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Plädoyer für eine kostenpflichtige 
Personaldienstleistung

Der klassische Personaldienstleister gewährleistet seinen Firmenkunden einen beachtlichen Vorschuss. Häufig arbeitet er sogar zum Nulltarif. Im üblichen Businessmodell erhalten Unternehmen, die Hilfeleistung bei der Rekrutierung von Personal suchen, kos-tenlos Beratung und Unterstützung vom Personaldienstleister. Dieser aktiviert auf die Anfrage des Unternehmens hin seine Rekrutierungskanäle, prüft eingehende Bewerbungen, führt Interviews mit Stellensuchenden, sucht im Pool seiner Bewerber, präsentiert diesen die Vakanz des Kunden, stellt Bewerberdossiers zusammen und reicht diese dem Unternehmen ein. Diese Arbeit erfolgt in der Regel gebührenlos.

Möchte der Kunde eine Bewerberin kennenlernen, koordiniert der Personaldienst-leister das Vorstellungsgespräch und bereitet die Kandidatin darauf vor. Der Personaldienstleister steht dem Kunden für eine persönliche Einschätzung der Kandidatin und andere Rückfragen zur Verfügung. Ist der Kunde nicht überzeugt, sucht der Personaldienstleister nach alternativen Kandidaten. Auch diese Folgearbeit ist normalerweise kostenlos.

Erst wenn eine Firma beschliesst, eine der vorgeschlagenen Bewerber einzustellen, stellt der Personaldienstleister Rechnung. Kommt es nicht zum Abschluss – weil das Unternehmen über andere Kanäle eine passendere Mitarbeiterin gefunden hat –, muss der Personaldienstleister den geleisteten Aufwand abschreiben.

Die Gratiskultur dient im Endeffekt niemandem

Die Beteiligten sind dieses Businessmodell gewohnt, doch es hat verschiedene 
nachteilige Konsequenzen. Ein alternatives Geschäftsmodell mit einer Gebühr für die Auftragsbearbeitung würde die Personaldienstleistung in verschiedener Hinsicht verändern, manche störenden Konsequenzen beseitigen und allen Beteiligten zum Vorteil gereichen.

Doch zunächst zu den Konsequenzen: Die «Hemmschwelle» für eine Unternehmung, 
im Rekrutierungsverfahren einen Personaldienstleister beizuziehen, ist kaum existent, denn es kostet sie nichts. Dasselbe gilt für die Hemmschwelle, gleich mehreren Personaldienstleistern einen Suchauftrag zu erteilen. Dies führt dazu, dass Personal suchende Firmen ohne nähere Vorbereitung zum Teil wahllos an Personaldienstleister treten. Bei der Wahl anderer Dienstleister, wie z.B. Telefonieanbieter, Vermögensverwalter oder Baumeister, würde man dagegen Offerten einholen und diese vergleichen, bevor man einen Auftrag vergibt. Solche Vergleichsanalysen unterstützen den Wettbewerb zwischen den Anbietern und sorgen dafür, dass sich diejenigen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis durchsetzen.

Wenn die Personal suchenden Unternehmen eine solche Analyse aber unterlassen und deswegen nicht nur die Besten beauftragen, verzerren sie den Wettbewerb zwischen den Personaldienstleistern. Sie verhindern, dass unzureichende Anbieter vom Markt verschwinden, und legen den tüchtigen Personaldienstleistern damit Steine in den Weg.

Wenn Kunden nichts bezahlen für eine Dienstleistung, erscheint ihnen die sorgfältige Prüfung, ob ein Anbieter auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist, als unwichtig oder gar ineffizient. Womöglich sind sie sich ihrer Erwartungen gegenüber dem Personaldienstleister gar nicht so genau bewusst und können diese somit nicht präzis kommunizieren. Das aber erschwert es dem Personaldienstleister, kundengerecht zu arbeiten. Es fehlen ihm wichtige Informationen über das rekrutierende Unternehmen, die spezifische Vakanz, die Erwartungen an den beruflichen und persönlichen Hintergrund der einzustellenden Person.

