wäre ohne die Öffnung des Arbeitsmarktes gegenüber der EU und die damit verbundenen verbesserten Rekrutierungsmöglichkeiten nicht denkbar gewesen.

Mit der Einführung des freien Personenverkehrs wurden flankierende Massnahmen geschaffen: Das Entsendegesetz verpflichtet ausländische Arbeitgeber, ihren in die Schweiz entsandten Arbeitnehmern die in der Schweiz geltenden minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen gemäss den entsprechenden schweizerischen Vorschriften zu gewähren. Bei wiederholter missbräuchlicher Unterbietung der üblichen Löhne können in der betroffenen Branche verbindliche Mindestlöhne eingeführt werden.

Zu letzterer Massnahme besteht jedoch kein Anlass: Im Kanton Zürich wurden im Jahr 2008 4425 Arbeitnehmer in Branchen ohne einen allgemeinverbindlich erklärten GAV hinsichtlich Einhaltung der Arbeits- und Lohnbedingungen kontrolliert. Dabei wurde in 120 Fällen (2,7 Prozent) eine Unterbietung der üblichen Arbeits- und Lohnbedingungen festgestellt. In den meisten Fällen konnte im Anschluss eine Verständigung erzielt werden. So wurden vorenthaltene Lohndifferenzen nachbezahlt und die Arbeitsverträge angepasst. Die überwiegende Mehrheit der in der Schweiz tätigen in- und ausländischen Arbeitgeber hält die Lohnstandards ein, es konnte kein Sinken des Lohnniveaus festgestellt werden. Im Gegenteil, die Löhne sind gerade im Tieflohnsegment überdurchschnittlich angestiegen.

In den sensiblen Branchen, in denen ein allgemeinverbindlich erklärter Gesamtarbeitsvertrag existiert und die Gefahr von Lohn- und Sozialdumping besonders gross erscheint, werden im Falle von Verstössen gegen die Arbeits- und Lohnbedingungen gegenüber den fehlbaren Arbeitgebern Sanktionen – von Bussen bis zum Erlass eines Dienstleistungsverbotes – ausgesprochen.

Die Kontrolltätigkeit wurde in der ganzen Schweiz in der letzten Zeit massiv verstärkt und gezielt in sensiblen Branchen durchgeführt (Bauhaupt- und Baunebengewerbe, Detailhandel, Gartenbaugewerbe, Landwirtschaft, Personalverleih, Reinigungs- und Transportgewerbe). Ebenso wurde die Sanktionspraxis verschärft. Die Sanktionen zeigen Wirkung, so wurde nur eine sehr geringe Zahl von Betrieben rückfällig. Ausserdem ist durch die hohe Kontrollintensität, insbesondere der ausländischen Entsendebetriebe, ein präventiver Effekt gewährleistet.

Die Zuwanderung von Arbeitskräften aus den neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten fiel geringer aus, als erwartet worden war. Im Jahr 2007 wurden die Kontingente für Daueraufenthalter nur zu 57 Prozent und für Kurzaufenthalter zu 73 Prozent ausgeschöpft. Demzufolge ist auch mit keinem Ansturm rumänischer und bulgarischer Arbeitskräfte zu rechnen, denn auch gegenüber Rumänien und Bulgarien gelten Übergangsvorschriften: Während sieben Jahren wird die Zuwanderung durch Kontingente limitiert, bei Anstellungen haben einheimische Arbeitnehmer Vorrang, und Lohn- sowie Arbeitsbedingungen werden vorgängig von den Behörden kontrolliert. Falls die Zuwanderung nach Ablauf der siebenjährigen Übergangsfrist unerwünscht hoch sein sollte, können während weiterer drei Jahre wieder Kontingente eingeführt werden.

Negatives Votum würde Schweizer Firmen erheblich schwächen

Bei einem negativen Votum zur Weiterführung und Ausdehnung der Personenfreizügigkeit würden aufgrund der vertraglichen Verknüpfung der Bilateralen I auch die übrigen Bilateralen I automatisch ausser Kraft gesetzt. Dadurch verlöre die Schweiz ihren gleichberechtigten Zugang zum EU-Markt, die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Firmen würde erheblich geschwächt. Einseitige Zulassungsregeln der Schweiz im Falle eines Neins sind keine geeignete Alternative zu einem geöffneten Arbeitsmarkt, denn die Rückkehr zu den Bewilligungsverfahren ist einerseits administrativ aufwändiger, andererseits besteht bei Anstellungen von ausländischen Arbeitskräften eine Unsicherheit, da kein Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung besteht. Dies würde den Standort Schweiz für Fachkräfte und Unternehmen unattraktiver machen. Doch stabile und attraktive Rahmenbedingungen sind für unsere Wirtschaftsbeziehungen zu unserem wichtigsten Wirtschaftspartner, der EU, gerade in unsicheren Zeiten besonders wichtig.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Dr. Peter Meier ist Anwalt im Amt für Wirtschaft und Arbeit, Ressort Arbeitsbedingungen, des Kantons Zürich.

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Lic.iur. Beat Werder arbeitet beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich.

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