Den grösstmöglichen gemeinsamen Nenner zu schaffen, ist das Ziel
Genaue Kenntnisse und Engagement für die Geschäftsziele, die Kernprozesse und die Bedingungen am Markt, in dem sich ein Unternehmen bewege, seien die Voraussetzung für eine Mitwirkung in der Unternehmensleitung – auch für HR Manager, ist Ruth Schmutz überzeugt. Dass, wer sich einmischt, auch intensiveren Diskussionen ausgesetzt ist, nimmt sie in Kauf, mehr noch: Sie sucht eher Reibung als Harmonie. «Wir stellen uns automatisch gut mit Leuten, die nach unseren Vorstellungen funktionieren.»
Mit denjenigen Führungsleuten also, die Mitarbeitergespräche zuverlässig führen, Formulare rechtzeitig zurückschicken und sich hundertprozentig an die definierten Abläufe halten. Wirklich wichtig jedoch seien diejenigen Personen im Unternehmen, die das Business vorwärtsbringen, gibt Schmutz zu bedenken: «Und die machen halt manchmal, was sie wollen – geradewegs an uns vorbei!» Gerade auch mit diesen internen Kunden gelte es, Wege der guten Kooperation zu finden, selbst wenn dies unbequem sei. «Schliesslich geht es hier um die Top Talents der Firma. Nicht um zukünftige, sondern um aktuelle High Potentials.»
Verschiedene Ansprüche und Bedürfnisse auf einen Nenner zu bringen in einem grossen Konzern, sei allerdings nicht einfach. Die Bandbreite an Vorwissen, Erfahrung und Ansprüchen der bei Galenica Beschäftigten könnte kaum grösser sein: In den vier Divisionen sind Akademiker und Ungelernte tätig, Verkäuferinnen, IT-Spezialisten und Forscherinnen, Vollzeit- und Teilzeitangestellte, Angehörige mehrerer Dutzend verschiedener Nationen. In den einzelnen Betrieben gelten unterschiedliche Anforderungen an Bonus- und Lohnsysteme, sie sind von unterschiedlichen Kulturen geprägt, und es kommen darin unterschiedliche Kommunikationsformen zum Einsatz. Während in Verwaltung und Forschung selbstverständlich jeder Arbeitsplatz vernetzt ist, verfügt nicht jede Mitarbeiterin im Detailhandel über Zugang zum Netz.
Ihre Aufgabe sei es, erklärt Ruth Schmutz, auf Gruppenebene den grösstmöglichen gemeinsamen Nenner zu schaffen und damit die Basis für Zusammenarbeit und Synergien. «Die implementierten Systeme müssen dabei sowohl zu einem international ausgerichteten Konzern passen wie auch zum Schweizer Detailhändler.» Der Findungsprozess sei mit politischer Arbeit vergleichbar, sagt sie, und er setze hauptsächlich sehr engen Kontakt zu den einzelnen Bereichen voraus, viele persönliche Gespräche und Kompromissbereitschaft von allen Seiten. Was nicht bedeute, dass hin und wieder nicht auch eine klare Weisung nötig sei, die keinen Widerspruch dulde. «Letztlich ist in einem Konzern wie dem unseren selten die originellste Lösung die beste, sondern öfter diejenige, die für alle gut ist.»
Vorausdenken ja, aber dabei offen bleiben für ungeplante Ereignisse
Als eine ihrer beiden Töchter Ruth Schmutz vor Jahren fragte, was sie eigentlich den ganzen Tag so mache, habe sie ihr erklärt: «Zuhören, reden, zuhören, reden.» Also dasselbe wie zuhause, meinte die Tochter und fand, dafür müsse die Mutter ja nicht eigens ins Büro fahren. Diese jedoch konnte und kann sich ein Leben ohne Berufsarbeit nicht vorstellen. Kinder hätten für sie nicht zwingend zu einem gelungenen Lebensentwurf gehört, erzählt Ruth Schmutz, berufliche Aktivität jedoch auf jeden Fall.
Heute sind beides wichtige Teile ihres Lebens. Wenn sie abends zur Türe hereinkomme, sei sie ganz für die Familie da, und das Familienleben sei ihr wichtig, so wichtig, dass die Familie umzieht, damit sie dem Arbeitsweg nicht zu viel kostbare Zeit opfern muss. «Morgens und abends möchte ich am Familienleben teilnehmen, das sind die Zeiten, in denen es stattfindet.» Um die Tatsache, dass ihr Mann seit sieben Jahren als Hausmann arbeitet, will sie kein Aufhebens machen. Diese Aufteilung habe sich einfach so ergeben und sei die beste Lösung gewesen. «Es würden sich aber gewiss auch andere Lösungen finden lassen, wenn es nötig wäre», betont sie. Ob die Kinder eine Krippe oder eine Tagesschule besuchten, sei nebensächlich – viel wichtiger sei eine intakte Beziehung in der Familie, in der über alles offen gesprochen wird und die verschiedenen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Man dürfe sich im Leben nicht von den kleinen, letztlich unwichtigen Dingen beherrschen lassen. «Vorausdenken ja, aber dabei auch offen sein und reaktionsfähig bleiben für den Fall, dass etwas nicht ganz nach Plan läuft.»
Ruth Schmutz
absolvierte an den Universitäten Basel, Genf und Frankfurt ein Studium zur lic.phil. I. in Literatur und Linguistik (Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch). Nach einem Hochschulabgänger-Programm in Investment und Financial Analysis beim Bankverein wurde sie Regional Head Human Resources Europe – eine Funktion, die sie sechs Jahre lang ausübte. Für Coopers & Lybrand arbeitete sie als Head Human Resources Switzerland von 1992 bis 1998, nach dem Merger zu PricewaterhouseCoopers bis 2000 als Head Human Resources Assurance Division. Dann Vitra Group: Global Head Human Resources und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung. Ab 2006: Leiterin Human Resources Galenica-Gruppe und seit 2008 zusätzlich Global Head HR und Mitglied der Geschäftsleitung Vifor Pharma. Ruth Schmutz ist verheiratet und Mutter zweier Töchter.