Die Unternehmen schaffen sich mit diesem Verhalten viel Nachbearbeitungsaufwand, denn die Kandidatenvorschläge der beauftragten Personaldienstleister wollen geprüft werden. Je mehr Personaldienstleister beigezogen wurden, desto mehr Kandidatendossiers gehen ein. Und je weniger treffend die Unternehmung ihre Bedürfnisse kommuniziert hat, desto mehr unpassende Dossiers muss sie bearbeiten. Eine adäquate Vorbereitung des Auftrags an den Personaldienst-
leister wäre also durchaus effizient, um sich diesen Aufwand zu sparen und die Trefferquote zu erhöhen. Eine Hemmschwelle in Form einer Gebühr für die Inanspruchnahme der Personaldienstleistung würde deshalb nicht zuletzt dem Auftraggeber nützen.

Ein Preis für eine bessere 
Zusammenarbeit

Die Qualität der Zusammenarbeit zwischen der Personal suchenden Firma und dem Personaldienstleister würde sich also erhöhen, wenn der Personaldienstleister einen Preis für seine Rekrutierungs- und Selektionsarbeit verlangte. Der bezahlende Kunde würde sich genauer überlegen und klarer ausdrücken, was sein Bedarf ist. Der Personaldienstleister hätte mehr Ressourcen zur Verfügung, um das rekrutierende Unternehmen, seine Abteilungen und Mitarbeiter kennenzulernen. Er könnte ausführlichere Assessments mit den Bewerbern durchführen und neuartige Wege in der Anwerbung der häufig raren Fachkräfte beschreiten.

Die Stellensuchenden würden von einer umfassenderen Betreuung profitieren, die durch die Entrichtung der Auftragsgebühr möglich wird. Eine Einschreibegebühr für Stellensuchende wäre von Gesetzes wegen zwar möglich. Sie ist aber unüblich, weil es heikel ist, Stellenlose im Rahmen ihrer Arbeitssuche mit Kosten zu belasten.

Wenn die Inanspruchnahme der Personaldienstleistung kostenpflichtig wäre, würde das wahrscheinlich dazu führen, dass gesamthaft weniger Aufträge vergeben werden. Die Personaldienstleister könnten sich somit für einen einzelnen Auftrag mehr Zeit nehmen. Der Rückgang des Auftragsvolumens würde für den Personaldienstleister dadurch kompensiert, dass die Unternehmungen für seine Rekrutierungs- und Selektionsarbeit eine Gebühr entrichten.

Selbstverständlich müsste die Gebühr davon abhängen, ob der Auftraggeber schlussendlich eine Bewerberin des Personaldienstleisters einstellt oder nicht. Für die vorgängig und in jedem Fall geleistete Rekrutierung und Selektion sollte der Personaldienstleister aber einen Grundpreis verlangen können – z.B. 20 Prozent der Pauschale für eine erfolgreiche Vermittlung. Denn wo sonst erhält man eine Dienstleistung zum Nulltarif? Wird z.B. ein Arzt nur bezahlt, wenn die Patientin geheilt ist? Oder bekommt die Anwältin ihr Honorar nur, wenn der Klient vor Gericht Recht erhält? Es gibt viele Beispiele für Dienstleistungen, die unabhängig vom Erfolg verrechnet werden. Alle diese Dienstleister werden für die Arbeit bezahlt, die sie verrichten. In der Personaldienstleistung sollte das nicht anders sein.

Der wahre Wert der 
Personaldienstleistung

Personaldienstleister erbringen vor dem eigentlichen Abschluss einer Vermittlung Dienstleistungen, von denen der Kunde in jedem Fall profitiert. Wenn das rekrutierende Unternehmen über keine oder eine nur sehr rudimentäre, eigene Personalabteilung verfügt, übernimmt der Personaldienstleister vitale Funktionen, die dem Unternehmen damit erspart bleiben beziehungsweise dieses selber gar nicht ausführen könnte. Diese Dienstleistung ist unabhängig vom Erfolg zu vergüten. Dass in einem Personalrekrutierungsprozess ein Grossteil der Arbeit «vergeblich» verrichtet wird, ist eine Gesetzmässigkeit, die auch für betriebsinterne Personalabteilungen gilt. Denn schlussendlich macht immer nur eine Kandidatin das Rennen. Die restliche Such- und Auswahlarbeit dient dazu, die Spreu vom Weizen zu trennen. Keinem Unternehmen käme es aber in den Sinn, den internen Recruitern den Lohn für diese scheinbar nutzlose Arbeit vorzuenthalten. Warum soll das dann bei Personaldienstleis-tern so sein?

