Spielend neue Kompetenzen lernen
Bilanzen zum Anfassen, Cashflows zum Hören oder Kostenträger bei der Arbeit beobachten – dies und mehr bieten moderne Unternehmenssimulationen. Weil sie den Teilnehmenden erlauben, sich in einem «geschützten» Rahmen mit betrieblichen Fragestellungen auseinanderzusetzen und Fehler zu machen, erfreuen sie sich in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung zunehmender Beliebtheit.

(Bild: Tanja da Silva)
Komplizierte Zusammenhänge begreif- und fassbar zu machen, das ist das Ziel moderner Unternehmenssimulationen. Im Gegensatz zu früheren Plan- oder Unternehmensspielen steht heute nicht mehr primär das locker spielerische im Vordergrund, sondern «Effizienz und eine schnelle Umsetzung. Die Firmen wollen Simulationen, die ihre Strategie und ihre firmenspezifischen Herausforderungen abbilden und Lösungen umsetzen helfen», sagt Gudrun G. Vogt, Geschäftsführerin der Zürcher Targetsim AG. Das Unternehmen entwickelt seit 15 Jahren massgeschneiderte und generische Unternehmenssimulationen für Firmen aller Branchen.
Entstanden sind die Unternehmenssimulationen aber bereits viel früher. Als Neben-produkt des militärischen «War Gamings» wurden Simulationen erstmals zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg auch auf friedlichem Terrain eingesetzt. In der heutigen Zeit, in der die Forderung nach Bildung von anwendbarem Wissen und sozialen Kompetenzen immer lauter wird, erlebt die Unternehmenssimulation einen enormen Aufschwung. «Unternehmens-simulationen entsprechen einer sozial-konstruktivistischen Sicht des Lernens», so Willy Kriz, Professor für Simulationsspiel-Methoden an der Fachhochschule Vorarlberg und Begründer der Swiss Austrian German Simulation and Gaming Association (SAGSAGA). «Wissen entsteht nicht nur in einer einfachen kognitiven Verarbeitung äusserer Reize, sondern als aktive Konstruktion, die innerhalb einer Gruppe vollzogen wird.»
Das sind die Vorteile von Unternehmenssimulationen
Lernen mit Unternehmenssimulationen -bietet gegenüber den traditionellen Seminar-methoden folgende Vorteile:
- Durch erlebnisorientiertes «Learning by Doing» bauen die Seminarteilnehmer Fach- und Methodenkompetenz effizient und nachhaltig auf.
- Miteinander und voneinander lernen in der Gruppe fördert die Führungs- und Teamkompetenz.
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Die realitätsnahe Lernsituation garantiert den erfolgreichen Transfer der neu gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis.
Case Sika
Geeignet sind Unternehmenssimulationen für alle Mitarbeiter und Führungsebenen, aber auch für die für Firmen wesentlichen Akteure wie Kunden oder Lieferanten. Eingesetzt werden können sie für alle unternehmensrelevanten Fragestellungen, egal ob für die Simulation einer Strategie oder der Personalauswahl, für Marktsimulationen oder die Organisations- oder Personalentwicklung.
Für Letztere setzt das Baarer Spezialitätenchemie-Unternehmen Sika schon seit sechs Jahren auf ein Simulationsspiel. Dies im Rahmen des weltweiten Talententwicklungs-Programmes, in dem jeweils rund 16Teilnehmer aus dem mittleren Management aus aller Herren Ländern während neun Tagen intensiv geschult werden. «Das Simulationsspiel nutzen wir vor allem, um den betriebswirtschaftlich zum Teil wenig erfahrenen Teilnehmern unsere wichtigsten Kennzahlen und deren Wirkung näherzubringen», erklärt Werner Angehrn, der bei Sika für das HR Development zuständig ist. Genau für diese eher trockene und abstrakte Seite der Betriebswirtschaft sind Simulationen gemäss Targetsim-Geschäftsführerin Vogt ideal.
Als Werner Angehrn diese Methode vor sechs Jahren bei Sika einführen wollte und sie der Geschäftsleitung vorstellte, schlug ihm ziemlich viel Skepsis entgegen. «Alle dachten, es handle sich um eine Art Eile-mit-Weile-Spiel mit ökonomischem Touch…» Nach zwei Probeläufen sprang die Begeisterung auf die Geschäftsleitung über, und seither gehört das Simulationsspiel zum Standard bei der Personalentwicklung. Angehrn selbst hätte nie gedacht, was für eine überwältigende Wirkung die zweitägigen Simulationen jeweils haben. «Die Teilnehmer lernen in kurzer Zeit extrem viel, sie sind motiviert, denken mit, und – für uns ein ganz wichtiger Nebeneffekt – die interkulturelle Gruppendynamik wird durch das Spiel ohne weiteres Zutun enorm gefördert.»
