Das Miteinander der Generationen

Alternsgerechtes Führen – Wie denken und handeln Vorgesetzte?

Das IAP – Institut für Angewandte Psychologie – an der ZHAW verfasste die erste quantitative Studie zur individualisierten alternsgerechten Führung. Darin werden Wahrnehmungen, Einstellungen sowie Verhaltensweisen von Führungskräften untersucht. Als erste Publikation veröffentlicht HR Today wesentliche Teile und zentrale Ergebnisse.
 

Mitarbeitende können dann lange erfolgreich im Unternehmen tätig sein, wenn ihre Arbeitsfähigkeit hoch ist. Arbeitsfähigkeit ist «die Summe von Faktoren, die eine Person in einer bestimmten Situation in die Lage versetzen, eine gestellte Aufgabe erfolgreich zu bewältigen». Hierzu gehören gesundheitliche Faktoren, das lebenslange Lernen, die Motivation und die Werthaltungen. In der Forschung konnte bislang nur das Führungsverhalten als signifikanter Einfluss auf den 
Erhalt der Arbeitsfähigkeit bestätigt werden.

Positive Verhaltensweise 
setzt positive Einstellung voraus

Individualisierte alternsgerechte Führung (IAF) berücksichtigt die älter werdenden Mitarbeitenden sowie die älteren Mitarbeitenden und definiert Führung ganzheitlich: Es geht um die strukturell-differenzielle Führung mit Programmen, Prozessen und Hilfsmitteln für die gesamte Personengruppe «älter werdende» oder «ältere Mitarbeitende» und um das für die Einzelperson individualisiert und alternsgerecht angepasste Führungsverhalten.

Verschiedene Facetten individualisierter alternsgerechter Führung konnten in einer empirischen Studie mit etwa 400 Führungspersonen aus der Schweiz (rund 70 Prozent) und Deutschland (rund 30 Prozent) erstmals aufgezeigt werden. Die Teilnehmenden waren zu etwa einem Drittel Frauen und zwei Dritteln Männer, etwa 55 Prozent mittlere Führungs-ebene und je 20 Prozent unterste Führungs-ebene oder Top-Management und kamen aus unterschiedlichen Branchen. Sie waren im Durchschnitt 45 Jahre alt, was exakt der Definition der WHO entspricht, ab wann ein Mitarbeiter als älter gilt.

Es wurden differenziert Wahrnehmung, Einstellung und Verhaltensweisen von Führungskräften gegenüber älter werdenden 
sowie älteren Mitarbeitenden untersucht.
 Als Einstellungs- und Verhaltensdimensionen der IAF wurden der Erhalt der Arbeitsfähigkeit, das individualisierte altersspezifische Führungsverhalten, der frühzeitige Austritt aus dem Erwerbsleben und die Führung
älterer Mitarbeitender überprüft.

Abbildung 1 zeigt Einstellungen und Verhalten am Beispiel der Skala «Erhalt der Arbeitsfähigkeit». Alle Einstellungen sind signifikant positiver als das vergleichbare Verhalten. Damit ist eine wichtige Voraussetzung für spätere Gestaltungsmassnahmen gegeben: Positive Einstellungen sind eine zentrale
 Voraussetzung für den Auf- und Ausbau von positiven Verhaltensweisen. Das Führungsverhalten bezüglich gesunder Lebensweise ist weniger ausgeprägt als die anderen Aspekte: Hier stellt sich die Frage, ob die Führungspersonen das als Führungsthema verstehen oder eher der Eigeninitiative der Mitarbeitenden überlassen möchten. Die Skala «Erhalt der Arbeitsfähigkeit» umfasst relativ konkrete Möglichkeiten für die Führungspersonen, eventuell auch dies ein Grund dafür, dass die Werte insgesamt doch recht positiv ausfallen.

In der Skala 2 (Abbildung 2) geht es um die Individualisierung des eigenen Führungs
verhaltens mit Blick auf einen bestimmten Mitarbeiter, die spezifische Führungssitua
tion und unter Berücksichtigung alterns
spezifischer Anforderungen. Auch hier sind die Einstellungen stärker zustimmend als das Führungsverhalten, grundsätzlich wird aber der Individualisierung von Führung weniger zugestimmt als der alternsgerechten Arbeitsgestaltung.

