Reorganisation

Trust Management: Die Wirtschaftskrise erfordert Wiederaufbau des Vertrauens

Die Fähigkeit, Vertrauen herzustellen, wird als eine Kernkompetenz des modernen Leadership gesehen. Doch wie so oft hinkt der Unternehmensalltag der Theorie hinterher – und dies wird selten so deutlich wie in Krisenzeiten. Ein britisches Modell zum Wiedergewinn von Vertrauen fusst auf der Methodik des Umkehrschlusses, vor allem auf nonverbaler Ebene.

Misstrauen zieht wie eine Grippewelle durch einige Firmen, öffentliche Institutionen, Regierungen und unsere vernetzte Gesellschaft. Ist diese Wirtschaftskrise eigentlich eine Vertrauenskrise? Wenn wir uns auf die Auswirkungen dieser Krise konzentrieren, spielt der Zusammenbruch des kommunalen, weltumspannenden Vertrauens auf allen Ebenen eine grosse Rolle.

Momentan wird versucht, das Problem auf der materiellen Ebene zu lösen: Regierungen pumpen ungeheure Summen Geld in das internationale Finanzsystem, um die Märkte zu stabilisieren. Die beiden zentralen Motivatoren der Hochfinanz, Angst und Gier, müssen weiter gefüttert werden, damit es irgendwie weitergeht. Reicht diese materielle Lösung letztlich aus, die Angst zu nehmen und das Vertrauen in die Wirtschaft, und insbesondere in die Banken, wiederaufzubauen? Ein Blick auf die anhaltende Volatilität der Aktienmärkte scheint dies nicht zu bestätigen. Eine Studie, die Edelman PR im letzten Herbst veröffentlichte, zeigt, dass das öffentliche Vertrauen in US-Unternehmen in nur einem Jahr von 58 Prozent auf 38 Prozent gefallen ist.

Das Wesen des Vertrauens

Vertrauen ist ein dynamisches, interaktives Geschehen, das von einer Reihe von Faktoren abhängt und aktiv beeinflusst werden kann, sowohl positiv als auch negativ. Dies gilt für Personen ebenso wie für Unternehmen oder Regierungen. Im Zentrum dieser Überlegungen steht das Individuum, denn Vertrauen entsteht zunächst in persönlichen Beziehungen. Gerade diese persönlichen Beziehungen sind es jedoch, die in der heutigen Geschäftswelt immer mehr unter den Tisch fallen. Geschäftskontakte werden erstmal «gegoogelt» und virtuelle Informationen ersetzen oft das traditionelle Vertrauensnetzwerk. Dies bleibt, gerade in Krisenzeiten, nicht ohne Auswirkungen. Immer mehr Firmen stehen vor problematischen Aktionärsversammlungen, Vorstandssitzungen oder Kundenpräsentationen.

Die Herausforderung, die sich hier stellt, lautet: Wie kann gezieltes Trust Management Managern zunächst kurzfristig helfen, (wieder) Vertrauen zu gewinnen? Wie können schwierige Inhalte vertrauenswürdig kommuniziert werden? Natürlich kann nicht die gesamte Vertrauenskultur eines Unternehmens in einer Sitzung geändert werden, aber Manager und Management-Teams können an ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit aktiv arbeiten.

«Vertrauen ist kein ‹soft factor›, sondern ein harter Entscheidungsfaktor. Die Zuversicht und Vertrauenswürdigkeit, die ein Management-Team projiziert, bestimmt oft über Fall oder Weiterbestehen eines Unternehmens», kommentiert Duncan Wiggetts, der als Jurist des internationalen Teams von PriceWaterhouseCoopers Eurofirms Assurance Counselling&Litigation mit Firmen zu tun hat, deren Missachtung von Accounting-
Regeln zu drastischen Vertrauenseinbrüchen geführt hat.

Faktoren der Glaubwürdigkeit

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Was macht konkret persönliche Glaubwürdigkeit aus und wen erleben wir als vertrauenswürdig?  
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Woran erkennen wir, dass ein Mensch aufrichtig ist?
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Warum vertrauen wir manchen instinktiv und anderen gar nicht, und das schon nach wenigen Minuten eines Erstkontakts?
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Warum stimmen die meisten Menschen in der spontanen Beurteilung eines anderen überein?

