HR Today Nr. 9/2022: Porträt - Nicole Rütsche

Wo Feuer und Eis sich vereinen

Sie brennt für ihren Beruf und entspannt sich in der Freizeit beim Eisbaden. Nicole Rütsche, Head of HR und Mitglied der Geschäftsleitung der NZZ, hat Energie für Zehn und einen guten Sinn für Humor.

Ausdauer beweist Nicole Rütsche nicht nur beim Eisbaden, wenn sie sich im Winter in den Zürichsee wagt, sondern auch beim heutigen Fotoshooting an der Falkenstrasse. Es ist warm an diesem Sommermorgen. Die Temperatur steigt von Minute zu Minute. Doch die Head of HR der NZZ bleibt geduldig und posiert engagiert – ob im Eingangsbereich, im Sitzungszimmer oder auf der Dachterrasse. Beim Begehen des Gebäudes vermittelt ein «Hallo» hier, ein «Wie geht’s» da das Gefühl, als sei Rütsche schon ewig da.

Dabei ist sie erst 2020 durch eine Headhunter-Anfrage zum Medienunternehmen gestossen. «Zu diesem Zeitpunkt hatte ich dieselbe Position im Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) in Zürich inne und war im Abschluss eines People-Transformationsprozesses. Kein idealer Zeitpunkt, um zu gehen.» Rütsche macht das Angebot jedoch neugierig: Die engagierte Personalerin kommt auf ein Gespräch zur NZZ, das äusserst positiv verläuft. «Ich verstand mich auf Anhieb mit meinem potenziellen Vorgesetzten, unserem CEO Felix Graf.» Nicole Rütsche erhält die Stelle und beginnt im August 2020 ihre Tätigkeit beim Medienunternehmen.

 

 

Packen wir es an …

Seither ist viel passiert, denn Nicole Rütsche besitzt Energie für zehn. Man spürt ihre Energie förmlich – im Gespräch sprudeln ihre Worte nur so hervor. Ihre Power zeigt sich nicht nur so: Rütsche treibt auch Veränderungen mit ebenso grossem Engagement voran. Derzeit beschäftigt sie sich beispielsweise mit Kolleginnen und Kollegen anderer Unternehmensbereiche mit der digitalen Transformation sowie der Ausrichtung der Unternehmens- und Führungskultur auf­ ­verschiedene Generationen.

Dem HR stellen sich dabei Fragen wie: Was kann HR dazu beitragen, dass die NZZ auch in Zukunft die benötigten Fachkompetenzen im Haus hat? Welche Art von Leadership und ­Führungsqualitäten braucht es? Wie kann HR als Sparringpartner die Linie noch besser unterstützen und helfen, Innovationen voranzutreiben? Hinzu kämen die alltäglichen, aber nicht weniger wichtigen Aufgaben: «Zurzeit erarbeiten wir einen Anforderungskatalog für ein neues HR-Tool, um HR-Standardprozesse zu automatisieren und zu digitalisieren.» Dies, um ein fortschrittliches und effizientes HR-Management zu gewährleisten.

Nebst der digitalen Transformation beschäftigt Nicole Rütsche die mentale und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden. «Das Stigma psychischer Erkrankungen ist in der Gesellschaft immer noch sehr präsent. Dieses Tabu möchten wir bei der NZZ brechen.» Dafür bekam die 42-Jährige von Beginn an viel Rückhalt von ihren Geschäftsleitungskollegen. «Alle fanden, das sei wichtig.» Um das Thema professionell aufzugreifen und zu vertiefen, arbeiten Rütsche und ihr Team eng mit der Stiftung Pro Mente Sana zusammen. «Gemeinsam haben wir eine Anlaufstelle für Mitarbeitende geschaffen. Dort können sie sich informieren und beraten lassen. Dabei ist die Anonymität jederzeit gewährleistet.»

Zwar erhalte die NZZ ein Reporting über die behandelten Themen, nicht aber zum Inhalt der Gespräche oder über einzelne Personen. «So erfahren wir, was unsere Mitarbeitenden beschäftigt, und können gegebenenfalls Massnahmen ergreifen, um eine Situation zu verbessern. Daneben gibt es verschiedene Sensibilisierungs-Workshops und Referate für Mitarbeitende und Führungskräfte.» So gewappnet, könnten Führungskräfte bei ersten Alarmzeichen rasch handeln.

