Werte im Unternehmen

Wir kommunizieren, also sind wir – Sprache als Basis der Firmenidentität

Unternehmen investieren viel Energie in Markenauftritt, Werbung und Marketing. Oft endet dieser Einsatz zu früh, stoppt vor der Alltagskommunikation, wie sie in Briefen und E-Mails stattfindet. Der schriftliche Dialog, intern und mit Kunden, entscheidet jedoch über Erfolg oder Misserfolg. Er braucht deshalb eine Entwicklung, die auf den Firmenwerten basiert.

Die Sprache ist das wichtigste Werkzeug eines Unternehmens. Über die Sprache wird informiert, ausgetauscht, geklärt, bewertet, abgeschlossen, neu angefangen. Nachrichten werden verstanden oder nicht, Vertrauen aufgebaut oder zerstört, ein Image glänzend dargestellt oder vernichtet. Sprache formt immer Identität. Deshalb sind die Werte eines Unternehmens die Hauptverantwortlichen für die Entwicklung der gesamten Unternehmenssprache. Sie bilden den Rahmen und stabilisieren die Kommunikation. Passt die Sprache zu den Unternehmenswerten, unterstützt sie deren Verankerung in der externen wie internen Wahrnehmung. Eine wertvolle Unternehmenssprache drückt eine Haltung und Dialogbereitschaft aus – auch in schwierigen Situationen. Sie stellt den Unternehmenszweck überzeugend dar.

Unternehmen sind also gut beraten, wenn sie bei der Sprachentwicklung weder nach alter Schule verfahren noch allgemeinen Regeln oder Trends hinterherjagen. Die Sprache ist kein Spielball und kein Modell für modische Accessoires – sie ist das Abbild der Unternehmensidentität und sollte sorgfältig gewählt werden.

Eine massgeschneiderte Unternehmenssprache, welche die Unternehmenswerte treffend transportiert, wirkt unaufgeregt, authentisch und dadurch langfristig glaubwürdig.

Neu eingekleidet

Die Veränderung und Entwicklung der Sprachkultur legt auch verständliche Ängste frei. Das Ablegen einer sprachlichen Standardgarderobe zeigt das Unternehmen unverhüllt, macht sichtbar und angreifbar. Das Anziehen der neuen Kollektion braucht daher Zeit und erfordert Mut, dokumentiert es doch das Einstehen für die gewählte Identität und deren Werte.

Mehr Wert – Schritt für Schritt

Die Entwicklung einer authentischen Unternehmenssprache beginnt mit den richtigen Fragen:

  1. Schritt
    a. 
Unternehmensauftrag definieren: Welche Aufgabe erfüllen wir?
    b. 
Wer sind wir?
    c. 
Welche Eigenschaften machen uns aus? (Werte)
    d. 
Wie möchten wir wirken und verstanden werden?
  2. Schritt
    a. 
Dient unsere Kommunikation unserem Unternehmensauftrag?
    b. 
Wird unsere Identität in unserer Sprache sichtbar?
    c. 
Pflegt unsere Sprache unsere Werte?
    d. 
Kommunizieren wir so, wie wir wirken und verstanden werden möchten?

Dieses Zwei-Schritte-Programm lohnt sich und schützt vor zu schnellen oder falschen Schlüssen. Angenommen, ein Unternehmen hat in seinem Leitbild Eigenschaften wie «sympathisch», «innovativ» und «vorausschauend» definiert, so müssen genau diese Werte in die Sprachbeurteilung einfliessen. Viele machen hier den Fehler, dass sie bei der Textbeurteilung nicht mit diesen Werten arbeiten, sondern andere Kriterien verwenden wie zum Beispiel «klar», «kurz», «professionell». Diese Standardwerte formen die Sprache völlig 
anders. Sie entsorgen zwar abgenutzte, standardisierte Floskeln, greifen aber nicht die Unternehmenswerte auf und verpassen so Chancen. Fliessen jedoch die unternehmensspezifischen Werte in die Sprache ein, zeigt sich die wahre Identität – es stimmt einfach. (Einige Beispiele siehe Kasten rechts.)