Festzustellen ist, dass es in uns ein Sofort-
Bewertungssystem gibt, das man als Instinkt oder Intuition beschreiben kann, und dieses befindet sich nicht im bewussten Teil des Gehirns. Es funktioniert nicht auf der Basis von sprachlichen Inhalten, sondern nimmt Dinge wie Körperhaltung, Kleidung, Augenkontakt, Tonfall und Gestik wahr – also nonverbale Elemente. Wenn wir mit anderen Menschen Beziehungen aufbauen wollen, gibt das so genannte «Mirroring»-Konzept erste Hinweise – wer ähnlich aussieht wie ich und sich ähnlich verhält, ist zunächst «vertrauter» und somit vertrauenswürdiger. Der Aufbau von Beziehungen ähnelt einem Tanz, den der Verhaltensforscher Desmond Morris als «Haltungsecho» beschreibt.  Dieses Echo ermöglicht uns unter anderem das Entlarven von unechten, nicht authentischen Beziehungen.

Auf intellektueller Ebene beruht authentisches Vertrauen im Wesentlichen, so sind sich die meisten Forscher einig, auf drei Kriterien: auf wahrgenommener Kompetenz, Verlässlichkeit und Integrität. Diese Fähigkeiten werden über längere Zeiträume aufgebaut und analysiert und sind daher auch eher langfristig beeinflussbar.

Die physische Dimension des Vertrauens hingegen basiert auf der individuellen Körpersprache eines Menschen, die sowohl persönlichkeits- als auch situationsbedingt ist. Hier bietet sich aus der Coaching-Perspektive ein direkter und relativ schneller Zugang zu einer der wichtigsten Grundvoraussetzungen von Vertrauen, denn dieses orientiert sich zunächst an der Körpersprache, insbesondere bei Erstbegegnungen. Dabei geht es darum, eine innere Schlüssigkeit zu erreichen, dem Potenzial des eigenen Körpers, sich angemessen auszudrücken, zu vertrauen.

Das Selbstbild eines Menschen wird von persönlichen Erfahrungen, seiner Selbstwahrnehmung und anderen kognitiven Fähigkeiten geprägt. Dieses Selbstbild, das wir als subjektiven Normalzustand oder «natürliches Ich» beschreiben können, spiegelt sich in einer körperlichen Haltung wider. Diese individuelle Körperhaltung vermittelt Beobachtern einen ersten Einblick in das Selbstbewusstsein eines Menschen: aufrechte oder gebeugte Haltung, Mobilität des Halses oder Haltung des Kopfes sind wichtige Schlüsselelemente. Unter Stress entstehen Spannungen im Körper: die Schultern werden hochgezogen, der Nacken verspannt sich und das Atmen und Sprechen werden erschwert. Das Ergebnis: flachere Atmung, zitternde, dünne Stimme oder explosionsartige Stakkato-Sätze. Die physischen Manifestationen von Stress und Angst, die von anderen bemerkt und kommentiert werden, lösen häufig einen negativen Feedback-Kreislauf aus. Stress verändert Performance, was häufig zu einer Herabsetzung des Selbstvertrauens und damit der eigenen Vertrauenswürdigkeit führt, denn wenn ich mir selbst nicht vertraue, können auch andere mir nicht vertrauen.

«Selbstvertrauen äussert sich physisch vor allem in drei Bereichen: in der Atmung, im vegetativen Nervensystem, das über den Kampf/Flucht-Reflex entscheidet, und im so genannten Haltungsdreieck, das aus Kopf, Schultern und Brustkorb besteht», sagt David Vaux, Senior Coaching Partner, MessageLab.

Prinzip des Umkehrschlusses

Durch eine bewusste Änderung der Atmung und Körperhaltung können im Umkehrschluss (ähnlich dem Prinzip der Physiotherapie) interne Prozesse positiv beeinflusst werden. Gezielte Atem- und Dehnungsübungen spielen dabei eine ebenso grosse Rolle wie zum Beispiel die Bewusstmachung von Haltungsfehlern. Änderungen in der Haltung führen innerhalb kürzester Zeit zu einer Veränderung in der Stressreaktion des einzelnen und ermöglichen eine andere Form der Wahrnehmung und Kommunikation.
Darauf aufbauend geht es im nächsten Schritt darum, kongruent zu sein, das heisst Inhalte und Präsentationsstil einander anzupassen ohne sein natürliches Ich dabei zu verlieren. Das innere Selbstvertrauen profitiert, wenn es gelingt, eine schlüssige Lösung zu finden, die weder verschleier noch beschönigt, sondern Sachlichkeit und Ehrlichkeit voranstellt. Einen akuten Vertrauens-Notstand erfolgreich zu lösen, legt oftmals den Grundstein für erhöhtes Selbstvertrauen.

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Irene Bejenke-Walsh war Journalistin beim «Wall Street Journal» und ist Gründerin der Londoner Management Training Consultancy MessageLab.

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