 

Freiraum mit Anspruch

Auf Trab hält Nicole Rütsche auch das Employer Branding und Recruiting, das sie intensiver betreiben und modernisieren möchte. So sollen künftig nicht nur aktiv, sondern auch passiv Suchende angesprochen werden. «Da sind wir schon auf einem guten Weg. Wir arbeiten erfolgreich mit Active Sourcing.» Potenzial sieht Rütsche vor allem in der stärkeren Zusammenarbeit mit Alumni-Netzwerken von Ausbildungsinstitutionen.

Nicht jede Stelle sei leicht zu besetzen. «Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt: Die Arbeitslosenquote war schon lange nicht mehr so tief. Deshalb hat sich auch bei uns die Zahl der Bewerbungen kontinuierlich verringert. Wir profitieren aber nach wie vor von unserem ­starken Brand.» Herausfordernd zu besetzen seien beispielsweise technische und daten­analytische Profile. «Für viele Kandidatinnen und Kandidaten mit diesem Profil ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, weshalb sie bei der NZZ arbeiten sollten. Da müssen wir als Medienhaus mehr Über­zeugungsarbeit leisten als beispielsweise ein Tech-Unternehmen.»

Unterstützung erhält Nicole Rütsche bei der ­täglichen HR-Arbeit von ihrem Team. Direkt unterstellt sind ihr in der Personal- und Organi­sationsentwicklung zwei Mitarbeitende, ein HR-Projekt­leiter, drei Business-Partner sowie die Leiterin HR Shared Services inklusive Payrolling, die ihrerseits sechs Mitarbeitende führt. Rütsche schätzt diese direkte Führung. «Ich möchte nahe bei meinen Mitarbeitenden sein. Deshalb verzichte ich bei den Business-Partnern und in der Personalentwicklung auf eine Zwischenleitungsfunktion.» Das habe sich bewährt, auch wenn ihre Arbeit zeitweise intensiv sei.

Wie sie führt? «Offen, ehrlich und transparent.» Wo immer möglich teile sie Informationen, begründe ­Entscheidungen, zeige Verständnis und gebe viel Freiraum. «Solange es funktioniert», sagt Rütsche. «Tut es das nicht, bin ich am Thema dran und kann auch unangenehm werden.» Das passiere aber selten. Meist kämen Mitarbeitende frühzeitig, wenn sie bei einem Thema anstünden. Rütsche fordert zwar viel, ­dennoch kommen Spass und Humor nicht zu kurz: «Wir lachen im Team viel und gerne.»

Kurz und Bündig

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Kino oder Theater?
Ich gehe gerne ins Kino und interessiere mich auch sonst für die Filmbranche. Erst recht, seit ich im Verwaltungsrat unserer Tochtergesellschaft Zurich Film Festival Einsitz habe.

Mein Sehnsuchtsort
Die Berge im Sommer wie im Winter. Dort komme ich zur Ruhe. Beispielsweise beim Wandern, Biken oder beim Sprung in einen Bergsee. Schon seit meiner Kindheit bin ich mit meiner Familie viel in der Natur unterwegs. Als meine Mutter einen runden Geburtstage feierte, stiegen meine zwei Schwestern, meine Eltern und ich gemeinsam auf den Kilimandscharo. Alle haben es geschafft. Als nächstes Ziel wollen meine Schwestern und ich die sieben Churfirsten in einem Tag bezwingen.

Zeitung oder Buch?
Beides. Ich lese die Zeitung täglich, am Wochenende und in den Ferien. Ausserdem ein gutes Buch, um hin und wieder in eine andere Welt einzutauchen. Dabei interessieren mich sowohl Romane als auch Sach- und Fachbücher. Meine letzte Lektüre: «Wenn die Psyche streikt» von Thomas Ihde-Scholl, Präsident der Stiftung Pro Mente Sana und Chefarzt der psychiatrischen Dienste der spitäler fmi ag.

Konstanz oder Veränderung?
Veränderung. Mir wird schnell langweilig. Zwar gibt es Konstanten, wie langjährige Freunde, die Familie oder Partnerschaften, im Berufsalltag bevorzuge ich jedoch Veränderungen. Bei all meiner Veränderungs­lust muss ich aber auch aufpassen, mein Umfeld nicht zu überfordern und zu viele Steine auf einmal ins Rollen zu bringen.

