Jelena Martinelli: «Das stereotypische Bild im Kopf muss sich ändern, nicht die Sprache.»
Vor ein paar Jahren bewarb ich mich auf eine Führungsposition: «Teamleiter/in gesucht», las ich in der Anzeige. Die Firma setzte sich für Inklusion und Diversität ein und formulierte Stellenanzeigen so, dass sich auch Frauen angesprochen fühlten. Nachdem ich meinen Job angetreten hatte, fragten mich diverse Kollegen, ob ich die neue Sekretärin sei.
Kürzlich haben deutsche Intellektuelle dazu aufgerufen, den «Unfug» mit der «Gendersprache» sein zu lassen (zu lesen auf der Webseite des Vereins Deutsche Sprache). Spontan stimmte ich zu und fragte mich gleichzeitig warum. Müsste ich mir nicht mehr Gendersprache wünschen? Denn vielleicht hatten die Kollegen das Wort «Teamleiterin» nicht oft genug gelesen und wussten deshalb nicht, dass es Frauen in der Führung gab. Wahrscheinlicher ist aber, dass dieses «Missverständnis» nichts mit der Sprache zu tun hatte und «mehr Gender» nicht helfen würde.
Natürlich plädiere ich hier nicht dafür, dass man Frauen unter einem Begriff wie beispielsweise «Bürger» einfach wieder subsumiert. Ich weiss um die Macht der Sprache, und dass «Bürgerin» ein Ausdruck davon ist, was Frauen sich mühsam erkämpft haben. Ich finde aber nicht, dass Sprache die Speerspitze im Kampf um die Gleichstellung von Mann und Frau sein sollte.
Derart missverstanden, kann sich Sprache sogar gegen einen wenden. Oder was würden Sie davon halten, wenn wir plötzlich von Bürger- und Bürgerinnenmeister*innen oder Menschinnen und Menschen sprechen müssten? Nur dann wäre es gendersprachlich wirklich konsequent. Lächerlich, oder? Und dieses Lächerliche würde auf uns Frauen und unsere berechtigten Anliegen projiziert.
Unser Wunsch, auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden und den gleichen Anteil an gesellschaftlicher Teilhabe, Einfluss und Geld zu bekommen, würde belächelt – wie die Sprache, mit der wir danach verlangen. Deshalb ist es die falsche Strategie, es mit der Gendersprache auf die Spitze zu treiben.
Dass meine neuen Kollegen mich für die Sekretärin hielten, war kein sprachliches Problem. Dafür verantwortlich waren in den Köpfen zementierte Rollenstereotypen. Es ist also das Bild im Kopf, das sich ändern muss, und das erreichen wir nicht, indem wir Sternchen und Striche streuen oder genderneutral formulieren. Oder an wen denken Sie bei «Police Officer» und «Flight Attendant»? Keiner der Begriffe hat ein Geschlecht. Googeln Sie mal und schauen Sie, welche Bilder Ihnen präsentiert werden.
Um die Bilder in den Köpfen zu verändern, müssen wir Sprache dazu nutzen, inspirierende Geschichten zu erzählen: Geschichten über Frauen in der Politik, in der Wissenschaft, im Business oder auch im Sport. Aber auch Geschichten über Männer: wie sie beispielsweise Kinder betreuen und alte Menschen pflegen. Oder wie Männer ihrer Chefin den Kaffee ins Büro bringen.