HR Today Nr. 5/2022: Porträt & Video-Porträt

Eine ausserordentliche Karriere

Marc Spring ist gekommen, um zu bleiben. Seit 1997 arbeitet er bei der Schweizer Zucker AG. Begonnen hat der inzwischen 40-Jährige als kaufmännischer Lernender, heute verantwortet er das HR, ist Mitglied der Geschäftsleitung und führt die hauseigene Pensionskasse.

Aarberg im Kanton Bern und Frauenfeld im Thurgau verbindet eines: die Schweizer Zucker AG. An beiden Standorten verarbeiten insgesamt 250 Mitarbeitende Tonnen von Zuckerrüben zu reinem Kristallzucker. «Rund 85 Prozent davon verwertet unter anderem die Getränke- oder Schokoladenindustrie», erklärt HR-Leiter und Geschäftsleitungsmitglied Marc Spring beim Rundgang über das Aarberger Produktionsgelände, das an diesem April-Vormittag unaufgeregt wirkt. «Nebensaison», erklärt Spring. «Unsere intensive Produktionsphase dauert von September bis Dezember.» In diesem Zeitraum wandle sich der Jahresarbeitszeit- in einen Dreischichtbetrieb. «Dann wird rund um die Uhr produziert.» Deshalb müssen er und sein Team für diesen Zeitraum rund 80 zusätzliche Temporärmitarbeitende rekrutieren. «50 für den Standort Frauenfeld und 30 für Aarberg.»

Die meisten Temporärmitarbeitenden sind für Marc Spring und sein HR-Team keine Unbekannten. «Viele sind Wiederkehrende – Leute aus der Landwirtschaft, die sich ein Zusatzeinkommen für den Hof erwirtschaften, über Menschen, die ein kreatives Lebensmodell leben und lange Ferien machen, bis hin zu ausländischen Arbeitnehmenden.» Waren Letztere vor einigen Jahren hauptsächlich spanische und portugiesische Saisonniers, seien es heute vermehrt polnische, «oft ganze Familien», erzählt der HR-Leiter. Der Schichtbetrieb sei jedoch nicht zu unterschätzen. «Während der Hochsaison arbeiten Mitarbeitende bis zu 56 Wochenstunden, bei wöchentlich rotierenden Schichten.» Deshalb unterstütze HR die Mitarbeitenden vermehrt bei gesundheitlichen Anliegen und sorge dafür, dass Ruhephasen eingehalten würden.

Schichtarbeit bringt nicht nur Belastungen mit sich: «Sie hat auch positive Seiten», sagt Spring. So können sich Mitarbeitende, die im Herbst und Winter viel arbeiten, angehäufte Arbeitszeiten auszahlen lassen oder diese als Ferien beziehen. «So kommen zu jährlich fünf bis sechs Ferienwochen drei bis sechs weitere hinzu. Das ist durchaus attraktiv für Mitarbeitende.» Wer noch mehr Freizeit wolle, könne seinen 13. Monatslohn als Ferien beziehen. «So versuchen wir das Beste aus der Schichtarbeit herauszuholen. Auch, um am Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben.»

Das ist beim Traditionsbetrieb ebenso vonnöten, denn der Fachkräftemangel zeigt sich auch beim Zuckerhersteller. Mit Arbeitsmodellen wie Gleitzeit, Jobsharing oder Teilzeit auf allen Hierarchiestufen will Spring dem entgegenwirken. «Insbesondere im technischen Bereich.» Dabei seien Kreativität und Umdenken angesagt: «Wir müssen endlich aufzeigen, dass Teilzeit nicht zwingend ein Karrierekiller ist», betont der HR-Leiter. So publiziere er Kaderstellen bewusst mit Jobsharing-Möglichkeit sowie Vollzeitstellen zwischen 80 bis 100 Prozent. Um vermehrt junge Fachkräfte für Schweizer Zucker zu gewinnen, plant Spring zudem eine intensivere Zusammenarbeit mit den umliegenden Berufsschulen. «Wir wollen Berufsschulabgänger in den Betrieb holen und ihnen vor Ort zeigen, welche Karrierepfade wir anbieten.» Das nicht ganz uneigennützig: «Wer uns besucht hat, bewirbt sich eher.»

Gekommen, um zu bleiben

Schweizer Zucker liegt dem 40-jährigen HR-Leiter nicht nur am Herzen, sondern buchstäblich im Blut. «Ich habe eine ausserordentliche Karriere gemacht, die vielerorts so nicht mehr möglich wäre.» Ausserordentlich nicht nur, weil Marc Spring sich vom Lernenden zum HR-Leiter und Geschäftsleitungsmitglied hinaufarbeitete, sondern auch, weil seine Familie seit Generationen mit dem Betrieb verbunden ist. Bereits seine Urgrosseltern, seine Grosseltern und sein Vater arbeiteten in der Zuckerfabrik. Die Berufswahl fällt Spring deshalb leicht. Als er bei Schweizer Zucker nach ein paar Schnuppertagen ein KV-Lehrstellenangebot erhält, sagt er zu. «Eine spannende Ausbildung, da man hier als Lernender mehrere Abteilungen durchläuft: vom Empfang über die Zuckerdisposition bis hin zur Buchhaltung und dem HR.»

