«The crazy Bavarian»
«Die Menschen sollen wissen, wie sie mit IT ihr Leben angenehmer und effizienter gestalten können», erklärt von Heimburg dessen Vision. McGovern und er begegneten sich 1992 zum ersten Mal auf einem Treffen der europäischen Manager in Mailand. Wenige Monate zuvor hatte der damals 35-Jährige eingewilligt, die Zeitschrift «PC Welt» zu sanieren und damit den Consumerbereich der deutschen IDG-Tochter auf Vordermann zu bringen. Sein Rettungskonzept war verwegen: den Copypreis senken, die Auflage verdoppeln. «Das war das Gegenteil dessen, was im Lehrbuch steht», grinst von Heimburg, «ausserdem verlangte ich das grösste Investment, das die Company jemals in Europa zu vergeben hatte.» McGovern lehnte die Budgetforderung ab, von Heimburg ging um eine Million herunter, erreichte ein halbherziges Go und hiess fortan «The crazy Bavarian». Doch wie verrückt er wirklich war, sollte sich erst noch zeigen.
«Ich warnte meine Frau: Innerhalb von sechs Wochen kann das vorbei sein. Denn das Kioskgeschäft, also das Denken vom Verbraucher her, war damals neu für die Amerikaner. Doch ich wusste, dass wir nur die Qualität von PC-Zeitschriften energisch anheben mussten, um Erfolg zu haben.» Ein paar Monate später trafen sich die Manager erneut, und von Heimburg bekannte Farbe: dass er nämlich die Hälfte des unter Vorbehalt bewilligten Geldes bereits ausgegeben hatte. «Ich war sicher, dass das hinhaut», beteuert er, «das hatte ich aus sämtlichen Marktstudien herausgelesen.» Zahlen lügen nicht.
Anfang der 90er Jahre hatte der IBM-PC die Wohnstuben erobert. Wer solch ein Ding zu Hause stehen hatte, wollte alles erfahren, was er mit seinen AT oder XT oder später mit Apples Mac anstellen konnte. Der Wissensvorsprung der Redakteure war dahingeschmolzen, der User wurde schlau. «Wir kannten unsere Schwächen und wir kannten unsere Stärken», kürzt der Manager ab, «und ich habe eben die Stärken zusammengeworfen.»
York von Heimburg
Wurde 1957 in Huglfing, eine halbe Autostunde südlich der bayerischen Landeshauptstadt, geboren. Nach dem Studium in München begann der Diplom-Kaufmann bei einem Sachbuchverlag im Vertrieb und stieg innert drei Jahren zum Verlagsleiter auf. 1987 wechselte er zur Markt & Technik AG. Fünf Jahre später – inzwischen war er Vertriebsdirektor für sämtliche Magazine und verantwortete zudem die internationalen Joint-Ventures des Verlags – wagte er sich für die International Data Group (IDG) Deutschland an den Turnaround der Computerzeitschrift «PC Welt». Er schaffte es und blieb dem Konzern treu. Seit 2003 ist von Heimburg CEO der IDG Communications Media AG sowie Mitglied des IDG Executive Committee in Boston/USA.
1997 wurde von Heimburg für das erste seiner inzwischen vier Wirtschaftsbücher mit dem «European Book Award» ausgezeichnet. Die Neigung zum Schreiben liegt ihm im Blut: Schon sein Vater war ein leidenschaftlicher Schriftsteller und Cousin Patrick Süskind landete mit dem «Parfum» einen Weltbestseller.
Binnen eines halbes Jahres verdoppelte sich die verkaufte Auflage auf mehr als 100000 Exemplare. Das Board in den USA zeigte sich beeindruckt, spendierte Zeit und Budget. Der Consumerbereich wuchs von 25 auf 160 Mitarbeiter. Gut drei Jahre später warf die Zeitschrift erstmals einen Gewinn ab. «Auf jedem Meeting habe ich gekämpft», erzählt von Heimburg. «Ich habe immer wieder gesagt, was ich erreichen will und wie ich es erreichen will. Natürlich gab es auch Zweifel, das ist klar. Doch am Ende habe ich den internen Preis für Outstanding Performance gewonnen. Darauf basiert meine hohe Reputation bei Pat McGovern.»
Engagement mit Vollgas auch im Spiele- und Online-Bereich
Drei Jahre nach dem geglückten Husarenstück gründete von Heimburg den Verlagsbereich Entertainment. Nicht nur seine Söhne fanden die Idee, PC-Spielezeitschriften zu entwickeln, cool. Auch der Markt schrie förmlich danach. Weitere IDG-Landesgesellschaften übernahmen das Konzept, in der Folge ebenso manches andere. Die Denkmäler des «crazy Bavarian» laufen noch heute aus den Druckmaschinen: «Alle Medienmarken, die ich auf den Markt gebracht habe, gibt es noch heute.» Wiederum als Erster wagte sich von Heimburg an ein ausschliesslich elektronisch produziertes «Webzine» für technische IT-Entscheider. «Das hat viel Geld gekostet, aber die Investition wars wert, weil IDG dadurch die Kraft schöpfte, im Online-Bereich Gas zu geben. Das war ein wichtiger Schritt auf dem Weg vom Verlagshaus zum Medienhaus.»
