HR Today Nr. 6/2019: Praxis – Selbstoptimierung 1

«Ohne Fleiss kein Preis»

Glamouröse Siegesfeiern, TV-Interviews und weltweite Anerkennung auf der einen, abgestandener Kaffee, Nine-to-five-Job und Routineaufgaben auf der anderen Seite: Profisport und Büroalltag haben auf den ersten Blick recht wenig gemeinsam. Auf den zweiten Blick aber doch eine ganze Menge.

Um es in einer bestimmten Sportart bis ganz nach oben zu schaffen, müssen mehrere Dinge zusammenkommen. Dazu gehören eine grosse Portion Talent, harte Arbeit, Unterstützung von Freunden und Familie und ein bisschen Glück. Letztlich sind genau das auch die Faktoren, die unseren beruflichen Erfolg bestimmen. Den Anfang macht das Talent, beziehungsweise das Interesse für ein bestimmtes (Fach-)Gebiet. Menschen mit Höhenangst als Turmspringer? Schwierig. Wer sich in der Schule jahrelang im Mathe-Unterricht gequält hat, wird kaum ein Informatikstudium beginnen. Wer sich hingegen schon immer gerne um andere Menschen gekümmert hat, für den ist vielleicht ein sozialer Beruf das Richtige. Ist man gut in etwas und hat Spass daran, fällt es deutlich leichter, sich zu motivieren und mit hohem Einsatz am Erfolg zu arbeiten.

Nicht immer sind Talente oder das Interesse für ein bestimmtes Fachgebiet schon frühzeitig sichtbar – hier unterscheidet sich der Profisport von der Berufskarriere. Eine Schülerin, die erst mit 18 Jahren entdeckt, wie viel Spass ihr Tennis macht, wird es aller Voraussicht nach nicht mehr bis ins Wimbledon-Finale schaffen – zu dicht ist hier die Weltspitze, zu lange und trainingsreich der Weg zur Leistungssportlerin. Ein Schüler hingegen, der mit 18 Jahren Lehrer für Französisch und Geschichte werden möchte, ist vielleicht mit 30 Geschäftsführer seines eigenen IT-Start-ups.

Spitzensportler streben oft nach Perfektion und fokussieren sich mit eiserner Disziplin auf das nächste Grossereignis. Dabei gibt der Trainingsplan den Alltagstakt vor und es bleibt wenig Zeit für Interessen abseits des Sports. Zugegeben: In den meisten Jobs würde man sich mit einem solch kompromisslosen Verhalten ziemlich schnell ins Abseits schiessen. Wer mag schon einen Kollegen, der nur über sein nächstes Projekt redet und mehr Überstunden sammelt als die ganze Abteilung zusammen?

Gleichwohl: Wer ein Ziel hat – ob einen Ausbildungsabschluss, ein wichtiges Projekt oder eine Beförderung – und konzentriert darauf hinarbeitet, wird erfolgreicher sein als derjenige, der sich plan- und lustlos treiben lässt. Dabei geht es gewiss nicht darum, sich mit überzogenen Ansprüchen an sich selbst zu quälen, gleich das Karriereziel Vorstandsvorsitzender auszugeben und alles andere als Scheitern zu betrachten. Schon kleine Zwischenziele können motivieren und im Erfolgsfall stärken. Als moralische oder praktische Unterstützung leistet das persönliche Umfeld beziehungsweise das Team am Arbeitsplatz oft einen unschätzbaren Beitrag auf dem Weg zu Erfolg. Und es kommt letztlich auch nicht darauf an, dass alles gleich im ersten Versuch gelingt oder perfekt wird.

Work hard, play hard

Sportler, die lange und hart auf ein Ziel hingearbeitet haben, feiern ihren Erfolg auf die eine oder andere Weise. Was als Erfolg gewertet wird, ist dabei höchst relativ. Wer als Titelverteidiger zu einer Weltmeisterschaft anreist, wird kaum mit einer zweistelligen Platzierung zufrieden sein. Für andere wiederum wäre allein die Teilnahme an einem solchen Event schon ein riesiger Erfolg. Schwer vorstellbar wäre, dass 100-Meter-Sprint-Weltrekordler Usain Bolt im Vorfeld eines Wettkampfes geäussert hätte, er wolle in erster Linie überhaupt ins Ziel kommen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Sportler feiern ihre Erfolge und jeder andere Berufstätige sollte das auch tun. Im Team gemeinsam Erreichtes zu feiern, gibt Bestätigung für Vergangenes und motiviert für Zukünftiges. Falls es keine offizielle Würdigung von der Führungsebene geben sollte: Wer im Job ein Ziel erreicht, einen Kunden gewonnen oder eine persönliche Weiterentwicklung erlebt hat, der darf diesen Erfolg geniessen und stolz auf sich sein.

Keine Angst vor Goliath

Nicht immer geht man im Leben als Favorit in ein Duell, sei es im DFB-Pokal, im Wimbledon-Finale, im Vorstellungsgespräch oder beim Versuch, einen neuen Kunden zu gewinnen. Im Sport kann die Rolle des Underdog besonders anspornen und Kräfte freisetzen, die gepaart mit Risikobereitschaft und ein bisschen Glück zum Erfolg führen. Manche empfinden die Favoritenrolle als enormen Druck und können unbeschwerter agieren, wenn sie sich in einer Aussenseiterposition fühlen. Legendär ist etwa der Sieg des Boxers James Douglas über «Iron Mike» Tyson im Jahr 1990: Die meisten Buchmacher boten keine Wetten auf diesen Kampf an – für so aussichtslos hielten sie Douglas’ Chancen.