2000 schliesst Marc Spring seine Lehre ab und bleibt der Zuckerfabrik 2001 bis 2002 zwischen Militär und Auslandsaufenthalt in Australien verbunden. «Ich konnte jeweils als interimistischer Leiter des Personalbüros Frauenfeld und als HR-Ferienvertretung in Aarberg einspringen. So fasste ich Fuss im HR.» Im April 2002 steigt Spring als Sachbearbeiter Personal ins HR ein. Der damals 21-Jährige lernt das HR von der Pike auf, kümmert sich um die gesamte Personaladministration, betreut die Lernenden und führt das Sekretariat der hauseigenen Pensionskasse «Pensionskasse SZU» von Schweizer Zucker. Daneben startet er ein Betriebsökonomiestudium an der Berner Fachhochschule mit Spezialisierung auf Staats- und Verwaltungsmanagement und HRM, das er 2006 beendet. Mit dieser Lebensetappe stellt er seine beruflichen Weichen neu: «Ich stellte mir die Frage: Soll ich wechseln oder bleiben?» Als die Nachfolgeplanung des damaligen Personalleiters thematisiert und Spring zum potenziellen Nachfolger gekürt wird, sagt er zu.

Nach einer intensiven, aber lehrreichen Übergangsphase wird Marc Spring 2009 mit 28 Jahren Leiter Personal und übernimmt die Geschäftsführung der hauseigenen Pensionskasse. 2017 folgt sein bisher letzter Karriereschritt: Der 35-Jährige wird Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizer Zucker AG. Spring bleibt Schweizer Zucker weiterhin treu: «Ich konnte mich in all den Jahren immer wieder entwickeln und Neues dazulernen. Deshalb hat es mich nie weggezogen. Heute bin ich seit über 20 Jahre im Betrieb.» Seit seinem Karrierestart habe sich einiges verändert. «Auch und vor allem im HR.» Dieses werde heute gänzlich anders wahrgenommen. «War HR früher da, um Leute einzustellen, zu entlassen oder Löhne auszuzahlen, sind wir heute Coaches, Unterstützer und Partner der Linie.»

Kurz und bündig

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Pop oder Klassik?
Pop. Tendenziell bin ich musikalisch in den 80er-Jahren stehengeblieben, bevorzuge aber keine spezifische Band. War ich früher wenig an Konzerten, bin ich zwischenzeitlich auf den Geschmack gekommen und geniesse diese Live-Atmosphäre.

Mein Sehnsuchtsort
Mein Garten. Ich bin ein leidenschaftlicher Gärtner. Daneben ist die australische Stadt Sydney ein Sehnsuchtsort. Dort war ich als 20-Jähriger drei Monate in einer Sprachschule und habe wunderbare Erinnerungen daran. Ein zweiter Aufenthalt nach meinem Fachhochschulabschluss in Australien bestätigte mir nochmals: Sydney ist mein Sehnsuchtsort.

Süss oder salzig?
Eigentlich beides. Wobei ich leicht Salziges bevorzuge. Die Präferenz liegt dabei eindeutig auf Paprikachips. Beim Süssen liebe ich weisse Schokolade – als Kind bekam ich zu Ostern immer einen weissen Schokoladenhasen.

Sportler oder Couchpotato?
Seit meiner Jugend bin ich leidenschaftlicher Volleyballspieler und immer noch im Verein Volero Aarberg aktiv, wenn auch nicht mehr in der ersten, sondern in der dritten Liga. Wir trainieren ein- bis zweimal in der Woche und absolvieren an den Wochenenden Meisterschaftsspiele in der Region Bern und Solothurn. Wenn kein Match anfällt, kann ich durchaus mal Couchpotato sein.

Ein Vorbild
Nelson Mandela. Ein Mensch, der nach so langer Zeit der Unterdrückung und im Gefängnis trotzdem hinsteht und für alle da ist, beeindruckt mich sehr.

Schlank unterwegs

Sein kleines HR-Team stellte Marc Spring so auf, wie er es sich gewünscht hat. Klein? «Ja, in der Schweizer Zucker AG haben wir nur 3,8 Stellen, inklusive Pensionskassenverwaltung sowie die Tochterfirmen.» Letztere produzieren Produkte wie Blumen- und Gartenerde, verwalten Landwirtschaftsbetriebe oder stellen Energie her. Diese Grösse treibe ihn und sein Team an, effizient zu arbeiten und vermehrt HR-Abläufe und Prozesse zu digitalisieren. «Wir sind prozessorientiert aufgestellt und nutzen an beiden Standorten ein selbstständiges Business-Partner-Modell.» Obschon das HR seinen Hauptsitz in Aarberg hat, verbringt Spring alle zwei Wochen einen Tag in Frauenfeld. Er ist nicht der Einzige, der sich dort regelmässig blicken lässt: «Unser Leiter Operations ist jeweils die Hälfte seiner Arbeitszeit in Aarberg und die andere in Frauenfeld.» Das, weil die Fusion der beiden Schweizer Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld im Jahr 1997 bis heute Spuren hinterlassen hat. «Deshalb bemühen wir uns, die beiden Standorte mehr miteinander zu vereinen.» Gerne würde Spring vermehrt Synergien zwischen Aarberg und Frauenfeld nutzen, aber: «Das geht meist nicht, weil wir zeitgleich Höchstauslastungen in der Produktion haben.»

