Sommerserie 2021 «Vereinbarkeit neu gedacht»: Beitrag 8 – Partnerschaft

Zu zweit ist es einfacher, sofern man am gleichen Strang zieht

Die Partnerschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Vereinbarkeit. Denn, die Qualität der Partnerschaft hat oftmals einen immensen Einfluss auf das Wohlbefinden, das Familienleben, die beruflichen Ambitionen sowie die Gesamtheit dieser Themen.

Bei jedem Streit, den ich in den letzten Jahren mit meinem Mann hatte, musste ich immer an dir Worte meines Papas an unserer Hochzeit denken: «Wenn ihr an einem Strang zieht, seid ihr stärker als das Universum.» Und jedes Mal, wenn ich das Gefühl hatte, dass wir nicht an einem Strang ziehen, sondern in entgegengesetzte Richtungen, hat es sich wie Tauziehen angefühlt und unendlich viel Energie gekostet – die dann zwangsläufig woanders fehlt.

Langanhaltende oder konstante Streitereien in der Partnerschaft können auch die berufliche Weiterentwicklung beeinflussen. Während sich die einen in den Job stürzen, wenn es in der Partnerschaft nicht gut läuft, ist es ebenso oft der Fall, dass es dann viel schwieriger wird berufliche Ambitionen zu verfolgen – insbesondere, wenn Partnerschaft und Familienleben einen hohen Stellenwert haben. Du bist gedanklich, emotional und auch energetisch in der Dauerschleife eures Streits und kannst dich nicht so richtig auf etwas anderes konzentrieren. Vielen fehlt zudem das Gefühl unterstützt zu werden oder fühlen sich allein gelassen und trauen sich deshalb nichts Neues zu.

Gleichzeitig fühlen sich viele ohnmächtig und hilflos, wenn es um die eigene Partnerschaft geht. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass wir versuchen unseren Partner zu verändern – so zumindest die Beobachtung, die ich bei meiner Arbeit mache. Er soll mehr mithelfen im Haushalt, früher nach Hause kommen oder endlich anerkennen, was wir Frauen täglich meistern. Genau da liegt das Problem. Denn wie wir schon bei Beitrag 6 «Erwartungen» festgestellt haben, ist unser Einfluss auf das Verhalten anderer äusserst gering oder gar nicht vorhanden. Und je mehr wir versuchen jemand anderen zu verändern, desto frustrierter werden wir in der Regel und desto schlimmer wird das Ganze.

Was kannst du tun, um wieder mehr an einem Strang zu ziehen?

Das Einzige, worauf du wirklich einen Einfluss hast und gleichzeitig alles verändert, ist die Arbeit an dir selbst (übrigens völlig losgelöst davon ob Kinder da sind oder nicht). Es ändert zwar nicht unbedingt die Meinungsverschiedenheit, aber es verändert, wie du damit umgehst und was es mit dir macht. Denn worum es eigentlich gehen sollte ist zu verstehen, was dich triggert und was das mit dir selbst zu tun hat. Ich gebe dir mal ein Beispiel einer meiner Kunden:

Der Partner hat mal wieder nicht seine Schuhe weggeräumt, sondern sie mitten im Flur stehen lassen, wo jeder drüber fallen kann. Und das, obwohl sie es ihm schon gefühlt tausendmal gesagt hat. Schon nur beim Anblick der Schuhe spürte sie, wie ihr Puls stiegt und sie regte sich tierisch über ihn auf.

Das Problem ist jedoch häufig nicht das Problem. Denn, als wir das gemeinsam angeschaut haben, stellten wir fest, dass es gar nicht um die Schuhe ging. Ihre Reaktion hatte einzig mit ihrer Bewertung der Situation und der zugrundeliegenden Überzeugung zu tun. Für sie haben die Schuhe, die unaufgeräumt im Flur lagen bedeutet: «Wenn du sie nicht wegräumst, dann erwartest du scheinbar, dass ich es tue.» Die zugrundeliegende Überzeugung, die getriggert wurde und ihre Reaktion (z.B. Wut) ausgelöst hat, war: «Alles bleibt immer an mir hängen.»