Warum ist das so? Diese Frage ist erfolgs
kritisch für die IAF und muss sicherlich noch umfassend geklärt werden. Es ist ein hoher Anspruch dem einzelnen Mitarbeitenden
 gerecht zu werden, alternsspezifisch zu differenzieren und gleichzeitig die Messlatte so zu definieren, dass sie im Vergleich zwischen den unterschiedlichen Mitarbeitenden stimmt und adäquat ist. Zudem ist unklar, ob die Führungspersonen über genügend alternsspezifisches Wissen (beispielsweise zur Entwicklung der Fähigkeiten in der Lebensspanne oder die veränderten Bedürfnisse im Bereich von Lernen) verfügen und in ihren Führungsstil situativ anpassen können. Und last but not least ist die individuelle Führungssituation in übergeordnete Rahmenbedingungen eingebettet und Führungs
prozesse, Instrumente oder strukturelle
Aspekte – wie eine hohe Führungsspanne –setzen Akzente, die oftmals die alternsspezifische Individualisierung von Führung erschweren.

Realistisches Bild von älteren 
Mitarbeitenden bei Führungskräften

Die Antworten in den beiden Skalen «frühzeitiger Austritt aus dem Erwerbsleben» und «Führung älterer Mitarbeitender» (ohne Grafik) verdeutlichen, dass Führungskräfte
wollen, dass ältere Mitarbeitende im Erwerbsleben bleiben. Schlussendlich stimmen sie aber nur teilweise der Aussage «Ich stelle 
ältere Arbeitnehmende neu ein» zu. Es wird damit schwierig für die Mitarbeitenden, sich ab einem bestimmten Alter extern beruflich neu zu orientieren.

Ausgewählte Vergleiche beispielsweise zwischen den Arbeitsländern, Geschlecht und Branche ergeben relativ wenig relevante Unterschiede. Gleichwohl lassen sich Unterschiede finden: So haben etwa Frauen eine positivere Einstellung zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit als Männer, Führungspersonen in der Schweiz haben eine positivere Einstellung und ein positiveres Verhalten bezüglich Erhalt der Arbeitsfähigkeit als diejenigen in Deutschland. Führungspersonen aus KMU motivieren ihre älteren Mitarbeitenden eher, bis zum Pensionsalter im Unternehmen zu bleiben, und sind auch eher bereit, ältere Mitarbeitende neu einzustellen. Den KMU kommt damit eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Verantwortung zu und sie profitieren von der Erfahrung und Loyalität älterer Mitarbeitender. Und dieser Vorteil älterer Mitarbeitender konnte klar aufgezeigt werden im Frageblock, welcher sich mit der Entwicklung der Wahrnehmung, der Fähigkeiten 
älterer Mitarbeitender und des eigenen Älterwerdens befasst hat.

Zur Wahrnehmung der Fähigkeitsentwicklung gilt zusammenfassend: Die Führungskräfte haben ein realistisches und po-sitives Bild von älteren Mitarbeitenden; diese werden als leistungsfähig und produktiv wahrgenommen. Allerdings ist das Bewusst-sein dafür, dass individuelle Unterschiede mit dem Alter zunehmen, wenig ausgeprägt. Beim eigenen Älterwerden wird, wie bei den Mitarbeitenden auch, Führungs- und Sozialkompetenz als zunehmend eingeschätzt. 
Belastbarkeit, körperliche Leistungsfähigkeit, Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit hingegen werden als abnehmend wahrgenommen. Die Zuverlässigkeit von älteren Mitarbeitenden bewerten Führungskräfte als eher überdurchschnittlich.

Mit den Erkenntnissen dieser Studie steht erstmals anhand einer grösseren schweizerisch-deutschen Stichprobe überprüftes 
Wissen zu Wahrnehmungen, Einstellungen und Verhalten von Führungspersonen zur Verfügung. Zahlreiche Gestaltungsoptionen lassen sich hieraus ableiten und den 
demografischen Wandel als Chance nutzbar machen.

Literatur

  • Ilmarinen, J. (1999): Aging workers in the European Union – Status and promotion of work ability, employability and employment. Helsinki: Finnish Institute of Occupational Health, Ministry of Social Affairs and Health & Ministry of Labour.
  • Ilmarinen, J. & Tempel, J. (2002): Arbeitsfähigkeit 2010: Was können wir tun, damit Sie gesund bleiben? Hamburg: VSA.
  • Braedel–Kühner, C. (2005): Individualisierte, alternsgerechte Führung. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH.

 

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Daniela Eberhardt ist Direktorin Human Resources Management der Stadt Zürich.

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