Trends in der Zusammenarbeit 2020
«Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlandes. …» Was der englische Schriftsteller und Dichter John Donne bereits Anfang des 17. Jahrhunderts so bildhaft beschrieben hat, trifft auf das 21. Jahrhundert umso mehr zu: Niemand ist eine Insel. Kein Mensch, kein Unternehmen, keine Nation ist in sich ganz, sondern immer ein Teil von etwas Grösserem.
Zusammen geht vieles einfacher. (Bild: 123rf)
Familie oder Verein, Schulklasse oder Sportmannschaft, Team von Kollegen oder Gruppe von Kunden, Branchenverband oder Unternehmernetzwerk – überall wird durch Zusammenarbeit mehr erreicht als alleine. Das Erfolgsprinzip der Zukunft lautet: sinnvoll kooperieren statt sinnlos konkurrieren. Folgende Trends zeichnen sich dabei für 2020 ab.
1. Selbstverantwortung in der Zusammenarbeit
Die Zahl der Unternehmen, die hierarchische Zusammenarbeit durch neue projektbezogene Strukturen ersetzen, nimmt zu. In einigen Unternehmen wird komplett umgestellt, in anderen nur abteilungsbezogen. Das erlaubt schneller und flexibler auf Veränderungen am Markt reagieren zu können und das Kooperationspotenzial im Unternehmen zu heben.
Mobiles Arbeiten gibt mehr Freiheit hinsichtlich des Ortes und der Zeit des individuellen Arbeitsbeitrags, was wiederum die Zusammenarbeit beeinflusst. Hier kommt dem Einzelnen mehr Verantwortung zu, den reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Wichtig ist, die mobilen Arbeitenden mit den entsprechenden Tools auszustatten, die Zusammenarbeit auf Distanz ermöglichen.
Wenn es um Meetings geht, setzen Unternehmen auf mehr Selbstverantwortung. Statt verpflichtender Teilnahme an Meetings, wird die Entscheidung dem Mitarbeitenden überlassen. Das heisst, wenn der eingeladene Teilnehmende für sich keinen erkennbaren Mehrwert im Meeting sieht oder er nicht glaubt, einen sinnvollen Beitrag leisten zu können, kann er sich gegen die Teilnahme entscheiden.
Oder es wird gar nicht mehr zu Meetings eingeladen, sondern Termine und Inhalte anstehender Meetings veröffentlicht und die Kollegen, die etwas beitragen können, kommen einfach spontan dazu. Aus Pflicht wird Freiwilligkeit, aus Anordnung erwächst ein eigenverantwortlicher Umgang. Gleichzeitig intensiviert sich so auch die Diskussion über den Umgang mit Vertrauen und Kontrolle.
2. Mehr Flexibilität in Meetings
Auch die Art und Weise, wie wir uns treffen, ändert sich – von terminiert zu spontan. Neue Open-Office-Konzepte unterstützen das durch Begegnungszonen. Um etwas fokussierter zu arbeiten gibt es sogenannte Huddle-Rooms. Als Huddle bezeichnet man, wenn Spieler einer Football-Mannschaft vor dem nächsten Spielzug die Köpfe zusammenstecken und das weitere Vorgehen besprechen. Es sind also kleinere Besprechungsräume, die es Mitarbeitenden ermöglichen, sich schnell und einfach zu treffen – ausgestattet mit einem Stehtisch, Flipchart oder Whiteboard und einen Bildschirm mit Anschluss fürs Notebook.
Kollaborationstools ermöglichen es den verteilt arbeitenden Teammitgliedern, sich nahtlos auszutauschen. Der Trend geht dabei hin zur selbstbestimmten Auswahl aus einem grösseren Angebot durch jedes Team selbst.
Der Abbau von Geschäftsreisen führt dazu, dass persönliche Treffen noch seltener werden. Gleichwohl ist der visuelle Aspekt der Kommunikation für den Vertrauensaufbau und zur Reduzierung von Missverständnissen äusserst wichtig. Da hilft die Video-Technik weiter.