Case Panalpina
Genau diese Gruppendynamik sorgt auch beim Logistikkonzern Panalpina dafür, dass sich Simulationen zu einem festen Bestandteil der betrieblichen Aus- und Weiterbildung entwickelt haben. «Seit 2007 setzen wir die Simulationen dazu ein, allen unseren Mitarbeitenden unsere Wertschöpfungskette, die wichtigsten Kennzahlen, die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge und die optimale Planung von Ressourcen bewusst und erklärbar zu machen», sagt die Schweizer HR-Chefin Tina Künzler. Das Seminar sei ganz bewusst nicht nur für Kaderleute, sondern für alle Mitarbeitenden entwickelt worden. «Bereits nach einem Jahr haben wir erreicht, dass die Hemmschwelle zu diesen Themen abgebaut wurde, und unsere Leute sehen nun viel besser, wie sie zum Gesamterfolg des Unternehmens beitragen können».
Wie können Unternehmens-simulationen eingesetzt werden?
- Als unterstützendes Instrument im Falle von Restrukturierungen, Fusionen, Reorganisationen oder strategischen Neupositionierungen
- Zur Kommunikation von Strategien und/oder zur Umsetzung von Kennzahlen
- Als Trainingsinstrument für Nichtbetriebswirtschaftler, die unternehmerisches Denken und Handeln lernen wollen, um auf Leistungsziele ihres Unternehmens steuernd Einfluss zu nehmen.
- Als ein Element von Personalentwicklungsprogrammen zur Vorbereitung angehender Führungskräfte auf Managementaufgaben
Mit der technologischen Entwicklung sind Unternehmenssimulationen zunehmend virtuell geworden, und seit rund 10Jahren sind sie auch als Computerspiele erhältlich. Weder Sika noch Panalpina können sich aber im Moment vorstellen, mit computerbasierten Simulationen zu arbeiten. «Wir setzen auf ein Brettspiel, da wir Betriebswirtschaft zum Anfassen vermitteln wollen», sagt Werner Angehrn. Ähnlich tönt es von Seiten Panalpina. «Bei einem Brettspiel spüren und sehen die Teilnehmenden die Auswirkungen ihres Handelns sofort. Genau das macht meines Erachtens den Erfolg aus», betont Tina Künzler.
Die Entscheidung, ob ein Unternehmen computerbasierte Simulationen oder Brettspiele einsetzen will, hängt stark von der Zielsetzung, der Zielgruppe und der Firmenstrategie ab. «Die Produkt- und Trainierqualität ist in jedem Fall wichtiger als die reine Unterscheidung, ob mit oder ohne Computer», ist SAGSAGA-Gründer Willy Kriz überzeugt. Für komplexe Marktsimulationen seien computerbasierte Spiele sicher geeigneter als für die Personalentwicklung oder für die Vermittlung von Spezialwissen an Generalisten.
Einmal eingeführt, scheinen Unternehmenssimulationen ein nicht mehr wegzudenkendes Ausbildungselement darzustellen. Einen der Gründe dafür ortet Willy Kriz darin, dass Simulationen fehlertolerante Umwelten darstellen, die Handlungsspielräume erlauben. «Planspiele ermöglichen ein risikoloses Sammeln von Erfahrungen.» Und sie fördern Kompetenzen in Führungs-, Team- oder Problemlösungsprozessen, die im heutigen und auch im zukünftigen Arbeitsmarkt gefordert werden. «Diese können im doppeldeutigen Sinn spielend erlernt werden», ist Kriz überzeugt.
Weiterführende Links zum Thema: www.sagsaga.org , www.targetsim.com
Gründliche Vorbereitung spart Zeit und Kosten
Auf dem Markt finden sich unzählige An-gebote im Bereich der Unternehmens-simu-lation. Gemäss Gudrun G. Vogt, Geschäfts-führerin der Zürcher Targetsim AG, ist es am besten, sich die Simulationen an Messen oder bei den Anbietern direkt zeigen zu lassen. Denn Simulationen leben vom Erleben.
Einmal erlebt, empfiehlt die Fachfrau, sich vor dem Kauf und Einsatz von Simulationen folgende grundsätzliche Überlegungen zu machen:
- Was wollen Sie mit der Simulation erreichen? Welche Lernziele streben Sie an? Was soll die Simulation unbedingt leis-ten?
- Wie soll die Simulation in laufende PE- oder OE-Programme integriert werden, damit grösstmöglicher Nutzen erreicht wird?
- Stehen (Kenn-)Zahlen und BWL im Vordergrund oder sollen weiche Faktoren wie Teambuilding, Entscheidungsverhalten oder Präsentationsfähigkeiten auch berücksich-tigt werden?
- Wer wird mit der Simulation arbeiten (Zielgruppe)? Ist die Zielgruppe homogen oder heterogen? Was sind Motivation und Hintergrund der Zielgruppe?
- Wie viel Zeit steht für die Simulation zur Verfügung (Abwesenheiten vom Arbeitsplatz)?
- Sollen hausinterne Trainer moderieren oder externe?
- Wie viel Budget (Zeit und Geld) können und wollen Sie investieren?
- Welche Serviceleistungen erwarten Sie vom Anbieter?
Quelle: Targetsim AG