HR Today 4/23: Checkliste

8 Punkte für eine bessere Candidate Experience

57 Prozent der Beschäftigten in der Schweiz sind offen für einen Wechsel. Die Candidate-Experience entscheidet, ob diese den Weg in ein Unternehmen finden. Diese Checkliste beschreibt die wichtigsten acht Touchpoints und gibt Impulse, um sie zu optimieren.

1. Orientiert sich die Stellenanzeige an die Bewerbenden?

In vielen Branchen sind die Arbeitsmärkte gekippt und haben die Machtverhältnisse verändert. Wenn die Kommunikation eines Unternehmens dem nicht gerecht wird, spielen gute Kandidaten und Kandidatinnen nicht mehr mit. Wenn die Stellenanzeigen weniger Bewerbungen als früher generieren, muss gehandelt werden. Als Faustregel gilt: Das Verhältnis von Benefits und Angeboten sollte im Verhältnis von 3:1 zu den Anforderungen der Stelle stehen, um weiterhin gute Talente anzuziehen. Gehaltsangaben erhöhen den Bewerber-Rücklauf um 20 Prozent. Auch der Name und die Kontaktdaten des direkten Vorgesetzten sollten aufgeführt werden.

2. Wie attraktiv ist der Linkedin-Auftritt des Unternehmens?

An einem überzeugenden Linkedin-Auftritt führt kein Weg vorbei. Von den 5,2 Millionen Erwerbstätigen in der Schweiz sind 4 Millionen auf Linkedin vertreten. Die Plattform wird als Recruiting-Kanal immer wichtiger. Ist die dort eingeblendete Stellenanzeige für ein Talent interessant, klickt es als nächstes auf die Linkedin-Unternehmensseite. Zwei von drei Beschäftigten würden ihren Job für eine sinnvollere Tätigkeit Sinn wechseln. [4] Die Linkedin-Seite des Unternehmens ist der passende Ort, um diesen Sinn zu vermitteln und das Interesse der Talente zu steigern.

3. Ist die Website auf Talente ausgerichtet?

Bevor sich Talente bewerben, besuchen sie die Unternehmenswebsite. Ist diese lediglich auf die Kundschaft ausgerichtet oder zeigt sie auch, dass das Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber ist? Arbeitgebersiegel optimieren das Employer Branding. Nur 14 Prozent der KMU haben auf ihrer Website eine Karriereseite. Cultural-Fit-Matcher ermöglichen Talenten zu prüfen, wie gut sie zum Unternehmen passen. Videos, in denen Mitarbeitende zu Wort kommen, vermitteln die Kultur und einen positiven persönlichen Eindruck. Statements oder Videos von zufriedenen Kunden helfen, den oben angesprochenen Sinn der gemeinsamen Arbeit glaubhaft zu vermitteln.

4. Was sagen Dritte über das Unternehmen?

84 Prozent der potenziellen Bewerberinnen und Bewerber prüfen das Ranking eines Arbeitgebers auf Seiten wie Kununu oder Glassdoor. Ist die Bewertung schlecht, bewerben sie sich nicht. Um sich als guter Arbeitgeber zu positionieren, gilt es, das Image auf diesen Seiten zu beobachten und zu pflegen.

5. Wie einfach ist der Bewerbungsprozess?

Ist die Entscheidung zur Bewerbung gefallen, steigen die besten Leute aus, wenn sie ihre Unterlagen mühsam in ein kompliziertes Bewerbungssystem einpflegen müssen. Hilfreich ist das «KISS»-Prinzip («Keep it short and simple»), um den Bewerbungsprozess möglichst kurz und einfach zu halten. Der Caritasverband Düsseldorf geht diesen Weg bei der Suche nach Auszubildenden wohl am konsequentesten: Die Kampagne «Bei Anruf Ausbildung» ist seit Jahren erfolgreich. Auch die Möglichkeit der «One-Klick Bewerbung» kann die Bewerbungszahlen bis zu verachtfachen.1

6. Wie reagieren Zuständige auf Bewerbungen?

Werden Bewerbende mit einer Standardantwort abgespiesen? Oder erhalten sie eine persönliche Rückmeldung, die das weitere Vorgehen aufzeigt? Recruiting-Experte Martin Gaedt beschreibt in seinem Buch eine Gastronomin, die keine Fachkräftesorgen mehr hat, seit sie Bewerbenden innerhalb von 24 Stunden persönlich antwortet.2 Auch eine neue Candidate-Experience Studie belegt: die Wertschätzung in der Kommunikation entscheidet, ob Talente im Prozess bleiben oder das Interesse verlieren.

7. Wie schnell folgt die Einladung zum Gespräch?

Nach der ersten Antwort lauert die nächste Falle: Stockt die interne Kommunikation, weil Line-Manager bei der Sichtung der Unterlagen trödeln, verliert der Prozess an Schwung. Auch die Vereinbarung von Interviewterminen zieht sich hin, weil nicht alle Beteiligten verfügbar sind. In engen Märkten muss das Recruiting-Eisen geschmiedet werden, solange es heiss ist! Um schnell reagieren zu können und bei guten Talenten im Rennen zu bleiben, helfen verbindliche interne Antwortzeiten sowie ein Terminblock pro Woche, der für Interviews freigehalten wird.

8. Überzeugt das Bewerbungsgespräch?

Das Interview bildet die Visitenkarte bei den gesuchten Talenten. 80 Prozent der Zu- oder Absage im Interview fällt auf Basis der Nonverbalen Kommunikation, denn diese adressiert direkt das Entscheidungszentrum der Beteiligten.3 Steigen Ghosting- und Absage-Quoten, ist häufig die Kommunikation im Interview die Ursache. Sind Führungskräfte und Recruiter geschult und sich eigener blinder Flecken bewusst? Wenn nicht, kann das alle vorigen Bemühungen zu Nichte machen.


Quellen:

Zalvus, HR-Digital Studie, 2019.

Martin Gaedt: Rock your Work, Berlin, 2022.

Christian Bernhardt: Nonverbale Kommunikation im Recruiting: Wie Sie passende Bewerber erkennen und für Ihr Unternehmen gewinnen, 2019.

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Christian Bernhardt ist Dozent für non-verbale Kommunikation und Kommunikationspsychologie. Er hält Vorträge und Trainings zu den Themen Recruiting und Kommunikation und berät Unternehmen in Deutschland und der Schweiz.

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