HR Today Nr. 6/2019: Debatte

Altersbeschränkung für VR und GL?

Kürzlich wurde beim Röntgenspezialist Comet ein 67-Jähriger als Verwaltungsratspräsident abgelehnt. Stellt sich die Frage: Ist das richtig so? Braucht es allenfalls sogar eine gesetzliche Altersbestimmung für VR und GL oder ginge das viel zu weit? Ein Rechtsanwalt und ein Personalberater kreuzen die Klingen.

Urs Egli: «Eine Altersbeschränkung kann hilfreich sein: Den Jungen gehört die Zukunft.»

Den Jungen gehört die Zukunft. Da ist was dran, denn Junge denken meist anders als Ältere: optimistischer, zukunftsgerichtet, risikofreudiger. Als älterer Mensch verliert man diese Sicht auf die Dinge. Die Vergangenheit verdrängt die Zukunft und die Bilanz die Erfolgsrechnung.

Nun gut, ältere Menschen sind erfahren und wenn sie es gut machen sogar weise. Ein Unternehmen braucht beides. Es braucht den Drang, Neues zu schaffen, und es braucht die Erfahrung, dabei die grössten Fallen zu vermeiden. Warum also soll es nicht für beides Platz haben im Unternehmen? Warum braucht es eine Altersbeschränkung?

Es wäre schön, wenn sich die erfahrenen Manager freiwillig darauf beschränken würden, dem Unternehmen ihre «Weisheit» zur Verfügung zu stellen, beispielsweise als Berater, Coach oder in einem Beirat. Sie tun es aber nicht. Wer es an die Schalthebel der Macht geschafft hat, ist mit einem starken Ego ausgestattet. Solche Menschen tun sich schwer, sich auf das Altenteil zurückzuziehen. Sie brauchen einen «Schupf».

Nun könnte man sagen, die Eigentümer – sprich Aktionäre – lösen das schon, wenn es ihnen wichtig wäre. Bei Publikumsgesellschaften hat der Verwaltungsrat jedoch eine dominierende Stellung gegenüber der anonymen Masse aus eher kurzfris-tig denkenden Aktionären. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung bilden einen geschlossenen Kreis, eine Zunft sozusagen, in der es für Jüngere (und Frauen) nur wenig Platz hat.

Eine Altersbeschränkung für Verwaltungsräte und GL-Mitglieder von Publikumsgesellschaften (bei privaten KMU braucht es das nicht) würde das ändern. Und zwar nachhaltig. Wer weiss, dass er mit 65 Jahren aufhören muss, denkt anders. Er lässt früher los und schafft dadurch Raum. Es gibt ein Leben nach der Karriere. Auch ein berufliches. Weniger Arbeiten dafür qualitativ besser. Dazu eine Geschichte aus der Antike: Die römischen Priesterinnen, die Ves-talinnen, verbrachten die ersten zehn Jahre als Schülerinnen, die zweiten zehn Jahre waren sie Priesterinnen und die dritten zehn Jahre waren sie Lehrerinnen der jungen Vestalinnen. Das ist eine schöne Parabel für unsere Wissensgesellschaft, die davon lebt, dass Wissen auch weitergegeben wird.

Altersbeschränkungen gibt es übrigens schon und zwar in der öffentlichen Verwaltung. Dort ist selbst für Chefbeamte und höchste Richter mit 65 Jahren Schluss. Das funktioniert bestens und ich kenne niemanden, der sich nicht auf die aktive Pensionierung freut.

Christoph Hilber: «Es gibt immer wieder Sesselkleber. Extra Regeln einzuführen ist aber unnötig.»

Alter = Erfahrung = Weisheit – als CEO oder Verwaltungsrat notwendige Tugenden. In IT-Start-ups sind wahrscheinlich jüngere Persönlichkeiten gefragt, in klassischen Industrien wohl eher ältere Kaliber. Bei beiden gilt als Voraussetzung, dass sie sich der Verantwortung ihrer Funktion bewusst sind und über die fachlichen und persönlichen Kompetenzen für die gewissenhafte Erfüllung der Aufgabe verfügen.

Zugegeben, es gibt immer wieder Fälle, wo Sesselkleber nicht merken, wenn ihr Verfalldatum gekommen ist. Eine regulatorische Bestimmung des Alters von Inkompetenz und Verantwortungsunfähigkeit ist indes unnötig, gibt es doch genügend Alternativen.

Die Aktionäre: Sind die Aktionäre mit der Leistung nicht mehr zufrieden, wählen sie die Führung ab. Das ist schon heute so. Immer mehr Aktionäre oder Aktionärsgruppen wehren sich an der GV. Wenn nicht, sind sie wohl selbst schuld.

Rolle des HR: Meine Erfahrungen zeigen, dass das HR nur in ganz wenigen Fällen etwas zur Selbstregulierung auf oberster Ebene zu sagen hat. Dies wäre zwar dringend nötig, solange HR als Kostenfaktor betrachtet wird, ändert dies kaum.

Mehr Schaden als Nutzen: Neue Köpfe, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben eingesetzt würden, nützen dem Unternehmen – wenn überhaupt – eher langfristig. Ein Schaden, der durch den Wegfall von Fachwissen, Netzwerk und Erfahrung entsteht, würde sich dagegen schnell bemerkbar machen.

Patrons haben mehr Rechte, aber auch mehr Angst: Eine Altersbegrenzung wäre vor allem in inhabergeführten Firmen, wo Aktionariat, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung auf derselben Person – dem Patron – vereint sind, kaum anwendbar. Zudem machen sich die Patrons wahrscheinlich mehr Gedanken über die Weiterführung ihres Erbes als angestellte Manager. Ein Gesetz kann ihnen die Angst vor einem Wechsel nicht nehmen.

Selbstregulierung: Das Organisationsreglement jeder Firma beinhaltet, dass ihre Strategie regelmässig überdacht wird. Dazu gehört auch die personelle Besetzung von GL und VR. Nicht ganz einfach, wenn sich Menschen – oft Freunde – gegenseitig qualifizieren und hinterfragen müssen. Das erwarten VR und GL jedoch von ihren Abteilungs- und Teamleitern. Wer dies nicht tut, macht ganz einfach seinen Job nicht richtig.

Fazit: Wo ein Gesetz greifen würde, gibt es bereits genügend Regelwerke. Wo es nicht greifen würde, ändert es nichts an der Angst vor dem Verfalldatum.

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Text: Urs Egli

Urs Egli ist Rechtsanwalt und hat in 25 Jahren eine Wirtschaftskanzlei aufgebaut, deren Führung er nun im Alter von 55 Jahren in jüngere Hände gibt. Zurzeit absolviert er einen MAS am IAP in Coaching und Organisationsentwicklung.

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Christoph Hilber ist Betriebswirtschaftler und seit zehn Jahren Personalberater mit seiner eigenen Firma P-Connect, fokussiert auf Industrie (MEM), Informatik, Telekom und die Positionen Verwaltungsräte, Geschäftsleitungen, Kader und Spezialisten.

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