Wenn das Homeoffice-Hamsterrad durchdreht
In schwierigen, unsicheren Zeiten ist es entscheidend, zwischen den Ohren fit zu bleiben. Das Problem daran ist meist, dass wir gar nicht bemerken, wann wir mental nicht mehr fit sind.
So bleiben Sie auch in schwierigen Zeiten mental fit. (Bild: iStock)
Der Wohnzimmertisch ist voll. An einem Ende der Zehnjährige, der gerade mit einer trägen Internetleitung seiner Lehrerin das erste Newtonsche Gesetz erklären soll. Am anderen Ende des Tisches die beinahe komatöse Mutter, die schon mehr als zwei Stunden verfolgt, wie ihr Chef die 93. Powerpoint-Folie im Zoommeeting präsentiert. Im Schlafzimmer sitzt der Mann und versucht, einem Kunden via Skype die Vorzüge einer ausserordentlichen Zusatz-Versicherung zu erklären.
Homeoffice ist gut machbar, schreiben in Artikeln immer wieder viele Experten, die (wahrscheinlich) alle in einer Achtzimmervilla mit Park wohnen. Aber nicht nur Homeoffice und Homeschooling belastet viele Menschen. Auch das dauernde Abwarten und sich wieder an neue Regeln gewöhnen, verunsichert die Menschen. Zudem wächst die Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Der Credit Suisse Sorgenbarometer zeigte bereits im November 2020, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit bei der Schweizer Bevölkerung zunimmt. Abgesehen von Corona belastet auch die voranschreitende Digitalisierung viele Arbeitnehmende ebenso wie Unternehmer.
Jede Krise ist eine Chance
Auch wenn man Beratern, die solche Sätze von sich geben, gerne Gewalt androhen möchte, hat dieser Satz einen wahren Kern. Wir haben es gerne bequem und fühlen uns deshalb in unserer Komfortzone wohl. Über die Restaurant-Tests im TV oder besser die Restaurant-Besitzer beispielsweise lachen wir, weil sie anscheinend so viele Fehler machen, die für uns ja offensichtlich sind. Doch wie offensichtlich sind die Fehler für Aussenstehende, die wir innerhalb unserer eigenen Arbeitswelt machen? Weil wir schon zu tief im Hamsterrad gefangen sind, nehmen wir unsere Situation gar nicht mehr richtig wahr. Die «Chance», aus dem Hamsterrad auszusteigen, uns davor hinzustellen und nachzudenken, können wir aber nur dann schaffen, wenn wir mental fit sind.
Wer ist schuld?
Es gibt Menschen, die gerne die Opferrolle einnehmen und mal schauen, wer Schuld an der Sache hat. In der aktuellen Lage zählen ebenjene Menschen gerne auf, was im Moment alles nicht mehr möglich ist und kennen die lückenlose Liste der gegenwärtigen Missstände im Land. Das hilft niemandem. Es gibt eigentlich nur eine einzige Möglichkeit, um mit schwierigen Situationen umzugehen: Das Hamsterrad zu verlassen und sich dieses (und damit das Unternehmen, die Arbeitsstelle, den Beruf) gründlich von aussen anzuschauen und zu analysieren.
Diese «Ortung» ist schwierig, aber entscheidend. Denn sie ist die Basis des Wortes «Selbstverantwortung». In diesem Prozess stellt man sich Fragen und gibt die entsprechenden Antworten («Verantwortung»). Hat man dies gewissenhaft erledigt, geht es an die Umsetzung. Das mag zwar vereinfacht und banal klingen, ist aber der Anfang der Transformation vom Opfer zum kreativen Macher. Reflektion oder Analyse sind immer der Anfang. Genau genommen ist der Anfang die Erkenntnis, dass etwas nicht mehr stimmt. Dass man unzufrieden und unmotiviert ist. Die Selbstverantwortung wieder zu übernehmen, ist nicht immer angenehm. Denn es bedingt, dass wir Entscheidungen fällen. Für etwas und damit auch gegen anderes. Solche Entscheide treffen wir meist nur ungern. Die Schuld jemand anderem zu geben, ist einfacher, hilft aber auf Dauer definitiv nicht weiter.
Mental fit bleiben
Nehmen Sie sich wöchentlich mindestens eine halbe Stunde Zeit und reflektieren Sie, was in Ihrem Leben gerade so abläuft. Wie Sie sich fühlen. Welche Erfolge Sie erleben und mit welchen Schwierigkeiten Sie konfrontiert werden. Schreiben Sie dazu jede Woche ein paar Gedanken auf. So reflektieren Sie, was gerade passiert und werden dabei Muster erkennen und damit Begebenheiten, die sich wiederholen. Dinge, Menschen und Situationen, die Sie immer wieder unnötig Energie kosten. Die Sie nachts wachhalten. Passiert dies über eine längere Zeit, lohnt es sich darüber nachzudenken, wie lange Sie diesen Preis noch bezahlen möchten. Analysieren Sie auch, womit Sie sich befassen. Wie sprechen Sie zu sich selbst? Positiv oder ist bei Ihnen eher der innere Kritiker aktiv? Mit welchen Informationen, Nachrichten und TV-Serien belasten Sie sich täglich?
Künftig wird es noch entscheidender sein, wie wir alle mit schnellen Veränderungen und schwierigen Situationen umgehen können. Lassen wir uns von der Angst der Veränderung lähmen oder bewältigen wir beides kreativ und mit einer hohen Flexibilität. Nehmen Sie die Herausforderung an? Eigentlich gibt es keine Alternative dazu.