Den Mutigen gehört entweder bald gar nichts mehr oder die Welt. Von Heimburg wurde Chairman von International Global Solutions, der weltweiten IDG Key Account-Sales-Organisation. Im Jahr 2000 berief ihn McGovern als ersten und einzigen Europäer in das Executive Committee. Drei Jahre später übernahm der Bayer das komplette Deutschlandgeschäft mit heute 300 Mitarbeitenden. Als Dank für unbedingte Gefolgschaft oder für das Aufzeigen neuer Wege? «Für beides», meint York von Heimburg. «Ich glaube, dass ich im Konzern aber noch etwas anderes gezeigt habe: Das hohe Veränderungstempo macht es uns Managern unmöglich, allein richtig zu handeln. Wir müssen ständig lernen und uns in diesen fliessenden Prozessen extrem auf Leute verlassen, die andere Fähigkeiten als wir selbst haben. Man muss die richtigen Leute finden und denen dann auch vertrauen.»
Im Verlagsgewerbe wird kein Stein mehr auf den anderen passen
Seitdem von Heimburg an der Spitze von IDG Deutschland steht, hat er seine Führungsmannschaft immer wieder neu formiert. «Heute haben die Online-Leute die Nase vorn», sagt er. Schnelldreher wie die neuen Aldi-PCs würden zum Beispiel in seinen Zeitschriften längst nicht mehr besprochen, weil die am Erscheinungstag schon ausverkauft seien. «Das heisst nicht, dass wir Print vernachlässigen. Aber wenn das gedruckte Medium überleben will, muss es sich der Zukunft anpassen. Und die ist Online.» Gekonnt platziert der Medienmann die schlagzeilenträchtigen bad News: «Im Verlagsgewerbe wird in den nächsten Jahren kein Stein mehr auf den anderen passen.» Beschwörend beugt er sich vor und knipst das jungenhafte Lächeln aus. «Viele tradierte Businessmodelle werden beim Leser und beim Werbekunden zusammenbrechen. Die Kunden fragen immer stärker nach vernetzten Werbelösungen zwischen Print und Online nach, was eine komplett neue Organisationsform und das Hineinwachsen in das Beratungsgeschäft nach sich zieht.»
Die Fakten sprechen für sich: «Der Online-Anteil am gesamten Publishing-Umsatz bei IDG Deutschland beträgt jetzt schon 22 Prozent und wird bis 2010 bei etwa 35 Prozent liegen. In Dänemark, zum Beispiel, wird von fünf Computerzeitschriften nur noch eine gedruckt, alle anderen laufen online.» Von Heimburgs Schlussfolgerung: «Die Lebensader der tradierten Verlage ist in Gefahr. Viele wissen das noch nicht und spielen noch ein bisschen herum. Doch gerade jetzt kommt es darauf an, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen. IDG zum Beispiel hat sich nur über all die Jahre gehalten, weil es sich vor dem Hintergrund eines konstanten Ziels ständig gewandelt und diese Veränderungsfähigkeit als Stärke erkannt hat.» Jetzt ist das Lächeln zurück. «Wer weiss, worin er richtig gut ist, schafft den Sprung in die Zukunft.»
York von Heimburg und seine Familie sind offenbar geradewegs dabei. Der 17-jährige Sohn weilt gerade in Dubai, der 19-jährige macht Abitur, die Gattin ist eine erfolgreiche Juristin und er auf dem vorläufigen Zenit seiner Karriere. Rückblickend hält er die Jahre zwischen 1995 und 2003, als er parallel die deutsche Niederlassung reorganisierte, für das Executive Committee in der Weltgeschichte herumflog und Bücher über virtuelle Führung und Fokussierung schrieb, für die anstrengendste Zeit. «Das war hart, denn ich hatte einen aufreibenden Job, unter dem meine Familie gelitten hat.» Hätte sich der Manager/Ehemann/Vater/Autor dann nicht besser auf eine einzige Aufgabe fokussieren sollen? «Diese Wahl hat man nicht in einer solchen Position», schüttelt er den Kopf, «denn was man tut, sollte man auch richtig machen.»
Internationale IT-Mediengruppe
Die IDG Communications Media AG in München ist eine 100-prozentige Tochter der International Data Group (IDG) in Boston. Gegründet 1964 als Marktforschungsunternehmen für die erwachende Computerbranche, verwandelte sich IDG in den 70er Jahren in eine IT-Mediengruppe mit angeschlossenem Research- und Konferenzbereich, die heute in 85 Ländern der Welt vertreten ist. Zu den bekanntesten Medienmarken gehören «Computer World» und «PC World». Die dritte Metamorphose läutete Gründer und Chairman Patrick McGovern 1992 mit der Gründung einer Venture-Tochter ein. Im Portfolio finden sich heute 220 Firmen, an denen IDG mit einem Investitionsvolumen von zwei Milliarden Dollar beteiligt ist. Mit Spenden von mehr als 350 Millionen Dollar an das MIT für das Fach Brain Research gehört das Ehepaar Patrick und Lore Harp McGovern heute zu den wichtigsten Wohltätern der USA.
Mit Ausnahme des Beteiligungsgeschäfts ist IDG Deutschland, ebenso wie die Schwesterfirmen IDG Schweiz und IDG Österreich, auf allen Geschäftsfeldern tätig: Zeitschriften, Corporate Publishing, Online, Web-TV, Events und Konferenzen sowie Marktforschung. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen rund 300 Mitarbeitende. Der Umsatz im letzten Geschäftsjahr betrug 108 Millionen Euro.