Für alle Unternehmungen – mit oder ohne eigene Personalabteilung – stellen die Personaldienstleister einen Zusatzkanal dar, um an Kandidaten zu gelangen. Das Personal suchende Unternehmen vergrössert sich damit die Chance, die richtige Mitarbeiterin zu finden. Häufig profitiert das Unternehmen dabei vom bekannten Namen des Personaldienstleisters. Eigentlich rechtfertigt allein die Nutzung dieses Namens die Einforderung einer Gebühr. Mit der nachfolgenden Rekrutierungs- und Selektionsarbeit durch den Personaldienstleister gewinnt seine Dienstleis-tung zusätzlich an Wert. Diese unentgeltlich in Anspruch zu nehmen, ist falsch und die Verrechnung eines Preises angebracht.

Betrüge der Grundpreis für die rekrutierende Unternehmung wie vorgeschlagen einen Prozentsatz der Vermittlungspauschale, müsste sich der Restpreis für eine erfolgreich abgeschlossene Vermittlung – beziehungsweise der Aufschlag auf den Kandidatenlohn bei Temporäreinsätzen – entsprechend reduzieren. Das hätte einen weiteren, positiven Effekt für die Auftraggeber: Die heute de facto vorhandene Quersubventionierung von den zahlenden Unternehmen hin zu den nicht zahlenden Unternehmen würde ausgeglichen und fairer verteilt. Wer eine vermittelte Person einstellt, bezahlt den (leicht tieferen) Gesamtpreis, wer «nur» vom breiteren Suchradius sowie der Rekrutierungs- und Selektionsarbeit profitiert, bezahlt neu einen Grundpreis.

Rascher Ausgleich des Konjunktureinbruchs in der Personaldienstleistung

Wie die definitiven Daten zur Personaldienst-leister-Branche zeigen, lag swissstaffing mit seinen Prognosen sehr nahe am effektiven Geschehen: Die Temporärarbeit ist im Jahr 2010 um 17 Prozent gewachsen (siehe Grafik). 271 000 temporär Arbeitende haben insgesamt 126 Millionen Einsatzstunden geleistet und damit eine Lohnsumme von 3,7 Milliarden Franken erzielt. Die Personaldienstleister haben mit der Temporärarbeit einen Branchenumsatz von 5,2 Milliarden Franken erwirtschaftet.

Damit hat die Branche den heftigen Konjunktureinbruch des Jahres 2009 innert nur zwölf Monaten praktisch wieder ausgeglichen. Die derart rasche Erholung kam unerwartet und dürfte Ausdruck sein des auch gesamtwirtschaftlich beobachteten, beinahe explosionsartigen – aber unsicheren – Aufschwungs. Die diesseits und jenseits des Atlantiks grassierende Staatsverschuldung hat das Unsicherheitsklima angeheizt. In dieser Atmosphäre dürften besonders viele Unternehmen ihren rasch gestiegenen Personalbedarf mittels Personalverleih gedeckt haben, um das Risiko einer sich bald wieder verschlechternden Wirtschaftslage an die Personaldienstleister zu externalisieren. Das belegt auch die Tatsache, dass die Dauerstellenvermittlung im vergangenen Jahr nur wenig gewachsen ist (drei Prozent).

Die Personaldienstleister haben bis im Frühsommer 2011 von der boomenden Nachfrage nach temporären Mitarbeitenden profitiert (vgl. swisstemptrend). Sie tragen aber das externalisierte Konjunkturrisiko und müssen sich nun möglicherweise, wie es die neuesten, volkswirtschaftlichen Indikatoren nahelegen, auf rauere Zeiten einstellen.

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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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