 

Humor und Teamgeist kennt Rütsche auch aus ihren Kindheitstagen. Sie ist mit zwei jüngeren Schwestern in ­Uetikon am See aufgewachsen und hat zu diesen bis heute eine enge Beziehung. Mit ihren drei Nichten, für die sie das «beste Tanti» der Welt ist, verbringt sie so viel Zeit wie möglich. «Meine Familie und mein Partner sind mir wichtig, auch wenn ich viel arbeite.» Letzteres bedeutet für sie kein Zwang: «Ich tue das gerne und ziehe auch Energie daraus. Damit bin ich von Geburt an reichlich ausgestattet.»

Immer weiter, immer vorwärts

Zu den HR-Themen findet Rütsche schon in ­jungen Jahren, als sie von 2002 bis 2007 an der Universität Zürich Betriebswirtschaft mit Schwerpunkten Organisations- und Personalentwicklung studiert. «Leadership interessierte mich besonders. Ich wollte etwas mit Menschen machen und habe mich deshalb auf diese ­Vertiefung fokussiert.» Ihr Interesse erprobt sie nebst Studium von 2004 bis 2005 beim Beraterunternehmen SwissVAT, wo sie organisatorische und administrative Aufgaben erledigt und eine Führungsaufgabe übernimmt, indem sie Assistenten und Assistentinnen rekrutiert und betreut.

Nach dem Studium will Rütsche weitere Praxiserfahrung in anderen Unternehmen sammeln. «Deshalb bewarb ich mich bei einer Personalvermittlungsagentur.» So kommt sie zu Kelly Financial Resources, wo sie zwischen 2007 und 2010 die Rekrutierungsdienstleistungen sowie die Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften im Finanz- und Rechnungswesen verantwortet. Zudem akquiriert sie Kunden und betreut HR-Projekte.

2011 wechselt sie zur Boston Consulting Group (BCG). Eine Firma, die Rütsche schon während des Studiums begeisterte, als sie einen Strategieberatungs-Workshop der BCG besuchte. «Das Untenehmen ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte Teil dieses Teams werden.» Als BCG eine Recruiting-Stelle ausschreibt, zögert Rütsche nicht lange und bewirbt sich. In der Funktion als Recruiting Coordinator verantwortet sie 2011 zunächst die Entwicklung und Umsetzung der Sourcing-Strategien. 2013 wird Rütsche Head of Recruiting bei BCG und ist damit für die Entwicklung und das Management eines siebenköpfigen Teams zuständig.

2017 folgt ein weiterer Karrieresprung zum Head of Human Resources & Recruiting. Dort beschäftigt sie sich zunächst mit den Ergebnissen einer Mitarbeiterzufriedenheitsbefragung, welche die Verbesserungspotenziale der Organisation aufzeigte und Rütsche zum Handeln veranlasste. So verbesserte sie in engem Austausch mit den Kohorten-Sprechern etwa das People Management und erweiterte zusammen mit ihrem Team das Ausbildungsangebot. Zudem implementierte sie Coachings und ­Support für Mitarbeitende für eine bessere ­Work-Life-Balance. Transparenz war Rütsche in dieser Umbruchphase besonders wichtig. «Wir informierten unsere Mitarbeitenden jeweils an monatlichen Staff-Meetings über alle Fortschritte.»

… es gibt viel zu tun!

Und dann kam 2020 die Anfrage des Headhunters. «Seither bin ich bei der NZZ», sagt Rütsche. Noch gibt es für sie dort viel zu tun. Ein Tag in ihrem Leben bringt viel Abwechslung. Mal steckt sie in einer Geschäftsleitungssitzung, mal ist sie Sparringspartner für ihre Mitarbeitenden. Daneben sitzt sie in verschiedenen Gremien. Etwa im Stiftungsrat der Pensionskasse der NZZ. Dabei bleibt es nicht: Rütsche amtet auch als Verwaltungsrätin der Tochtergesellschaft Zurich Film Festival und ist Teil verschiedener Projektteams mit einem breitem Themenspektrum. Etwa in der Corona-Taskforce oder im Kernteam der Nachhaltigkeitsinitiative. Zu viel wird es ihr dennoch nicht: «Ich liebe diese Vielfalt. Deshalb ging ich ins HR.»

Die Neue Zürcher Zeitung

Die NZZ gehört zu den grössten privaten Medienunternehmen der Schweiz. Sie konzentriert sich auf qualitativ hochstehende, unabhängige Publizistik und vertritt liberale Perspektiven. Mit ihren Produkten bietet sie ihren Leserinnen und Nutzern täglich Orientierung und Inspiration. Beim Unternehmen NZZ arbeiten rund 800 Mitarbeitende.

 

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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