Nebst der HR-Leitung ist Marc Spring Geschäftsführer der firmeneigenen Pensionskasse. Das habe sich trotz aller Aufs und Abs der Finanzmärkte bewährt: «Wir sind gut aufgestellt», sagt er nicht ohne Stolz. Per Ende 2021 wies diese einen Deckungsgrad von über 138 Prozent aus. «Rendite und somit die Stabilität und Langlebigkeit sind sichergestellt.» Die positive Ausgangslage der firmeneigenen Pensionskasse kommt Marc Spring als Argumentationshilfe bei der Rekrutierung gelegen, aber auch gegenüber seinen ­Mitarbeitenden. Doch nicht alle seien gleich interessiert: «Tendenziell erkundigen sich Mitarbeitende erst ab einem gewissen Alter danach. Das ist schade. Würden sich Menschen früher darum kümmern, hätten sie später weniger Probleme.» Dass Spring Geschäftsführer einer Pensionskasse ist, ist eher ungewöhnlich. «Das gibt es fast ­nirgendwo», sagt er unumwunden. Aus gutem Grund: «Im Pensionskassengeschäft gibt es Situationen, die ein HR-Leiter nicht unbedingt wissen sollte, wie die Scheidung von Mitarbeitenden, bei der Aufteilung von Pensionskassen­geldern. Ich versuche aber, klare Grenze zu ­ziehen.»

Digitalisierung und Diversifikation

Vom Lernenden zum HR-Leiter und Geschäftsleitungsmitglied: Marc Spring hat seinen Weg gemacht. Und nun? «Langweilig wird es mir dennoch nicht», sagt der 40-Jährige. «Wir haben noch einiges zu tun.» So wünscht sich Marc Spring beispielsweise «endlich ein schlankes, KMU-taugliches HRM-System. Vielleicht werden wir ja das am HR FESTIVAL europe finden», schmunzelt er. Zudem möchte er die Schweizer-Zucker-Mitarbeitenden mehr befähigen, sich nicht nur während der Produktions- und Unterhaltsphasen zu engagieren, sondern sich auch mit Themen wie der Diversifikation der Geschäftsaktivitäten zu beschäftigen. «Künftig wird es nicht mehr nur um Zucker gehen.» Mit den bestehenden Tochtergesellschaften und zusätzlichen Betriebszweigen seien erste Schritte gemacht. Etwa mit der jüngst installierten Pektin-Anlage in Frauenfeld. «Mehrwert schaffen ist unser Motto. Wir müssen unser Unternehmen weiterbringen, neue Ideen generieren und Perspektiven für die nächste Generation schaffen.» Mitarbeitende, die 40 Jahre bei Schweizer Zucker beschäftigt sind, werde es kaum mehr geben. «Deshalb müssen wir eine attraktive Arbeitgeberin bleiben.»

Schweizer Zucker AG

Die Schweizer Zucker AG versorgt die einheimische Bevölkerung mit nachhaltig produziertem Schweizer Zucker und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Nachdem ein deutscher Chemiker Mitte des 18. Jahrhunderts die Runkelrübe als Zuckerlieferant entdeckt hatte, eröffnete im heutigen Polen die erste Zuckerrübenfabrik der Welt. In Deutschland folgten bald weitere Fabriken. Die ersten Anläufe für eine Schweizer Zuckerproduktion starteten um 1811, scheiterten aber an der Finanzierung oder  die Betriebe mussten kurz nach ihrer Gründung mangels Rüben wieder schliessen. 1899 wurde erstmals am Standort Aarberg Zucker produziert und 1912 wurde schliesslich die heutige Firma gegründet. 51 Jahre danach geht in Frauenfeld die zweite Schweizer Zuckerfabrik in Betrieb. 1997 fusionieren die beiden Unternehmen zur Schweizer Zucker AG. Diese beschäftigt in den Werken Frauenfeld und Aarberg rund 250 Mitarbeitende. Ging es in den Anfängen nur um den Zucker, verwertet die Fabrik heute die ganze Rübe und produziert zahlreiche Nebenprodukte wie Futter- und Düngemittel, Pektin und seit 2022 auch Ethanol. Sogar die mit den Rüben mitgelieferte Erde wird von der Tochterfirma RICOTER zu Blumen- und Gartenerde verarbeitet. zucker.ch

 

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Christine Bachmann 1

Christine Bachmann ist Chefredaktorin von Miss Moneypenny. cb@missmoneypenny.ch

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