«Vor guten Fragen kann niemand abhauen.»
Zusammen mit museum schaffen lanciert Thomas Meyer die «Aktion für ein kluges Schaffen». Der Schriftsteller lädt uns mit seinen Fragen dazu ein, unsere Beziehung zur Arbeit zu reflektieren. Fragen wie «Würden Sie gern mit sich zusammenarbeiten?», «Was wäre Ihr liebster immaterieller Lohn?» oder «Ist Ihr Arbeitsleben mehr Arbeit oder mehr Leben?». Wir haben dem Autor von «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» auch ein paar arbeitsrelevante Fragen gestellt.
Das museum schaffen in Winterthur beleuchtet zusammen mit dem Schriftsteller Thomas Meyer («Wolkenbruch») die Um- und Aufbrüche in der Arbeitswelt. (Foto: Andrea Keller)
Sie sind ein Mann des Wortes. Wie gut gefällt Ihnen das Wort Arbeit?
Thomas Meyer: Als Wort selbst? Ich finde es nicht so schön. Da gefällt mir Himbeersirup besser. Und die Worte schön und hübsch finde ich auch schöner, hübscher. Bei Arbeit kommt mir halt unweigerlich «Arbeit macht frei» in den Sinn (Anm. d. Red.: Der Spruch «Arbeit macht frei» wurde durch seine Verwendung als Toraufschrift an den nationalsozialistischen Konzentrationslagern bekannt). Der Begriff ist wohl auch sonst eher negativ konnotiert. Es gibt viele Menschen, die an ihrer Arbeit überhaupt keine Freude haben. Für die ist das Schaffen eine lästige Pflicht.
Bei Ihnen ist das anders, nehme ich an.
Ja. Was ich mache, macht mich sehr froh.
Arbeiten Sie auch des Geldes wegen?
Wenn Sie mir die Frage stellen «Wofür arbeiten Sie?», dann würde ich sagen: «Ich arbeite für meine Freude.» Und wenn Sie mich fragen: «Wofür arbeiten Sie wirklich?», dann sage ich: «Es besteht wohl der Verdacht, dass ich für meine Wertschätzung arbeite – und dabei erlebe ich viel Freude.» Aber Geld als Motivator? Nein. Auch wenn kein Geld zu haben, eine Menge Stress bedeutet. Ich habe in verschiedenen Phasen in meinem Leben wenig bis kein Geld gehabt und das als äusserst unangenehm empfunden. Wenn du merkst, dass du nicht mehr in der Lage bist, deinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, dann werden aus Auslagen Forderungen. Und aus den Forderungen werden potenziell unangenehme Konsequenzen. Es macht mich sehr betroffen, dass im Kanton Zürich rund 100’000 Menschen unter dem Existenzminimum leben müssen.
Was glauben Sie, wie wird es mit der Arbeit grundsätzlich weiter gehen?
Die fortschreitende Digitalisierung wird viel verändern. Ich glaube, dass das positiv ist – nicht ausschliesslich, aber auch. Gerade, weil uns das die Möglichkeit gibt, unsere Beziehung zur Arbeit zu überdenken. Und wenn viele Jobs obsolet werden, sind wir irgendwann wirklich gezwungen, ein Grundeinkommen zu verteilen. Weil es anders gar nicht mehr geht. Ich finde, dass es viele der heutigen Jobs und Branchen im Grunde nicht braucht. Marketing, Werbung, Beratung, das ist doch alles Quatsch. Es ist auch nicht notwendig, ständig Neues zu kaufen und permanent in der Welt herumzureisen. Wir alle fürchten den Verzicht, der momentan empfohlen wird, aber täte er uns wirklich weh? Wenn man nicht mehr jeden Tag Fleisch isst, sondern nur noch einmal pro Woche, auf Städtereisen verzichtet und sein Handy und sein Auto vier oder mehr Jahre lang benutzt – ist das wirklich ein Verlust von Lebensqualität?
Was ist für Sie ein «kluges Schaffen»?
Ein kluges Schaffen ist ein Arbeiten, das niemandem zum Schaden gereicht. Ein kluges Schaffen ist ein konstruktives Schaffen. Ein kluger Chef ist einer, der das Beste aus den Leuten rausholt und nicht das Schlechteste. Ganz einfach.
Zur Person
Thomas Meyer, 1974 geboren, arbeitete nach einem abgebrochenen Jura-Studium als Texter in Werbeagenturen und als Reporter auf Redaktionen. 2007 startete er die «Aktion für ein kluges Zürich» und machte sich als Autor und Texter selbständig. Sein erster Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» wurde zu einem Best- und Longseller, die Verfilmung «Wolkenbruch» (2018) war ein grosser Kinoerfolg und für fünf Schweizer Filmpreise nominiert. Mit «Verschiedene Arten von Warten», «Meyers kleines Taschenlexikon», «Meyer rät» und «Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin» sind 2019 gleich vier neue Bücher erschienen. Thomas Meyer lebt und arbeitet in Zürich. thomasmeyer.ch
Zur «Aktion für ein kluges Schaffen» und ihren Partnern
Schriftsteller und Aktionskünstler Thomas Meyer lädt in Kooperation mit museum schaffen dazu ein, das eigene Arbeiten zu reflektieren. Meyer hat für das moderne Historische Museum in Winterthur eine Reihe von Fragen ausgearbeitet, die u.a. auf Postkarten und Plakate gedruckt wurden. Unterstützt wird die Aktion von Wachter Büro AG. Mehr Infos: museumschaffen.ch