Vitaler Ausdruck der Identität

Während die Standardsprache leblos bleibt, signalisiert die auf Werten und Identität aufbauende Firmensprache Vitalität. Werte sind kein Luxus, sie sind das Natürlichste überhaupt und die Basis jeder lebendigen Unternehmenskultur. Denn schliesslich wollen Unternehmen im Markt erkannt und richtig verstanden werden.

Case BKW: Firmensprache mit dem richtigen Mass an Energie entwickelt

as Human Resources Management der BKW FMB Energie AG (BKW) hat in Workshops die Sprache ihrer  Briefe analysiert und eine Wortgalerie entwickelt, die sich an den zentralen Werten des Unternehmens orientiert. Energie ist für die BKW ein solcher Wert und spielt daher für die neue Struktur der Texte und das Wording eine wesentliche Rolle. Er ist attraktiv für die schriftliche Kommunikation und zugleich eine Gefahr, denn: Ein Text ohne Energie ist belanglos, ein Text mit zu viel Power kann gerade im HR Formulierungen mit Verletzungspotenzial herbeiführen.

Am Anfang der Veränderung stand der Leitsatz: «So denken wir, so schreiben wir. Zuerst die Haltung, dann die Sprache.» «Wir haben», so Adrian Röthlisberger, HR Recruiting Consultant der BKW, «eine Balance gefunden zwischen unzweideutiger Information und frischer, authentischer Ansprache. So können wir Bewerbenden den Respekt entgegenbringen, den sie verdienen. Denn der heute unpassende Bewerber ist bei einer anderen Vakanz vielleicht morgen schon der Wunschkandidat.»

Beispiele:

Eingangsbestätigung

Schön, dass Sie Ihre Energie für unser Unternehmen einsetzen möchten. Sie erhalten so schnell wie möglich eine Rückmeldung auf Ihre Bewerbung.

Absage

Für das Vorstellungsgespräch vom ... bedanken wir uns bei Ihnen. Im Telefongespräch mit Herrn/Frau ... haben Sie die Gründe für unsere Absage erfahren und besprochen.

Wir wünschen Ihnen alles Gute und viel Energie für alles, was Sie anstreben/erreichen möchten.

Entscheid

Sehr geehrte Frau...

Noch einmal vielen Dank für Ihr Interesse an der Mitarbeit in der BKW und für Ihre Bewerbung als ... .

Allerdings kann ich Ihnen keinen positiven Bescheid geben. Ihre Bewerbung ist nicht in der engeren Wahl, da andere Kandidatinnen und Kandidaten besser auf das Anforderungsprofil für diese Position passen.
Für Ihre Pläne wünsche ich Ihnen viel 
Energie und Erfolg.

Absage für Auszubildende

Lieber Peter Muster («Sehr geehrte Frau/Herr» wirkt für junge Menschen zu formell, zu distanziert.)

Die Lehrstellensuche verlangt Ausdauer und Energie. Wir wünschen Ihnen beides für die weitere Suche nach einem Ausbildungsplatz. Bitte lassen Sie sich von dieser Absage nicht entmutigen.
Alles Gute für Sie und viel Glück.

Die Wortgalerie räumt nicht jede Unsicherheit aus dem Weg. Das schriftliche Gespräch mit Menschen, die sich bewerben und einen Schritt weitergehen möchten, ist anspruchsvoll.
Das Fazit von Adrian Röthlisberger: «Noch sind wir im BKW HR nicht alle Profis in der Korrespondenz. Dass wir aber einen guten Schritt in die richtige Richtung gemacht haben, zeigen die Rückmeldungen und Reaktionen. Rückblickend lässt sich sagen: Es hat sich gelohnt.»

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Angelika Ramer trainiert seit über 15 Jahren Unternehmen in schriftlicher Kommunikation und verfasste zu diesem Thema fünf Sachbücher. Die Kommunikationsberaterin und frühere Journalistin ist Inhaberin der «Identität ist Sprache – Ramer & Partner AG».

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