Übertragen auf das Berufsleben bedeutet das Aussenseiterdasein nicht, sich in Harakiri-Manier in Projekte zu stürzen, von denen man keinen blassen Schimmer hat, und damit einen herben Verlust zu riskieren. Oder grundsätzlich Herausforderungen zu suchen, für die einem die elementarsten Qualifikationen fehlen. Gleichwohl können wir von den sportlichen Aussenseitern etwas lernen, zum Beispiel für die Bewerbung um einen neuen Job.

Der Pokal hat seine eigenen Regeln

Lesen Berufsanfänger die Anforderungsprofile so mancher Stellenanzeige, kommen sie sich schnell vor wie eine Amateurmannschaft im Duell gegen den FC Bayern München. Der Abschluss in einem der genannten Studienfächer und die geforderten IT-Kenntnisse liegen zwar vor, aber: mindestens fünf Jahre Berufspraxis? Mit Führungserfahrung? Fliessende Englisch- und erweiterte Arabischkenntnisse? Personalverantwortliche listen in ihren Stellenprofilen meist alle Anforderungen auf, die perfekte Kandidaten erfüllen würden – wohl wissend, dass es diese nicht gibt.

Jenseits der zwingend notwendigen Qualifikationen besteht jedoch eine Menge Spielraum. Bei der Entscheidung, wen man für eine bestimmte Position einstellt, können jenseits der formalen Kriterien weitere Überlegungen ausschlaggebend sein: Traut der Bewerber sich die beschriebenen Aufgaben zu? Welche Erfahrungen und Talente bringt die Bewerberin mit, die für das Unternehmen interessant sein könnten, auch wenn diese im Stellenprofil nicht genannt werden? Ein auf den ersten Blick nicht 100 Prozent passender Quereinsteiger könnte sich durch besondere Fähigkeiten oder überzeugende Motivation als echter Champion für das Unternehmen entpuppen.

Ohne Krisen geht es nicht

Kein Mensch, der es im Sport an die Spitze schafft, erreicht das ohne die eine oder andere Krise. Egal, ob man dem eigenen Körper oder der eigenen Psyche alles abverlangt – einen schnurgeraden Weg nach oben gibt es sehr selten. Verletzungen, private Krisen oder ein ausgewachsenes Motivationstief können den steilen Aufstieg vorübergehend bremsen. Es gibt auf der Welt vermutlich keinen Profisportler, der im Laufe seiner Karriere nicht einmal von Selbstzweifeln oder Leistungstiefs betroffen war.

Im Job gibt es für die meisten von uns ähnliche Aufs und Abs. Kein Job ist nur eitel Sonnenschein und es ist völlig normal, an manchen Tagen mit gebremster Euphorie bei der Sache zu sein. Wichtig ist, die Ursachen eines beruflichen Formtiefs zu ergründen und eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Handelt es sich um eine Phase, deren Ende bereits in Sicht ist? Vielleicht ist das aktuelle Projekt etwas schwierig, eine Zeit des Schlafmangels drückt aufs Gemüt oder die neue Software auf dem Firmenrechner tut nicht das, was sie soll.

All dies sind meist vorübergehende Umstände, die nicht zu einer spontanen Kündigung verleiten müssen. Anders sieht es aus, wenn die Unzufriedenheit im Job zum Dauerzustand wird und der Gedanke an Montagmorgen oder die nächste Besprechung mit dem Chef schon beim Sonntagskaffee zu Magengrummeln führt. Wer unter einer solchen Unzufriedenheit leidet und sich dadurch dauerhaft in seiner Lebensqualität beeinträchtigt fühlt, sollte über weiterreichendere Schritte nachdenken – zum Beispiel die Suche nach einem anderen Arbeitgeber oder einem anderen Aufgabenbereich.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Auf eine Krise folgt im Idealfall ein glorreiches Comeback. Der österreichische Skirennfahrer und Olympiasieger Hermann Maier verlor im Jahr 2001 bei einem schweren Unfall beinahe sein rechtes Bein und feierte in der Saison 2003/2004 einen weiteren Gesamtweltcupsieg. Auch im Job lässt sich aus Fehlern und Krisen viel lernen. Etwa, in einer vergleichbaren Situation künftig anders zu handeln oder andere Entscheidungen zu treffen, um das Gleiche nicht nochmals zu erleben.

Andererseits können sich die inneren Einstellungen oder Erwartungshaltungen in Folge einer Krise verändern und somit zu einer Stärkung beitragen. Das kann die überraschende Erkenntnis sein, dass man widerstandsfähiger ist, als man vermutet hat. Die Voraussetzung für ein überzeugendes Comeback ist, sich nicht dauerhaft zurückzuziehen, sondern mit geschwellter Brust in den sprichwörtlichen Ring zu steigen – im Idealfall begleitet von einem starken Team im privaten oder beruflichen Hintergrund.

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Heike Anske ist Leiterin des Personaldienstleistungsunternehmens Orizon in der Niederlassung Ostthüringen (Standorte Gera und Jena).

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