Meetings werden ausserdem interaktiver. Moderne Tools bieten neue Gestaltungsmöglichkeiten. Eines davon ist das interaktive Umfrage-Tool Mentimeter: eine Stichwortabfrage wird in einer sogenannten Wortwolke ausgewertet. Die Teilnehmenden antworten dabei über ihre mobilen Endgeräte. Oder die von Keith McCandless und Henri Lipmanowicz entwickelten Liberating Structures: ein Methodenset für die gemeinsame Arbeit an Produkten und Organisationen.
3. Die grössere Dimension der Zusammenarbeit
Während der erste Gedanke meist der eins-zu-eins-Interaktion innerhalb eines Teams gilt, erstreckt sich Zusammenarbeit immer öfter über Teams, Abteilungen und Standorte hinweg. Doch es geht noch weiter: Unternehmen machen ihre Kunden und sogar andere Unternehmen zu Partnern. Das führt zur Suche nach Tools, die koordinierte sichere Interaktionen ausserhalb der Firewall erlauben. Die Popularität von Technologien wie Slack, WhatsApp oder WeChat unterstreicht das. Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden aktiv dabei, Netzwerke über die Unternehmensgrenzen hinaus aufzubauen.
Einige grosse Unternehmen motivieren ihre Mitarbeitenden gar dazu, sich unternehmens-übergreifend in sogenannten Working-Out-Loud-Circles zu organisieren und gemeinsam ein 12-Wochen-Programm zu durchlaufen. Dabei geht es darum, Beziehungen aufzubauen, die helfen können, eine Fähigkeit zu entwickeln und ein neues Thema zu entdecken – und im besten Fall das gesteckte Ziel umzusetzen. Die jeweils vier bis fünf Mitglieder eines solchen Circles unterstützen sich dabei gegenseitig.
4. Unsere Kollegen die Bots
Die Meinungen über Bots gehen weit auseinander – von «schlechte, lästige Software», die uns mit Texten und Telefonaten überhäuft, bis hin zu unrealistischen Erwartungen an die Leistungsfähigkeit. Die Realität liegt wohl irgendwo dazwischen: Diese teilautonomen Teile der Software können in einem begrenzten Gebiet selbständig verschiedene Aktionen durchführen. In einigen Bereichen werden sie als Geschenk des Himmels gesehen. Personalvermittler zum Beispiel sparen einen Grossteil der Zeit, weil Bots das erste Kandidatenscreening sowie ein Videointerview übernehmen und sogar das erste Gespräch mit dem Personalvermittler einrichten können. Aus diesen und anderen Gründen ist eines der Themen für 2020 die Zusammenarbeit mit Bots oder intelligenten Agenten, da nicht jede Zusammenarbeit nur zwischen Menschen stattfindet.
Spätestens seit Johann Mario Simmels Buch kennen viele den eingangs zitierten Spruch «Niemand ist eine Insel» oder Abwandlungen davon. In diesem Zusammenhang ist ein Artikel auf ZEIT-Online aus dem Jahr 1975 spannend. Der Autor Dieter Hildebrandt schreibt: «Aber allen (…) deutschen Versionen geht, notwendigerweise, das geniale Wortspiel ab, mit dem das Thema des Gedichts pointiert wird: Denn im Englisch des John Donne schreibt sich das Wort ‹Island› – das unserem ‹Eiland› entspricht – noch nicht mit ‹s›, sondern ‹iland›. Und damit bekommt das alte Wort und Bild, das es bezeichnet, einen aufregenden Doppelsinn: ‹No man is an Iland› heisst dann nämlich auch: Kein Mensch ist ein Ich-Land.»
Machen wir also öfter einmal etwas gemeinsam. Teilen unser Wissen. Nutzen unterschiedliche Perspektiven. Entwickeln ko-kreativ neue Ideen. Dann sind wir in der Lage, unsere Insel, unser Ich-Land zu verlassen und gemeinsam etwas zum grossen Ganzen beizutragen.