Neue Strategien gegen den Fachkräftemangel

Was sich in der Personalpolitik ändern muss

Der Fach- und Führungskräftemangel wird sich in den kommenden Jahren zuspitzen. Deshalb müssen Unternehmen jetzt neue Strategien entwickeln. Acht Impulse für effektives Recruiting, attraktives Employer Branding und eine starke Mitarbeiterbindung.

In fast allen Berufen fehlen Arbeitskräfte. Das ist nachvollziehbar, denn die Angehörigen der Baby-Boomer-Generation scheiden zunehmend aus dem Erwerbsleben aus. Aufgrund der geringen Zahl von Nachwuchskräften werden – ohne eine wirksame Zuwanderungsstrategie – in den nächsten Jahren fast doppelt so viele Menschen den Arbeitsmarkt verlassen wie neue hinzukommen. Deshalb müssen sich die Personalverantwortlichen in den Unternehmen auf neue Herausforderungen einstellen.

1. Je passender eine Stelle besetzt wird, umso geringer ist der Führungsaufwand

Je grösser die Zahl der Bewerbende auf eine vakante Stelle ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter eine Person befindet, die die fachlichen Anforderungen an die Position erfüllt. Eine effektive Personalauswahlerspart Aufwände, die sonst in das Führen und Entwickeln neuer Mitarbeitende investiert werden müssten.

Im Verlauf der Jahre haben sich hierfür ausgeklügelte Tests und Systeme etabliert. Diese Tools verlieren an Relevanz, wenn bei einer Vakanz nur noch ein, zwei Bewerbende vor der Tür stehen. Dann müssen die Unternehmen mit höheren Aufwänden für die Personalentwicklung und -führung rechnen.

2. Sich vom Wunschbild der «eierlegenden Wollmilchsau» verabschieden

Beim Formulieren der Stellenanforderungen bringen die Unternehmen meist ihre Traumvorstellung zu Papier. Und diese spiegelt sich nicht nur in ihren Stellenanzeigen wider; mit entsprechenden Erwartungen gehen sie auch in die Personalauswahlgespräche. Das ist in der aktuellen Arbeitsmarktsituation kontraproduktiv, denn dann befindet sich unter ihnen selten die «eierlegende Wollmilchsau», von der sie träumen.

Dabe muss bei der Formulierung von Stellenanforderungen klar zwischen Muss-Kriterien, also Kompetenzen und Eigenschaften, die unverhandelbar sind, sowie Soll- und Nice-to-have-Kriterien unterschieden werden. Und überlegen Sie sich vor den Auswahlgesprächen unter welchen Voraussetzungen Bewerbende, die nicht alle Anforderungen erfüllen, doch noch interessante Mitarbeitende sein könnten. Zum Beispiel, wenn sie eine Schulung besuchen? Oder indem man die Arbeitsprozesse leicht umgestaltet? Oder gewisse Teilaufgaben Kollegen oder externen Dienstleistern überträgt?

3. Als potenzieller Arbeitgeber sichtbar und attraktiv sein

Anders als früher müssen sich Unternehmen bei den Interessenten bewerben.

Das heisst, sie müssen dafür sorgen, dass sie als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Sei es, indem sie sich in Hochschulen dem potenziellen Nachwuchs vorstellen. Sei es, mit einem treffenden Spruch auf dem Firmenwagen. Sei es, indem sie sich, gezielt in den Social Media.

Wichtig ist es, dort sichtbar zu sein, wo sich potenzielle Mitarbeitende befinden. Deshalb ist es zum Beispiel für Handwerksbetriebe und regional tätige Dienstleister, die Unterstützung suchen, weniger sinnvoll auf einem Businessportal wie Linkedin zu suchen.

4. Ausser dem Plan A auch einen Plan B und C haben

Solange eine Stelle unbesetzt ist, müssen die vorhandenen Mitarbeitenden die nicht wahrgenommenen Aufgaben erledigen. Das kann, wenn die Situation länger andauert, zu überlastungsbedingten Ausfällen und sogar Kündigungen führen, die weitere Löcher in die Personaldecke reissen.

Deshalb sollten Unternehmen, wenn Stellen vakant sind, stets auch Ausweichepläne und Interimlösungen bereit haben. Eine solche Lösung kann sein, dass das Unternehmen temporär gewisse Leistungen für Kunden nicht mehr erbringt. Oder dass externe Dienstleister aushelfen. Oder dass mit anderen Unternehmen kooperiert wird, um Engpässe aufzufangen und Spitzen abzufedern.

