Chur (HTW). Illegales und unethisches Verhalten ist auch in der Schweiz ein ernstzunehmendes Problem. Studien zeigen, dass Hinweise von Mitarbeitenden und dem Unternehmen nahestehenden Gruppen eine zentrale Rolle bei der Prävention und Bekämpfung von Compliance-Verstössen spielen. Unternehmen haben deshalb in den vergangenen Jahren damit begonnen Meldestellen einzurichten, damit Hinweisgebende eine klare und spezialisierte Ansprechstelle haben, die ihre Meldungen rasch und wirksam bearbeitet.
Bei Grossunternehmen Standard
Die Resultate zeigen, dass in der Schweiz 11 Prozent aller Unternehmen eine Meldestelle implementiert haben. Dabei gibt es deutliche Unterschiede je nach Unternehmensgrösse: Während mit 70 Prozent die Mehrheit der Grossunternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitenden über eine Meldestelle verfügt, ist dies mit 10 Prozent nur bei einer Minderheit der KMU der Fall. Darüber hinaus hat die Studie ergeben, dass sowohl auslandsaktive Unternehmen als auch erfolgreiche Unternehmen, die in den letzten zwei Jahren gewachsen sind und auch für die kommenden 12 Monate Wachstum erwarten, eher eine Meldestelle eingerichtet haben.
95 Prozent der Unternehmen, die über eine Meldestelle verfügen, haben im vergangenen Jahr keine einzige Meldung erhalten. Auch hier gibt es bedeutende Unterschiede zwischen Grossunternehmen und KMU: Während bei 70 Prozent der Grossunternehmen Meldungen eingegangen sind und zwar im Durchschnitt 54 Meldungen pro Unternehmen, haben nur vier Prozent der KMU Meldungen erhalten. Durchschnittlich geht bei KMU-Meldestellen ungefähr alle drei Jahre eine Meldung ein.
Wichtige Schutzeinrichtung
Jede zweite Meldung, die im vergangen Jahr bei einem Schweizer Unternehmen eingegangen ist, hat sich als relevant erwiesen. Meldestellen sind somit ein wirksames Instrument um illegales und unethisches Verhalten offenzulegen.
Professor Dr. Christian Hauser vom Schweizerischen Institut für Entrepreneurship (SIFE) der HTW Chur leitet das Forschungsprojekt und ergänzt «Unsere Daten zeigen, dass Schweizer Unternehmen mithilfe ihrer Meldestellen wichtige Hinweise auf Missstände erhalten und so frühzeitig Gegenmassnahmen ergreifen können.» Darüber hinaus stellt Professor Hauser fest: «Die regelmässig geäusserte Sorge, Meldestellen würden häufig missbräuchlich genutzt, um andere anzuschwärzen, lässt sich auf Basis unserer Daten klar entkräften.»
Missbräuchliche Meldungen, die lediglich opportunistischer Natur sind und dazu dienen, jemanden gezielt anzuschwärzen, sind ein seltenes Phänomen. Lediglich 3 Prozent der Meldungen werden als missbräuchlich eingestuft. Trotzdem muss die Möglichkeit, dass eine Meldung verleumderischer Natur sein könnte, ernstgenommen werden. Entgegen der regelmässig geäusserten Befürchtungen, hat die Möglichkeit Meldungen anonym abzugeben, keinen Einfluss auf die Anzahl missbräuchlicher Meldungen. Auch wenn anonyme Meldungen zulässig sind nimmt die Anzahl missbräuchlicher Meldungen nicht zu.
Unternehmenskultur als Strategie
Unternehmen sollten den Zugang zur Meldestelle möglichst niederschwellig gestalten und für viele Anspruchsgruppen wie Mitarbeitende, Kunden, oder Lieferanten Meldemöglichkeiten einrichten. Die Auswertungen haben zudem ergeben, dass spezialisierte Meldekanäle, wie Hotline/Callcenter und webbasierte Meldesysteme, ebenfalls zu mehr Meldungen insgesamt sowie zu mehr relevanten Meldungen führen.
Dr. Zora Ledergerber, CEO und Gründerin der Integrity Line GmbH als Koorperationspartnerin der Studie, formuliert warum auch eine digitale, sichere Meldestelle alleine nicht den Erfolg ausmachen kann: «Meldestellen sollten nicht als isolierte Massnahme eingeführt, sondern als Teil eines umfassenden Compliance-Programms konzipiert werden. Zu einem wirksamen Compliance-Programm gehören unter anderem auch die klar kommunizierte Unterstützung durch das Topmanagement, ein Code of Conduct, sowie klare interne Zuständigkeiten.»
Über die Studie
Im Rahmen der Studie wurde eine Online-Befragung durchgeführt und die Antworten von 364 Schweizer Unternehmen statistisch ausgewertet. Diese Ergebnisse sind repräsentativ für alle Unternehmen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Zudem wurden 26 Vertreterinnen und Vertreter von international tätigen Schweizer Unternehmen interviewt.