Erst als sie eigenverantwortlich die Situation angeschaut und verstanden hat, was ihre Reaktion mit ihr selbst zu tun hatte, konnte sie anders damit umgehen: Anstelle von Wut, Frust und Hilflosigkeit hatte sie jetzt das Gefühl, etwas daran ändern zu können – was letztlich eine andere Dialog-Qualität ermöglichte. Es war nicht mehr ein: «Du hast schon wieder nicht deine Schuhe weggeräumt, wie oft muss ich dir das noch sagen.» Sondern ein:

  • Ich merke, dass mich das innerlich auf die Palme bringt,
  • mir geht es nicht gut damit,
  • es löst das Gefühl aus, dass alles an mir hängen bleibt,
  • lass uns gemeinsam überlegen, wie wir ein noch besseres Team werden können.

Das ist jedoch erst möglich, wenn du bereit bist in die Eigenverantwortung zu gehen. Und auch wenn es sich anfangs unbequem und befremdlich anfühlen mag, es lohnt sich:

  • Denn du bist viel schneller in der Lage in solchen Situationen aus der Opferrolle wieder rauszugehen oder gar nicht erst reinzugehen.
  • Anstelle, dass du deinen Frust über dich selbst an deinen Partner auslässt, kannst du mit ihm gemeinsam überlegen, wie dein Weg ausschauen könnte und ihr seid in der Lage ein klärendes Gespräch auf Augenhöhe zu führen.
  • Du erkennst viel schneller was es eigentlich mit dir zu tun hat und was du ändern kannst, um die Situation zu verändern und kannst damit die eigentliche Ursache beheben anstelle Symptome zu bekämpfen.

Was kann HR, bzw. können Führungsverantwortliche tun?

Das Prinzip der Eigenverantwortung ist für mich eine Haltung, die alles verändert – nicht nur in der Partnerschaft. Denn auch wenn wir uns im Job über unsere Chefin oder Kollegen aufregen, hat es in der Regel immer etwas mit uns selbst zu tun. Denn, dass die Chefin beispielsweise jemand anderen befördert oder jemand anderen für das neue Projekt ausgewählt hat ist ein Sachverhalt. Das es dich auf die Palme bringt hingegen hängt zusammen mit der Bedeutung, die du der Situation gibst und deinen zugrundeliegenden, meist unbewussten Überzeugungen. Vielleicht bist du davon überzeugt, dass du immer zu kurz kommst oder übersehen wirst. Auch wenn es uns leichter fällt uns über jemand anderen aufzuregen, wirst du die eigentliche Ursache erst finden, wenn du bereit bist ehrlich in dich selbst zu schauen. Dann bist du emotional frei und kannst darüber stehen. Und das ist unbeschreiblich befreiendes und gutes Gefühl.

Daher mein Appell an alle HR und Führungsverantwortliche: Wenn ihr merkt, dass es Dinge gibt, die euch selbst oder Mitarbeitende immer wieder auf die Palme bringen, holt euch jemanden der euch hilft gemeinsam zu verstehen, was die eigentliche Ursache ist. Das gilt nicht nur für Business-Themen, sondern für alles, was den Mitarbeitenden und euch selbst beschäftigt. Denn wenn beispielsweise die Partnerschaft Zuhause eher einem Tauziehen gleicht, wird das mit grosser Wahrscheinlichkeit auch bei der Arbeit zu spüren sein.

Anm. d. Red.: Das war's von der Sommerserie 2021 zum Thema «Vereinbarkeit». Bis zum nächsten Mal.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Nach über 10 Jahren in der Unternehmensberatung ist Elisabeth Thiessen heute Coach und Trainerin für Persönlichkeitsentwicklung. In ihrem Podcast «Power On», sowie Kursen und Coaching-Programmen begleitet sie Eltern dabei Job und Familie besser zu vereinbaren.

Weitere Artikel von Elisabeth Thiessen

Das könnte Sie auch interessieren

Sommerserie 2021 «Vereinbarkeit neu gedacht»: Beitrag 7 – Veränderung
Image
Sommerserie-2021_web.jpg