5. Bei der Personalauswahl schneller und flexibler werden

Wer Menschen für sich gewinnen möchte, muss ihnen zeigen, dass er sich für sie interessiert – durch sein Verhalten. Diesbezüglich sollten viele Personalverantwortliche ihr Verhalten überdenken. So sollte es zum Beispiel selbstverständlich sein, dass sie sich, wenn sie einen interessanten Kandidaten an der Angel haben, der noch für ein anderes Unternehmen arbeitet, mit diesem auch mal am Wochenende oder in den späten Abendstunden treffen. Ausserdem sollten sie, wenn der Auswahl- oder Einstellungsprozess länger dauert, regelmässig im Kontakt verbleiben. Denn die wirklich guten Kandidaten und Kandidatinnen haben fast immer mehrere Optionen. Entsprechend stark müssen Sie um ihre Gunst kämpfen.

6. Die Personalpolitik den Bedürfnissen der Generation Z anpassen

Den Angehörigen der Generation Z wird oft vorgeworfen, sie seien weniger leistungsbereit und fordernd. Doch ist das wirklich so?

Unser Eindruck ist: In der Generation Z gibt es, prozentual gesehen ebenso viele leistungsbereite Stellensuchende wie früher. Weil deren Gesamtzahl aber niedriger ist, müssen die Betriebe bei den Anforderungen, die sie an Mitarbeitende stellen, heute schon oft grosse Zugeständnisse machen. Deshalb sind sie im Betriebsalltag verstärkt mit Mitarbeitern konfrontiert, die unter anderem eine geringere Eigenmotivation haben und deshalb mehr Führung brauchen.

Doch auch die Bedürfnisse der leistungsstarken jungen Mitarbeitenden haben sich geändert. Sie wollen nicht, dass die Erwerbsarbeit ihr gesamtes Leben dominiert. Weil sie mehr Joboptionen haben, fordern sie geregelte Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, die Möglichkeit, mobil zu arbeiten oder eine längere Auszeit zu nehmen. Dasselbe gilt für die Chancen, beruflich voranzukommen. Die jungen Leute warten seltener als ihre Eltern darauf, dass ihnen diese gewährt werden, sie fordern diese aktiv ein.

Auf diese veränderten Rahmenbedingungen müssen die Unternehmen sich einstellen.

7. Die menschliche Arbeitskraft wird teurer, also sollte man sie effektiver nutzen

«Je knapper ein Gut ist, desto teurer wird es.» Diese betriebswirtschaftliche Binsenweisheit haben viele Unternehmer in den letzten Jahren schmerzhaft erfahren. Das gilt auch für die menschliche Arbeitskraft. Sie wird in den kommenden Jahren aufgrund ihrer demografisch bedingten Knappheit immer teurer werden.

Wenn ein Gut knapp und somit teuer ist, sollte man sparsam mit ihm umgehen. Einsparmöglichkeiten bieten sich beispielsweise durch die Digitalisierung.

8. Die benötigten Arbeitskräfte selbst ausbilden und entwickeln

Eine Alternative zum Rekrutieren von Fach- und Führungskräften vom Arbeitsmarkt ist es, diese selbst auszubilden beziehungsweise zu entwickeln. Das ist mit Aufwänden verbunden, kann jedoch langfristig ein wichtiger Beitrag zur Problemlösung sein. Das hat den Vorteil, dass Berufseinsteigende in den Betrieb beruflich sozialisiert werden, die Werte verinnerlichen und eine emotionale Beziehung zum Unternehmen entwickeln. Das stärkt die Bindung zum Unternehmen.

Und noch ein Hinweis: Wie oft eine Stelle neu besetzt werden muss, hängt auch von der Verweildauer der Mitarbeitenden im Betrieb ab. Wenn regelmässig wertvolle Mitarbeitende aus unbekannten Gründen das Unternehmen verlassen, besteht ein Problem in der Unternehmenskultur beziehungsweise Personalpolitik und -führung.

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Klaus Doll ist Inhaber der Klaus Doll Organisationsberatung. doll-beratung.de

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Nikola Doll arbeitet als Business-Coach insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen. doll-coaching.de

 

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