Personalentwicklung

Talentmanagement im KMU-Netzwerk

KMU sind bei der Gewinnung von qualifiziertem Personal oft im Nachteil. Ein zunehmend diskutierter Ansatzpunkt zur Stärkung ihrer Wettbewerbs-Fähigkeit sind Unternehmensnetzwerke zur Personalentwicklung. Ein Projekt der FHS St. Gallen verfolgt den Aufbau solcher Netzwerke. Erfahrungen aus der Aufbauphase und eine Studie liefern erste Erkenntnisse.

Vielen KMU fällt es schwer, eine eigenständige Personalentwicklung zu unterhalten. Dies birgt das Risiko, den Aufbau notwendiger Kompetenzen zu spät in Angriff zu nehmen. Gleichzeitig wächst die generelle Bedeutung der Personalentwicklung durch ihren Beitrag zur nachhaltigen Verfügbarkeit von Kompetenzen.

In einer Studie der FHS St. Gallen unter Ostschweizer KMU weisen 63 Prozent der Befragten der Personalentwicklung eine hohe Bedeutung zu. Umfassende Erfahrungen mit einer strategischen Entwicklung ihres Personals haben nur 31 Prozent der Unternehmen. Bemerkenswert ist, dass viele KMU kaum Handlungsbedarf sehen. Weitgehend zufrieden mit der eigenen Personalentwicklung sind 78 Prozent. Unmittelbar das Engagement erhöhen möchten im Bereich der Förderung von Mitarbeitenden 30 Prozent der Firmen.

Ursächlich für die zum Teil geringe Priorität der Personalentwicklung ist ein Zeit- und Ressourcenmangel, der in Kombination mit einer Konzentration auf das Tagesgeschäft schnell dazu führt, dass eine proaktive Entwicklung von Kompetenzen vernachlässigt wird. Auch sind die kapazitätsbezogenen Möglichkeiten der Personalentwicklung in KMU begrenzt.

Doch was lässt sich tun, wenn Mitarbeitende entwickelt werden sollen, aber im eigenen Unternehmen keine Möglichkeiten bestehen? Welche Konsequenzen ergeben sich in der Folge für weiterführende Einsatzmöglichkeiten der Mitarbeitenden sowie ihren Verbleib im Unternehmen? Nicht selten verlieren KMU auf diese Weise Mitarbeitende oder müssen feststellen, dass Positionen nicht intern nachbesetzt werden können.

Die Vision des «Talentmanagements im Netzwerk» setzt hier an. Es geht darum, die Personalentwicklung von KMU zu systematisieren und in ihren Möglichkeiten zu erweitern, indem eine firmenübergreifende Förderung von Personal stattfindet. Netzwerke 
lohnen sich durch eine höhere Anzahl an «Entwicklungsfällen» sowie Entwicklungsmöglichkeiten. Diese reichen von einzelnen gemeinsamen Massnahmen über Programme bis hin zum Einsatz von Mitarbeitenden in einem anderen Netzwerkunternehmen und zu einer späteren Wiederbeschäftigung im Ausgangsunternehmen. Unerwünschte Fluktuation würde durch gezielte Wechsel in andere Firmen innerhalb des Netzwerkes ersetzt.

Kooperation in der Personalentwicklung ist Pionierland

Die bevorzugte Form der Personalentwicklung ist für die Unternehmen bisher eine eigenständige Lösung, gefolgt vom Zukauf von Dienstleistungen. Erst an dritter Stelle wird das Personalentwicklungsnetzwerk als Möglichkeit in Erwägung gezogen. Dennoch können es sich 36 Prozent der Befragten gut vorstellen, sich an einem Netzwerk zu beteiligen, und weitere 27 Prozent stehen dem Gedanken neutral gegenüber.

Mangels umfassender Beispiele für Personalentwicklungsnetzwerke muss man sich in ihrem Aufbau auf allgemeingültige Aussagen verlassen. Diese lassen sich zu fünf Anforderungsdimensionen verdichten (siehe Tabelle).

Generell gelten durchgängige Prozesse des Talentmanagements als Herausforderung in den kommenden Jahren, der das io Trendbarometer 2011 sogar höchste Bedeutung zumisst. Das Engagement der Netzwerke dient dem schrittweisen Aufbau und der Umsetzung eines solchen Talentmanagements.

Im Netzwerkmodell der FHS St. Gallen werden Firmen zu «Branchenclustern» kombiniert. Entlang einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung werden Ziele formuliert und KMU-spezifische Lösungen erarbeitet. Das Augenmerk richtet sich zwar auf die bestehenden Belegschaften, jedoch besitzt die gemeinsame Vermarktung der Aktivitäten Ausstrahlungseffekte für einen verbesserten Zugang zu externen Talenten. Ein gemeinsames Kompetenzmodell und eine IT-Plattform unterstützen den Aufbau unternehmensübergreifender Entwicklungsprogramme.

Struktur der Netzwerke

Die Netzwerke sollten mit maximal zehn Teilnehmenden eher klein und überschaubar gehalten werden. Zwar wird die einheitliche Branchenzugehörigkeit gegenüber der regionalen Verankerung bevorzugt, doch behält die Entfernung der Unternehmen zueinander Einfluss auf die Aktivitäten.

In Bezug auf die Arbeitsteilung werden der koordinierenden Stelle Aufgaben in der Beratung, der Planung, der Koordination sowie der Durchführung der Personalentwicklungsmassnahmen zugeschrieben. Weniger bedeutsam ist die Vermittlung von Dienstleistungen. KMU wollen zusammen mit der koordinierenden Stelle die Inhalte erarbeiten und sehen sie als Garant einer systematischen Ausrichtung sowie als Motor der Netzwerkaktivitäten, der den Prozess vorantreibt.

Die klassischen Weiterbildungsmassnahmen wie Kurzschulungen am Arbeitsplatz, Workshops und Coachings, aber auch Karriereplanung und Nachfolgeplanung sind die häufigst genannten Massnahmen, die im Netzwerk interessieren (siehe Abbildung 1). Auffällig ist, dass die Bereitschaft zur Mitbestimmung der Inhalte der gemeinsamen Massnahmen die Bereitschaft zur Nutzung a priori übersteigt: Solange die konkreten Inhalte nicht klar sind, sind die Unternehmen mit festen Zusagen vorsichtig. Die Hürde, sich auf etwas noch nicht klar Definiertes einzulassen, führt an verschiedenen Stellen im Aufbau der Netzwerke zu Zurückhaltung, so auch angesichts des fehlenden Wissens um die Partner. Dies spiegelt sich in den Hindernissen zum Netzwerkbeitritt (siehe Abbildung 2) wider. Allem voran steht der Zeitmangel, gefolgt von Sorgen, Inhalte und Massnahmen «übergestülpt» zu bekommen.

Balance zwischen Vertrauen 
und Reglementierung

Gegenseitiges Vertrauen ist nach Ansicht der Befragten die notwendige Basis einer gelingenden Zusammenarbeit, weshalb die meisten sich für nur wenige formale Regelungen der Zusammenarbeit aussprechen. Angesichts von Befürchtungen in Hinblick auf Know-how-Abfluss oder aktive Konkurrenz um einzelne (potenzielle) Mitarbeitende sind Austrittsrechte, die Aufnahme neuer Netzwerkbeteiligter, Gründe und Vorgehensweisen bei notwendigem Ausschluss einzelner Netzwerkteilnehmer sowie der Umgang mit Konfliktfällen von Beginn an zu regeln.

Vertrauen lässt sich am besten durch ein hohes Mass an Transparenz als Folge umfassender Information und Kommunikation unter den Beteiligten fördern. Die regelmässige Teilnahme und ein aktives Engagement sind als Grundlage der Zusammenarbeit einzufordern. Eine neutrale Moderation der Projektgruppen unterstützt nicht nur den Fortschritt der Aufgaben und die einheitliche Ausrichtung der Aktivitäten. Sie leistet auch einen Beitrag dazu, dass sich alle gleichermassen einbringen können.

Erste Erfahrungen aus der Aufbauphase der Netzwerke

KMU können sich grundsätzlich eine strategische Personalentwicklung im Netzwerk vorstellen. Mangels konkreter Erfahrungen bestehen Unsicherheiten hinsichtlich ihrer Rolle und des genauen Austauschprozesses im Netzwerk. Die Gespräche mit Unternehmensvertretern lassen eine sehr hohe Offenheit für die Idee des Netzwerkes und zahlreiche eigene Vorstellungen erkennen. Es lohnt, diese Vielfalt bereits in der Konzeption der Netzwerke zu berücksichtigen und für die Vereinbarung der Ziele zu nutzen. Die angestrebten Lösungen sollten die jeweils bestehenden Massnahmen der Unternehmen ergänzen können, ohne sie zu ersetzen.

Deutliche Sorge besteht in Hinblick auf die Gefahr der Abwerbung von Fachkräften. Sie relativiert sich zum Teil in der Auseinandersetzung mit dem Kooperationsgedanken: Netzwerke könnten sogar einschränkende Wirkung entfalten.

Wichtig scheint die Sorgfalt in der Wahl der Netzwerkkoordinatoren, die keine eigenen Interessen in der Vermittlung von Talenten haben dürfen. Auch die kulturelle Stimmigkeit der Partner wird verschiedentlich als Knackpunkt angesprochen. Das Risiko fehlender Passung lässt sich reduzieren, indem Initiativen aus bestehenden Interessenverbänden heraus gegründet oder interessierte Unternehmen um eigene Empfehlungen weiterer Partner gefragt werden.

Das Projekt «Talentmanagement im KMU-Netzwerk» der FHS St. Gallen

Im Rahmen des Projektes werden je ein Branchencluster Industrie und ein Cluster IT gebildet. An der Definition des Projektes beteiligt sind entsprechend je ein IT- und ein Industrieunternehmen. Weitere acht interessierte Unternehmen wurden bereits 
gewonnen. Die endgültige Entscheidung über eine Teilnahme ist von den Unternehmen zu treffen, wenn abschliessend entschieden ist, welche Bausteine des Talentmanagements erarbeitet werden.  

Netzwerkkoordinator ist das Institut IQB der FHS St. Gallen. Die Aufgaben des Instituts liegen in der Moderation und im Betrieb des Netzwerkes sowie in der Koordination der Netzwerkaktivitäten. Das IQB ist Garant der konzeptionell einheitlichen 
Ausrichtung der Aktivitäten und hat die Leitung in der Gestaltung der Massnahmen.

Zu den Aufgaben der beteiligten Unternehmen 
gehört die regelmässige aktive und verbindliche Beteiligung am Netzwerk. Sie entwickeln die 
Lösungen und machen eigene Lösungen im jeweils definierten Rahmen für andere Unternehmen 
zugänglich.

 

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Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock ist Leiterin des Kompetenzbereichs Leadership und Personalmanagement an der FHS St. Gallen. Forschungsschwerpunkte sind u. a. Personal- und Karriereentwicklung sowie nachhaltiges Human Resources Management.

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